Auf Social Media kann keine Branche dauerhaft verzichten, nicht einmal die Reseller. Die Vorteile von Web 2.0 sind zwar unbestritten, sie sind aber an bestimmte Bedingungen geknüpft. Zu diesem Resümee kommen Profis in einer Diskussion des PR-Verbands GPRA. Zu Wort kamen der Blogger Hubertus von Lobenstein, der Szeneanalytiker Thomas Ullrich sowie der Markenstratege Sven John unter der Moderation von GPRA-Präsident Alexander Güttler. Den Erfolg bestimmt nicht der gewählte Kanal, sondern eine offener und partizipative Unternehmenskultur, so der Tenor.
Qualität von sozialen Netzen
Social Media bietet bei konsequentem Einsatz hohe Chancen, betonen alle Experten. "So einfach wie nie zuvor kann man etwa die Fachwelt aus Werbung und PR zu einem Thema zusammenbringen und dabei neue Ergebnissen erzielen", so von Lobenstein. Für Sven John ist die Qualitätssteigerung eines Produkts wertvoll, die man durch partizipative Modelle erreichen kann. "Dialog mit Kunden ist das beste, was ein Unternehmen tun kann. Unverständlich ist daher, dass etwa die Autohersteller noch immer nicht auf die Plattform 'Motor Talk' reagieren. 40 Prozent ändern bei einem Besuch dieser Seite ihre Kaufabsicht."
Als Positivbeispiel nennt John die Stadt Essen. "Die hoch verschuldete Stadt hat die Bevölkerung in die Diskussion eingebunden, in welchen Bereichen man sparen soll. Social Media und ihre teilhabende Kultur führten hier zur 'Wir sparen und gesunden wieder'-Mentalität", so der Experte. Lobenstein führt den Facebook-Kanal des Kundenservices der deutschen Telekom ins Spiel, der Kritik viel Platz erlaubt. "Möglich ist das durch eine 'Social-Haltung', die vom gesamten Unternehmen bis zur Führungsspitze vorgelebt wird."
Kommunikation ist alles
Für die interne Nutzung von Social Media gelten andere Gesetze als außerhalb, so das Fazit der Redner. Tools für Mitarbeiter werden nach einer Probephase oft wieder fallen gelassen. "Was ein Mitarbeiter in einem externen Blog schreibt, würde er intern oft kaum vertreten, da Abhängigkeiten bestehen und die Umgangskultur mit interner Kritik oft unterentwickelt ist", so Ullrich. Anweisungen zum Umgang mit Social Media haben zudem schnell diktatorischen Anschein. "Manche statten hingegen alle Mitarbeiter mit den Pressemitteilungen aus und stellen ihnen frei, sie für deren eigene Weiterverbreitung zu nutzen. Hier vermittelt man erfolgreich, dass man die Mitarbeiter als Multiplikatoren ernst nimmt."
Die Finger verbrennt man sich mit Social Media laut den Experten dann nicht, wenn man sich deren oberstem Prinzip Dialog verschreibt. Anders als im stufengerasterten, planbaren Customer-Relationship-Management (CRM) müsse dieser stets den offenen Ausgang erlauben. "Man muss seinen Dialogpartnern vermitteln, dass man ihre Teilhabe wünscht, sie mitgestalten lässt und daher auch ernst nimmt", betont John. Vorausschauend agieren solle man trotzdem, rät Ullrich. "Bevor man einen Dialog beginnt ist jeder gut beraten festzustellen, was er bieten kann, wo seine Marke steht und was bisher über sie geredet wird. Es gilt dabei, den Nutzen einer Diskussion zu erwägen."
Meinungsbildung statt Isolatio
Social Media ist weniger spannend als oft dargestellt wird, analysiert Ullrich. "Nur zwölf Prozent nehmen aktiv an der Gestaltung ihrer Inhalte teil, 88 Prozent sind bloß Zuseher. Eine geschlossene Welt bilden die Aktiven bei genauer Betrachtung jedoch nicht, da bis zu 80 Prozent der Themen nicht von der Online-Gemeinde generiert werden." Wichtig sei zudem, dass alle bei der Diskussion zusehen und nur wenige Aktive viele beeinflussen können. "Wer selbst kreativ ist und Meinungen bildet, dem folgen Menschen oder sie treten mit ihm in Diskurs." (pte/rw)