Potenzial ausschöpfen

Stille Reserve Digitalisierung

13.07.2021 von Thomas Mederer
Unternehmen versäumen es oft, die stillen Reserven, die im Bereich Digitalisierung schlummern, zu nutzen. Dabei steckt darin viel Potenzial, vor allem mit Blick auf Tools, Prozesse und Mitarbeiter sowie Communities.
 
  • Tools und Vorgehensweisen
  • Prozesse und Abläufe
  • Mitarbeiter und Communities
Wer Digitalisierung hegt und pflegt, kann schon bald mit Erfolgserlebnissen rechnen.
Foto: Sergey Nivens - shutterstock.com

Digitalisierung ist eine stille Reserve in Unternehmen, die es gezielt zu heben gilt. Zwar wachsen Budget und Erfolg nicht linear, aber kluge Investitionen in Digitalisierungsprojekte zahlen sich rasch aus.

Stille Reserven

In der Betriebswirtschaftslehre wird eine stille Reserve als ein Vermögenswert bezeichnet, der nicht offen in der Bilanz ausgewiesen ist. Die Auswirkung der stillen Reserve besteht darin, dass das Eigenkapital oder der Gewinn geringer scheint als es tatsächlich der Fall ist.

Beispielsweise kann ein erworbenes Grundstück eine stille Reserve sein. Stellen Sie sich vor, dass Ihr Unternehmen ein Grundstück zu einem Preis von 1,7 Millionen Euro erworben hat. Aufgrund einer positiven Marktentwicklung der Immobilienpreise würde der Verkauf des Grundstücks Ihnen mit 3 Mio. € einen wesentlich höheren Erlös erbringen. Aufgrund des Anschaffungskostenprinzips wird das Grundstück jedoch mit seinem ursprünglichen Kaufpreis in der Bilanz ausgewiesen.

Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten kann ein Unternehmen stille Reserven als Steuerungsinstrument nutzen und davon profitieren. Ähnlich verhält es sich mit der Digitalisierungskompetenz in Unternehmen.

Zweifelsohne ist das Thema Digitalisierung derzeit auf fast jeder Unternehmensagenda zu finden und die Ausprägung, sowie das Verständnis, welches sich dahinter verbirgt, ist so vielfältig wie ein bunter Blumenstrauß. Als Beleg dafür dienen auch die aktuellen Ergebnisse aus dem Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021 der Deutschen Telekom.

Der Digitalisierungsgrad steigt in fast allen von der Deutschen Telekom erfassten Handlungsfeldern.
Foto: Deutsche Telekom AG

Schaut man sich die obere Grafik an, ist zu erkennen, dass der Digitalisierungsgrad in fast allen fünf Handlungsfeldern steigt. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass diese Entwicklungen auch immer den gewünschten Nutzungsgrad erreichen. Ein Blick in die Capgemini Studie zu IT-Trends 2020 deckt das deutlich auf. Die Grafik lässt erkennen, dass bei vergleichbar eingesetztem Budget der Erfolg je nach Branche stark variieren kann.

Ob die Investitionen in Digitalisierung von Erfolg gekrönt sind, hängt stark von der Branche ab. IT-Dienstleister schneiden in diesem Vergleich sehr gut ab.
Foto: Capgemini

Chancen der Digitalisierung

Allzu häufig übersehen Unternehmen jedoch, die stillen Reserven, die im Bereich Digitalisierung schlummern, und somit nicht genutzt werden. Entgegen der häufig beworbenen Hype-Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) lassen sich die Schätze der Digitalisierung fernab von diesen Themen wesentlich leichter heben.

Die stillen Reserven der Digitalisierung lassen sich grob in drei Bereiche einteilen. Jedes Thema für sich ist sehr umfangreich, weshalb hier nur Impulse gesetzt werden können, wie Sie die Schätze heben können.

Tools und Vorgehensweisen

Der Spruch "Never change a running system" hat wohl Kult erreicht. Er drückt jedoch genau das Gegenteil von dem aus, was wir in einer immer schnelllebigeren Welt benötigen. Ein Blick in die Tool-Landschaft offenbart häufig eine Vielzahl an verschiedenen Lösungen, die sich über die Jahre in Firmen angesammelt haben, um immer neue Anforderungen bedienen zu können.

Genau in dieser Landkarte lässt sich das erste schlummernde Potenzial identifizieren. Häufig haben die eingesetzten Softwarelösungen einen weitaus größeren Funktionsumfang als der Zweck, für den die Software angeschafft wurde. Eine mitgelieferte API beispielsweise ermöglicht Ihnen eine ganz neue Integrationstiefe.

Prozesse und Abläufe

Ähnlich wie im vorherigen Abschnitt ist es mit etablierten Prozessen. Gibt es erst einmal funktionierende Vorgehensweisen, will man diese nur ungern ändern. Die Gründe dafür sind nur allzu verständlich, denn in vielen Unternehmen ist das ähnlich, wie die Beantragung von staatlichen Fördermaßnahmen. Ebenso fatal ist es jedoch, schlummernde Potenziale aus diesem Bereich nicht zu heben.

Eine einfache Möglichkeit schnelle Gewinne in diesem Bereich zu erzielen, ist der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA). Es klingt komplizierter als es ist, versprochen. Sofern Sie Office 365- beziehungsweise Microsoft 365-Nutzer sind, haben Sie ein mächtiges RP-Tool an Board, mit dessen Hilfe Sie etablierte Prozesse verbessern können, ohne diese gleich komplett ändern zu müssen. Werfen Sie einfach mal einen Blick auf Power Automaten (bis Ende 2019 Microsoft Flow).

Mitarbeiter und Communities

Meiner Meinung und Erfahrung nach sind die größten und wertvollsten Reserven die Mitarbeiter und deren Fähigkeiten im Bereich der Digitalisierung. Es gilt "lediglich" diese zu heben. Dank der immer komfortableren Apps und Services, die wir im Privatleben nutzen, hat, sich eine Art virtueller Graben zwischen der Arbeits- und der Privatwelt ergeben. Innovation kommt quasi frei Haus, denn Netflix, Amazon und Co. profitieren direkt davon.

Anders ist das jedoch im beruflichen Kontext, denn dort muss neue Software meist erst umständlich getestet, dokumentiert und ausgerollt werden. Für Cloud Services trifft dies natürlich nicht zu, die Adaption einer echten hybriden Struktur lässt jedoch auch in den meisten Fällen auf sich warten.

Lesetipp: Alles zum Thema digitale Arbeitsplätze

Aufgrund dieses Sachverhalts sind viele Mitarbeiter bereit sich aktiv einzubringen, wenn es um die Erleichterung und Digitalisierung der eigenen Arbeit geht. Dies sollten sich Unternehmen zu nutzen machen. Nachhaltig funktioniert dies, wenn Unternehmen es schaffen, eine Community aufzubauen, die es den Mitarbeitern ermöglicht sich mit Ihren Ideen einzubringen und Wertschätzung für die Zeit, die sie investieren, zu erfahren. Gleichzeitig steigen die Erfolgsaussichten der gestarteten Initiativen, da die Mitarbeiter aktiv am Wandel beteiligt sind und nicht von der Seitenlinie aus zusehen müssen.

Eine Community fördert unter anderem auch den Austausch unter den Mitarbeitern. Das wiederum birgt ganz neue Chancen, denn, wenn beispielsweise der Softwareentwickler mit der Buchhalterin spricht, können scheinbare Probleme mithilfe von wenigen Zeilen Software-Code gelöst werden. Maßnahmen, die das Bilden einer Gemeinschaft fördern, können, sind beispielsweise Hackatons oder vergleichbare Veranstaltungen, an denen aktive Bewegungen aus verschiedenen Disziplinen gefördert werden.

Es kann also festgehalten werden, dass ein Unternehmen ein großes Arsenal an stillen Reserven hat, aus dem es schöpfen kann. Geld allein wird die Probleme nicht lösen, das zeigen uns aktuelle Studien. Vielmehr geht es also um die aktive Beteiligung der Mitarbeiter und den Aufbau von Communities, um die digitale Veränderung und Innovation zu einem festen Bestandteil der Unternehmens-DNA werden zu lassen.

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