Stark durch verschiedene Soft- und Hardware-Standbeine

08.12.1999

DÜSSELDORF: Frankreich gehört nicht unbedingt zu den Ländern, an die man zuerst denkt, wenn es um Produkte im Grafik- und Soundkartenmarkt geht. Neben Anbietern wie Creative Labs oder Diamond hat sich die Firma Guillemot still und leise zu einem wichtigen Anbieter auch im deutschen Markt gemausert.Stark durch Familienbande, so könnte man den Erfolg von Guillemot kurz und knapp beschreiben. Ungewöhnlich genug, daß sich ein solches Unternehmen in Familienbesitz befindet, teilen sich gleich fünf Brüder der Familie Guillemot die Führungsaufgaben des französischen Unternehmens. "Man spürt ein enormes Zusammengehörigkeitsgefühl und fühlt sich im Unternehmen tatsächlich wie in einer großen Familie aufgehoben", bestätigt der neue Deutschland-Geschäftsführer Andreas Müller.

Hierzulande bei vielen noch ein unbeschriebenes Blatt, gehört das Unternehmen vor allem im Heimatland zu den führenden Anbietern im Multimedia-Umfeld. Den weltweiten Umsatz 1998 beziffert Müller mit umgerechnet rund 235 Millionen Mark. In Deutschland peilt der Geschäftsführer für das laufende Geschäftsjahr die 60 Millionen-Marke an (1998: 35 Millionen Mark).

Neben Produkten wie Grafik- und Soundkarten, CD-R- und DVD-Laufwerken sowie Joysticks und Lenkrädern für PC und Videospielkonsolen, trägt mit der hundertprozentigen Tochter Ubi Soft auch einer der größten Publisher für Spiele und Edutainment-Software zu gut der Hälfte zum Firmenumsatz bei. So ist Ubi Soft in Frankreich beispielsweise exklusiv als Distributor für die Top-Spiele-Marken von Electronic Arts und Lucas Arts zuständig.

Brodliner müssen draussen bleiben

Doch nicht nur die Kombination aus Hard- und Software ist ungewöhnlich. Auch beim Vertrieb gehen die Franzosen einen ungewöhnlichen Weg. So wickelt die deutsche Zentrale in Düsseldorf das Geschäft zu etwa 75 Prozent direkt mit dem Handel ab. Broadline-Distributoren bleiben außen vor. Lediglich mit Macrotron unterhält man einen Vertrag für den Vertrieb von Software. Dazu Andreas Müller: "In Deutschland wird das Hauptgeschäft mit zwei- bis dreitausend Outlets abgewickelt. Für uns ist es enorm wichtig, daß diese Kunden optimal versorgt werden. Bei den großen Distributoren haben wir aber nicht die Sicherheit, daß unsere Aktionen und die Betreuung so laufen wie wir es uns wünschen." Um neben dem Stammgeschäft Retail auch kleinere und mittlere Fachhändler beliefern zu können, wurde vor kurzem der Distributor Lion ins Boot geholt. Angesprochen auf Vobis, gibt sich der Geschäftsführer zurückhaltend: "Wir wollen erst mal abwarten, wie sich die Lage bei Vobis entwickelt, bevor wir dort einsteigen." Der Verkauf über Lebensmittelkanäle kommt für Müller momentan nur für die Software-Drittvermarktung (Preisbereich 19,90 Mark) in Frage. Allerdings ist er sich sehr wohl der Wichtigkeit dieses Vertriebsweges bewußt: "In den nächsten drei bis fünf Jahren wird der Selbstbedienungskanal nicht wegzudenken sein. Auch wenn man sich als Hersteller noch so ungeschickt anstellt, verkauft man auf diesem Wege mit einer Aktion mindestens 30.000 Geräte."

Durch Thrustmaster-Kauf zur Nummer eins

Um sich für den immer weiter konsolidierenden Markt finanziell zu rüsten, ging das Unternehmen im vergangenen Jahr an die Börse. 15 Millionen Dollar des so gewonnene Kapitals wurden nun für den Kauf des Game Controller-Bereiches des amerikanischen Anbieters Thrustmaster ausgegeben. Damit steigt Guillemot mit einem Anteil von 50 Prozent zum Weltmarktführer im Bereich PC-Lenkräder auf und erweitert dadurch außerdem sein Vertriebsnetz in Nordamerika. Die Marke Thrustmaster soll nach offiziellen Angaben weitergeführt werden und das bisher konsolenlastige Zubehörgeschäft von Guillemot im PC-Bereich verstärken.

Auch ohne Grafikkarten überlebensfähig

Bezüglich der momentanen Turbulenzen im Grafikmarkt (siehe Berichterstattung in den vergangenen ComputerPartner-Ausgaben), gibt sich der Guillemot-Manager gelassen. Müller geht davon aus, daß die Partnerschaft mit Chiplieferant Nvidia (siehe auch Kasten: Nvidia: Keine Übernahme...) auch nach dem Geschäftsjahresende im September weiter besteht. Sollte es wider Erwarten doch Probleme bei der Chip-Versorgungslage geben, könne man im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern durch die anderen Standbeine auch ohne die Grafikkarten überleben. "Das Grafikkartengeschäft ist an einem Punkt angelangt, wo zwischen den einzelnen Produkten keine optischen Unterschiede mehr feststellbar sind sondern nur die Testberichte der Fachzeitschriften entscheiden." Daher will Guillemot zwar weiterhin Spitzenprodukte anbieten, das Kerngeschäft aber verstärkt in die Einsteigerklasse verlagern. Mit preisagressiven Produkten soll so der Massenmarkt aufgerollt werden. "Das Weihnachtsgeschäft muß in diesem Jahr ein bißchen uns gehören", meint Müller dazu augenzwinkernd. (akl)

Die deutsche Guillemot-Zentrale in Düsseldorf rechnet für 1999 mit einer Umsatzsteigerung von rund 70 Prozent auf 60 Millionen Mark.