Sony-Chef Gerdes: "Das Thema lautet Veränderung"

01.08.2005
Seit Februar 2005 ist Manfred Gerdes für das operative Geschäft der Sony Deutschland GmbH zuständig. ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe sprach mit dem Manager über die Ausrichtung des Herstellers und seine Beziehung zum Fachhandel.

Herr Gerdes, unter welcher Überschrift steht das Jahr 2005 für Sony?

Gerdes: Das Jahr 2005 steht für mich unter dem Motto "Sony like.no.other", und das werden wir in den nächsten Wochen sehr deutlich machen. Darunter sehen wir nicht nur die Vermarktung der Produkte, sondern dass das Claim auf Produkte, Produktsegmente, Features, aber auch auf Mitarbeiter und die strategische Ausrichtung angewendet werden kann.

Die "Baustelle Sony" ist mittlerweile nicht nur in Branchenkreisen zu einem festen Begriff geworden. Sony ist seit zwei Jahren mit sich selbst beschäftigt, hört man. Wann greifen Sie im Markt wieder an?

Gerdes: Zunächst denke ich nicht, dass Sony eine Baustelle ist. Aber der Markt hat sich für uns in relevanten Bereichen sehr stark verändert und dem müssen wir Rechnung tragen. Unsere drei Kernbereiche TV, IT und Digital Foto leiden unter einem überproportionalen Preisverfall, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzt. Einerseits kommen neue Wettbewerber in den Markt und andererseits sind Wettbewerber, die wir bereits kennen, auf Einkaufsreise. Nicht für Produkte, sondern sie kaufen sich Marktanteile und gehen dafür in Preisregionen, die nicht mehr nachvollziehbar sind.

Außerdem setzen die Discounter extreme Preispunkte. Insgesamt drückt das auf die Umsätze, die nur dann noch gehalten oder teilweise erhöht werden können, wenn der Absatz überproportional steigt.

Sony hat im vergangenen Jahr restrukturiert. Stehen die internen Strukturen nun fest?

Gerdes: Strukturen stehen bei mir nie fest. Veränderung lautet das Thema. Wir müssen jeden Tag darüber nachdenken, ob Sony so ausgerichtet ist, dass wir das Geschäft vernünftig betreiben können.

Wenn Sie die Presse mit den ersten Ansagen des neuen Chairman und CEO Howard Stringer verfolgt haben, wird es eine Neuausrichtung geben, und wir werden das Thema Veränderung zu einem Kernthema für das gesamte Unternehmen machen.

Sony präsentiert sich als Konvergenzhersteller. Die Produkte sind da, aber wie sieht es mit den Vertriebsstrukturen bei Sony aus? Sind alle UE-Produkte bereits in der IT-Distribution erhältlich?

Gerdes: Dass wir mit Distributoren zusammenarbeiten, ist kein Geheimnis. Dass diese aber sehr IT-lastig arbeiten, ist auch kein Geheimnis. Wir stehen derzeit darüber in Verhandlungen mit den IT-Distributoren, wie wir unser Portfolio in der Distribution erweitern können. Unsere Kernaufgabe ist es, den Fokus von Einzelprodukten auf das gesamte Sortiment zu bringen und das Thema Konvergenz zu berücksichtigen. Außerdem werden wir von der Marketing- und Vertriebsseite in Zukunft die für uns strategisch wichtigen Produkte über alle Produktbereiche in den Fokus nehmen.

Anfang dieses Jahres kündigte Sony seinen VCC-Partnern einen Spezialisten für Produktgruppen-übergreifende Lösungen an. Der soll dem Fachhandel ab Oktober verschiedene Vorschläge an die Hand geben. Ist diese Stelle bereits besetzt?

Gerdes: Nach meinem Kenntnisstand werden wir diese Position im September besetzen und dann mit kompletten Konvergenzlösungen auf die Partner zukommen.

Einem IT-Distributor reicht eine Marge von 6 Prozent; der UE-Großhändler ist eine Marge von 20 Prozent gewohnt. Welche Auswirkung hat der Einzug der UE-Produkte in die IT-Distribution auf die Preisgestaltung?

Gerdes: Die genannten Prozentsätze finde ich sehr schön, möchte dazu aber nichts sagen. Sie werden sicherlich verstehen, dass wir diese Themen einzig und alleine mit dem Handel besprechen.

Kommt umgekehrt ein kleiner UE-Händler, der ein Sony-Notebook verkaufen möchte, über seinen UE-Grossisten auch an die IT-Produkte?

Gerdes: Auch dazu werde ich nichts sagen, weil ich unsere vertriebliche, strategische Ausrichtung nicht preisgebe.

In einem Interview während der CeBIT sprachen Sie von mehr Marketingaktivitäten in Richtung Endkunden. Gleichzeitig fordert Sony seine VCC-Partner kontinuierlich auf, mehr eigene Ideen im Marketing einzubringen. Ist für das Channel-Marketing kein Geld mehr übrig?

Gerdes: Das widerspricht sich nicht. Wir müssen über zwei Wege zum Konsumenten. Der eine Weg ist unsere direkte Kundenansprache und der andere Weg ist eine individualisierte, auf den jeweiligen Händler zugeschnittene Kommunikation. Wir laden die Händler ein, ihre Themen individuell umzusetzen, um sich in ihrem Wettbewerbsumfeld deutlich differenzieren zu können.

Mehr Marketing in Richtung Endkonsumenten bedeutet, dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Gerdes: Ja, aber es heißt nicht gleichzeitig, dass wir weniger Marketing in Richtung Handel machen.

Sie haben Ihr Marketingbudget erhöht?

Gerdes: Ja, haben wir. Es geht uns nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, um damit etwas anderes zu machen. Die Sony-Partner bekommen ihre Marketingunterstützung heute vielleicht mit einem anderen Anspruch. Unterstützung heißt nicht nur einen Scheck auszustellen. Wenn das Konzept des Handelspartners stimmt, finden wir auch das Geld. Stimmt das Konzept nicht, haben wir auch kein Geld dafür.

Welche Rolle spielen die kleinen IT-Fachhändler für Sony?

Gerdes: Hier müssen wir die Rolle der Distributoren überdenken und herausfinden, inwieweit wir über sie die kleinen Händler bedienen können. Dieser Punkt steht bei uns oben auf der Agenda.

Heißt das, die Distributoren sollen aktiver werden?

Gerdes: Nein, wir wollen hier nicht die Themen verschieben. Es ist unsere Kernaufgabe, mit den Distributoren zu sprechen, in welcher Form wir unsere Produkte vermarkten wollen.

Sony-Displays haben aufgrund der hohen Preise im Projektgeschäft oft keine Chance. Bei den Notebooks fehlt den Partnern häufig das passende Sony-Produkt, um überhaupt in den Wettbewerb einsteigen zu können. Welche Ambitionen hat Sony im B2B-Bereich?

Gerdes: Wir werden bei den Notebooks eine neue Produktlinie namens Vaio Professional aufnehmen und damit den Anforderungen des B2B-Bereiches gerecht werden. Manchmal dauern die Dinge etwas länger, als man gedacht hat. Aber das ist nicht nur bei Sony so. Gucken Sie sich mal in der IT-Welt um. Da sind Ankündigungsweltmeister unterwegs, die nie etwas erfüllen.

Und wie sieht es mit den Preisen im Display-Segment aus?

Gerdes: Hier haben wir das gleiche Problem wie im TV-Bereich. Es gibt keine Preisstufen mehr. Für mich sind das Preiswasserfälle. Gleichzeitig tritt die Wertigkeit der Marke in den Hintergrund. Unsere Produkte sind zwar ihren Preis wert, aber sie sind nicht preiswert.

Die Sony-Händler müssen demnach den Preis der Displays erklären?

Gerdes: Korrekt.

Wenn wir gerade beim Thema sind: Was halten Sie von der Preispolitik der reinen Online-Händler, also der E-Tailer?

Gerdes: Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Wir haben auch hier bereits analysiert, ob wir in diesem Bereich besser oder schlechter stehen als die anderen Hersteller. Ich sehe es als allgemeines europäisches Problem. Sicherlich ist es auf der einen Seite das Verschulden der Industrie, das hefte ich mir auch an die Brust.
Wir diskutieren intern, wie wir den E-Tailer-Markt in Zukunft ganzheitlich europäisch bearbeiten werden.

Ihr Vorgänger Wolfdieter Griess erwartete, dass Sony Deutschland im Geschäftsjahr 2005/2006 in der Lage sein wird, wieder mehr Umsatz und profitablere Ergebnisse zu erreichen. Das erste Quartal des Geschäftsjahres ist abgeschlossen. Wie lief es?

Gerdes: Im Großen und Ganzen läuft es nicht schlecht, wenn man die drei Segmente Notebooks, Digital Foto und Display/TV streichen könnte. Dort kämpfen wir mit dem massiven Preisverfall. Wir werden genau analysieren, wo wir mit profitablen Produkten mehr Geschäft machen können. Außerdem müssen wir die Kosten weiter optimieren, um in den positiven Bereich zu kommen.

Welche Produkte sind im ersten Quartal gut gelaufen?

Gerdes: Wir sind sowohl bei Camcordern als auch bei DVD-Playern und -Rekordern gut unterwegs. Auch im MP3-Segment haben wir gute Absätze.Einige Bereiche sind gleich geblieben und in einigen Segmenten stehen wir, wie bereits erwähnt, unter Preisdruck. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, da wir in den Bereichen TV und IT gute Produkte in den Markt einführen werden. Das Line-up ist gut - und damit ist es für mich okay.

Wie sehen zusammenfassend Ihre Ziele bis Ende des aktuellen Geschäftsjahres aus?

Gerdes: Wir müssen an unseren Produkten arbeiten, unsere internen Strukturen verbessern und unsere Kosten senken. Dadurch wird Sony Deutschland eine bessere Ergebnissituation erzielen können.

Heißt Kostensenkung Entlassungen?

Gerdes: Kann - muss aber nicht. Wir stellen alles auf den Prüfstand. Wer das nicht macht, hat ein Problem. Wir haben die Aufgabe, das Unternehmen profitabel zu gestalten. Dabei muss man auch über Mitarbeiter nachdenken. Es muss ja nicht heißen, dass man mit dem Rasenmäher durchfährt.

Sind Sie angetreten, um Sony Deutschland in diesem Jahr in die Profitabilität zu führen?

Gerdes: Nein. Ich sehe mir das Zahlenwerk an und bin realistisch. Dinge, die ich beeinflussen kann, werde ich in die Richtung lenken, dass sie zu einer besseren Kostenstruktur führen. Die Profitabilität der Sony Deutschland GmbH steht allerdings für mich nicht an erster Stelle. Der Fokus liegt auf Europa, da wir in die Kasse der Sony Corporation einzahlen. Was eine Sony Deutschland macht, ist nur ein Teil im großen Räderwerk.