In einem Umfeld wie der IT, das sich so schnell wandelt, bleiben Kalt- und Fehlstarts nicht aus. Einige Produkte brauchen Monate oder gar Jahre, bis man ihren tatsächlichen Wert erkennt. Andere Entwicklungen hingegen bleiben auf immer ein sprichwörtlicher "Schuss in den Ofen". Auf letztere wollen wir hier eingehen - die folgenden Produkte waren ihrer Zeit zu sehr voraus, falsch positioniert oder schlichtweg überflüssig.
Viel zu modern: Apple Newton
Wenn das iPhone der Vater des iPads ist, dann ist der Apple Newton sein Großvater. 1993 stellte der Hersteller aus Cupertino eine komplett neue Produktlinie mit dem Namen "MessagePad" vor. Eigentlich hieß das Betriebssystem des handlichen Mobilcomputers "Newton" - doch schon nach kurzer Zeit stand dieser Name synonym für die MessagePad-Serie, die 1998 im Zuge der Neustrukturierung von Apple unter Steve Jobs wieder eingestellt wurde.
Eine Besonderheit des Newtons stellte die lernfähige Handschriftenerkennung dar. Auf dem berührungsempfindlichen Display schrieb der Anwender mit einem Kunststoffstift in seiner eigenen Handschrift, die nach und nach von dem Kleincomputer erlernt wurde. Im Vergleich zu der damals verbreiteten Spezialschrift Graffiti, die Benutzer beispielsweise für die Palm-Geräte erlernen musste, ein deutlicher Fortschritt. Aufgrund der geringen CPU-Leistung der früheren MessagePads funktionierte die Erkennung jedoch nur eingeschränkt. Erst mit der 1996 für das OS 2.0 vorgestellten neuen "Rosetta"-Engine erkannte der Newton auch Druckschrift fehlerfrei.
Eine weitere konzeptionelle Besonderheit des Newtons waren die programmunabhängigen Datenbestände. Mehrere Programme auf dem Gerät konnten Informationen wie E-Mails, Notizen, Kalendereinträge oder Adressen gemeinsam nutzen. Aus heutiger Sicht eine Selbstverständlichkeit - Anfang der 1990er Jahre noch eine echte Neuerung, die sich in den klassischen Desktop-Betriebssystemen erst ein Jahrzehnt später wiederfinden sollte.
Das Newton-Konzept war mitnichten eine Fehlplanung oder hatte keine Daseinsberechtigung. Es passte aber einfach nicht mehr in Steve Jobs‘ Planungen nach seiner Rückkehr zu Apple.
Eher unbeliebt: Microsoft DOS 4.0
Für den Sprung von der MS-DOS-Version 3.3 auf 4.0 hatten sich die Entwickler in Redmond große Neuerungen vorgenommen. Erstmals bot der Vorläufer der heutigen Windows-Betriebssysteme ein Installationsprogramm im klassischen Sinne. Die Shell wartete mit grafischer Oberfläche auf, die bisher gültige 32-MB-Grenze für Festplatten wurde mit dem neuen Dateisystem FAT16 immerhin theoretisch auf 2 GB erweitert.
Um die tief in der Prozessortechnik verwurzelte Limitierung des konventionellen Arbeitsspeichers auf 640 KB wenigstens behelfsmäßig überwinden und speicherhungrigen Programmen mehr RAM zur Verfügung stellen zu können, führte Microsoft eine neue Speicherverwaltung für die "Expandend Memory Specification" (EMS) ein.
Doch eben diese Erweiterung enthielt in der im Juni 1988 vorgestellten Version 4.00 einen schwerwiegenden Fehler, der mit bestimmten Festplatten zu Datenverlusten führen konnte. Im November desselben Jahres erschien die Version 4.01 mit der entsprechenden Fehlerkorrektur. Aus heutiger Zeit erscheinen die fünf Monate für die Korrektur als unglaublich, die langen Releasezyklen zu dieser Zeit relativieren das Bild jedoch. Zwischen den Veröffentlichungen von DOS 3.1 und DOS 3.2 beispielsweise lagen ganze 17 Monate.
Insgesamt, so die Webseite winhistory.de, war MS-DOS 4 nicht sehr beliebt, was möglicherweise mit der missglückten Markteinführung zu tun haben könnte, oder dem Umstand, dass diese Version mehr vom stets knappen konventionellen Speicher belegte als seine Vorgänger.
Überflüssig: Extended Density Floppy und Superdisk
Über viele Jahre war das Diskettenlaufwerk ein fester Bestandteil eines jeden Computers. Betriebssysteminstallation und Programme wurden von Disketten gestartet, Dateien getauscht und selbst eine der ersten Digitalkameras nutzte eine Diskette zur Speicherung von Bildern. Anfang der 1970er brachte die Firma Memorex das erste Diskettenlaufwerk mit Schreibfähigkeit auf den Markt - der Anfang vom Ende der Lochkarten, Lochstreifen und letztendlich der Magnetbänder.
Alan Shugart, mutmaßlich der "Erfinder" der Diskette, gründete 1973 die Firma Shugart Associates und entwickelte 1976 die weit verbreitete 5,25"-Diskette. Die ersten Apple- und IBM-Personal-Computer nutzten die von TEAC produzierten Diskettenlaufwerke mit einer Kapazität von 360 KB. Anfang der 1980er Jahre folgte, entwickelt von dem japanischen Unternehmen Sony, die weltweit verbreitete 3.5"-Diskette.
Zunächst mit 720 KB Kapazität im DD-Format unter DOS und 880 KB auf bei den AMIGA-Computern, folgte später die 1,44 MB-HD-Diskette für den PC, die den Großteil der 1990er-Jahre hindurch üblicher Standard war. Zum Ende des Jahrzehnts begann, unter der Notwendigkeit des erhöhten Speicherbedarfs, der Siegeszug der CDs. Brenner wurden immer günstiger und schnell folgte die DVD mit einem noch höheren Speichervolumen.
Bereits 1991 wurde die Enhanced Disk (ED) mit 2,88 MB Kapazität vorgestellt. Die Existenz dieses Laufwerkstyps dürften die meisten PC-Anwender nur aus den möglichen Einstellungen im BIOS her kennen. Eine nennenswerte Verbreitung der mit 36 Sektoren formatierten Diskette gab es lediglich bei Computern von NeXT und im IBM PS/2s. Apple setzte 1998 ein deutliches Signal und liefert seither Rechner nur noch ohne Diskettenlaufwerk aus. Der Rest der Branche sollte, mit einigem Abstand, dem Beispiel folgen. Heute gibt es Diskettenlaufwerke, wenn überhaupt, nur noch als externe USB-Lösung.
Ebenfalls 1998 setzte Sony mit dem HiFD-Laufwerk mit 150 MB Kapazität und einer Kompatibilität zu den gängigen 1,44-MB-Disketten zum letzten Versuch an, die Diskette noch einmal wiederzubeleben. Wie wir heute wissen, war der Versuch vergeblich.
Der "SuperDisk" der Firma Imation ging es mit dem LS120 nicht viel besser. Zwar bot dieses Modell im Vergleich zu dem später weit verbreiteten Iomega ZIP100-Disketten mehr Speicherplatz und erschien sogar etwas früher am Markt, dennoch konnte sich die SuperDisk nicht durchsetzen - trotz Kompatibilität zu den etablierten 720-KB- und 1,44-MB-Disketten. Mit einer speziellen Packet-Writing-Software für Windows erlaubte das spätere 240-MB-Modell der SuperDisk sogar die Speicherung von 32 MB auf einer normalen 1,44-MB-HD-Diskette. Von einem Markterfolg mag jedoch niemand mehr sprechen.
Die Unverschämtheit: SoftRAM
Mitte der 1990er Jahre präsentierte die US-Firma Connectix ein Programm namens "RAM Doubler" für Mac OS. Die Software komprimierte laufend den Arbeitsspeicher, was für den Anwender mit einer Verdoppelung des tatsächlich eingebauten RAMs auf dem Mac einherging. Nach einigen Jahren am Markt verlor das Produkt an Bedeutung, da Mac OS nun von Haus den Speicher optimierte.
Die Firma Syncronys versuchte sich unter dem Namen "SoftRAM" an einem ähnlichen Produkt, das der Hersteller auch für Windows 3.x anbot. Die Entwickler von SoftRAM und später SoftRAM95 für Windows 95 versprachen, dass eine physikalische Aufrüstung des Computers dank der Speicheroptimierung ihrer Software nicht erforderlich sei. Doch anstelle wirklich eine Komprimierung oder Optimierung vorzunehmen, vergrößerte das Programm lediglich die Auslagerungsdatei. Das hätte jeder halbwegs talentierte Laie an seinem Windows-PC auch selbst vollbringen können.
Ende 1995 begann, nach einigen Klagen, die Federal Trade Commission (FTC) eine Untersuchung und kam zu dem Schluss, dass Syncronys Werbeaussage "falsch und irreführend" sei. Außerdem stellte sie fest, dass "SoftRAM95 weder das RAM auf einem Windows-95-PC vergrößert noch eine Arbeitsgeschwindigkeitsbeschleunigung, Speichervergrößerung oder eine andere messbare Programmbeschleunigung erzeugt".
Die Untersuchung hatte somit ergeben, dass das Programm schlicht nicht das vollbrachte, was der Hersteller vorgab. Infolge dieser Enthüllung wurde Syncronys zum Produktrückruf aufgefordert. Kurze Zeit darauf meldete die Firma Konkurs an. Die englischsprachige PC World verlieh SoftRAM 2006 den Titel des "drittschlechtesten technischen Produkts aller Zeiten".
Am Anwender vorbei: MS Office 2008
Microsoft Office 12 für den Macintosh, besser bekannt als MS Office 2008, erschien im Januar 2008 - rund ein Jahr nach dem überaus erfolgreichen Office 2007 für Windows. Während die Windows-Version mit der neuen Benutzeroberfläche und der Multifunktionsleiste "Ribbon" anstelle von traditionellen Menüs glänzte, zeigte sich die Mac-Version im altbekannten Design.
Oberflächen und Design sind zwar, besonders bei moderner Software, sehr wichtig, aber nicht wirklich entscheidend. Microsoft stellte mit der Version 2008 die erste native Mac-Version für Intel-Prozessoren her und konnte somit das Büro-Paket auf die aktuelle Prozessorlinie optimieren. Auf die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten in einer SharePoint-Umgebung mussten Mac-Benutzer jedoch noch bis zur nächsten Version warten. Schlimmer traf es die professionellen Office-Nutzer, da Microsoft auf die Visual Basic for Applications (VBA)-Unterstützung in dieser Office-Version komplett verzichtete. Automatisierungen sollten Benutzer von nun an ausschließlich per AppleScript vornehmen. Kaum jemand dürfte den Willen verspürt haben, seine mühsam mit VBA erstellten Makro-Jobs auf eine neue Skript-Sprache zu portieren.
Word, Excel und PowerPoint entsprachen weitgehend dem Stand, den auch Windows-Benutzer von ihrem Office-Paket kannten. Das mit Abstand schlechteste Programm im Office-Paket war jedoch "Entourage". Das Pendant zu Outlook als "Personal Information Manager" (PIM) konnte in seiner letzten Version immer noch nicht überzeugen. Noch heute finden sich Foreneinträge von plötzlich gelöschten Ordnern oder anderen Unstimmigkeiten in der Programmierung. Beispielsweise war die Sortierung der Länderliste intern aus dem Englischen abgeleitet. Somit kamen Kanada oder Kolumbien unter "C", anstelle "K". Das Entourage-Adressbuch arbeitete nicht mit den OS X-Adressbuch zusammen und erlaubte eine rudimentäre Übernahme der Daten nur im CSV-Format.
Rund zweieinhalb Jahre später folgte Microsoft Office 2011 für den Mac, nun mit der SharePoint-Kompatibilität, der aus Office 2007 bekannten Menüleiste, Microsoft Outlook mit der Möglichkeit PST-Dateien zu importieren und der wiedereingeführten VBA-Makro-Umgebung.
Spannenderweise fehlt, sowohl für Windows, als auch für Macintosh, die Version 13 von Office. Das kann entweder am Aberglauben der Entwickler liegen oder hat schlicht keinen erklärbaren Grund. Schließlich folgte einst auf Office 1.6 - inklusive Excel 3.0 - auch gleich Office 3.0 inklusive Excel 4.0a. Die Versionen 5 und 6 fielen später ebenfalls komplett aus. (sh)