Verkäufer Müller hat sich bestens auf den Termin bei Einkäufer Huber vom Konzern Global vorbereitet, denn er weiß: Vom Verlauf des Gesprächs hängen mein Umsatz und meine Provision ab. Systema-tisch listete er im Vorfeld alle möglichen Einwände des Einkäufers auf und überlegte sich Gegenar-gumente. Denn dieser gilt als harter Verhandler. Selbst den Stau auf der Autobahn plante Müller ein, sodass er pünktlich vor der Bürotür des Einkäufers steht.
Doch kaum hat er dessen Büro betreten, spürt er: "Die Chemie stimmt nicht; ich finde keinen Draht zu ihm." Und auch über das Angebot des Einkäufers gegen Ende des Gesprächs, Müller solle ihm ein detailliertes Angebot unterbreiten, kann sich der erfahrene Verkäufer nicht freuen, denn er weiß: Das sagt Huber, um mich loszuwerden. Den Auftrag bekomme ich mit Sicherheit nicht.
Anders ergeht es am gleichen Tag Müllers Wettbewerber Mayer. Einkäufer Huber schaute zwar zunächst auch mürrisch, als der Verkäufer sein Büro betrat. Doch schon wenige Augenblicke später sind Mayer und Huber in ein Gespräch darüber vertieft, wie hektisch der Arbeitsalltag in den letzten Jahren wurde und wie wenig Planungssicherheit noch besteht. Und einige Minuten später erläutert Huber Mayer detailliert, vor welchen Herausforderungen sein Unternehmen steht und welche Anforderungen es folglich an seine Lieferanten stellt, bevor er Mayer schließlich bittet, ihm ein detailliertes Angebot zu unterbreiten. Und Mayer? Der reibt sich, als er wieder im Auto sitzt, die Hände. Denn er weiß: Den Auftrag habe ich so gut wie in der Tasche.
Erfolgsfaktor Ausstrahlung
Warum wirken manche Menschen auf andere auf Anhieb sympathisch - so sympathisch, dass man ihnen sogar kleine Fehler verzeiht? Warum gelingt es manchen Kundenbetreuern anderen Personen im Handumdrehen das Gefühl zu vermitteln "Mir kannst Du vertrauen", während ihre Kollegen es nicht schaffen, einen Draht zu ihnen aufzubauen? Und warum halten manche Verkäufer, obwohl sie fachlich eher durchschnittlich sind, nach Kundenbesuchen meist einen Auftrag in der Hand, während ihre Kollegen, die jedes fachliche Detail kennen, mit leeren Händen vor der Tür stehen?
Am fachlichen Know-how kann es nicht liegen - denn dann müssten die fachlich fittesten auch die besten Verkäufer sein. Also muss die Ursache in der Persönlichkeit der Verkäufer liegen und in dem Gefühl, das sie durch ihr Auftreten ihrem Gegenüber vermitteln.
Spitzenverkäufer ähneln Kindern. Wenn Kinder einen anstrahlen, muss man meist zurücklächeln. Selbst wenn man gerade noch wütend war - zum Beispiel, weil sie einem die frischgewaschene Hose verschmierten. Denn ihrem unschuldigen Lächeln und offenen Blick kann man sich schwer entziehen. Sie lassen Widerstände und Barrieren schmelzen.
Gedanken und Gefühle gezielt beeinflussen
Diese Eigenschaft, die Sie als Kind einmal hatten, sollten Sie als Verkäufer bei sich re-aktivieren. Das geht. Probieren Sie es aus - zum Beispiel in einem Aufzug. Wenn Sie bei dessen Betreten mit ernster Miene und gesenktem Blick "Guten Tag" sagen, schweigen die meisten Personen. Anders ist die Re-aktion, wenn Sie zuvor an etwas Positives denken und ein Lächeln in Ihr Gesicht zaubern. Dann werden einige Personen aufschauen und lächelnd Ihren Gruß erwidern. Und ein, zwei werden eventuell sogar das Gespräch suchen. Und sei es nur, indem sie fragen: "In welches Stockwerk möchten Sie?"
Das heißt: Wir können über unsere Gedanken unsere Gefühle und damit unsere Ausstrahlung beeinflussen, und hiermit wiederum die Reaktion anderer Menschen auf uns. Also führen auch negative Gedanken letztlich zu negativen Reaktionen.
Genau deshalb hatte Herr Müller in dem Verkaufsgespräch kein "Glück". Denn er fühlte sich bei dem Gespräch nicht wohl in seiner Haut - gerade weil es für ihn so wichtig war. Und in Einkäufer Huber sah er primär einen Gegner, dessen Widerstand es zu überwinden galt. Und dies signalisierte er seinem Gegenüber auch mit seiner Mimik und Stimme sowie seinen Augen. Deshalb ging auch der Einkäufer innerlich auf Distanz und nahm eine abwartend-reservierte Haltung ein.
Körpersprache spiegelt Empfinden wider
Wenn Sie Gesprächspartner für sich gewinnen möchten, müssen Sie ihnen Interesse an ihrer Person signalisieren. Hierfür genügt es nicht, Ihr professionelles Verkäufer-Lächeln aufsetzen und ihnen - wie sie dies in Verkäuferschulung gelernt haben - durch Ihre Körpersprache (scheinbar) Offenheit zu sig-nalisieren. Denn Ihre Körpersprache wirkt schnell unecht und stereotyp, wenn nicht wirkliche Gefühle dahinter stecken.
Anders ist dies, wenn Sie sich tatsächlich auf das Gespräch freuen und wohl in Ihrer Haut fühlen. Dann spiegelt sich dies in Ihrer Körpersprache wider. Und in Ihre Stimme kommt ein "Lächeln". Und in Ihren Augen ist das Leuchten, das für ein "gutes Ankommen" wichtig ist.
Sich vor wichtigen Terminen - also zum Beispiel einem Gespräch mit Schlüsselkunden - in eine posi-tive Stimmung zu versetzen, kann man trainieren. Hierfür gibt es Übungen und Methoden. Wenn Sie diese regelmäßig praktizieren, dann gelingt es Ihnen mit der Zeit, sich auf wichtige Gespräche so einstimmen, dass quasi auf Knopfdruck Ihre Augen strahlen und die Menschen ein Lächeln aus Ihrer Stimme heraushören.
Den Partner als Person wahrnehmen
Wer gut ankommen will, muss auch genau hinsehen und -hören. Er muss die Situation seiner Mit-menschen wahrnehmen und darauf eingehen. Er sollte es zum Beispiel registrieren, wenn sein Ge-sprächspartner sich gerade im Stress befindet. Ein echter Türöffner kann es dann sein, wenn Sie zu Kunden sagen: "Bei Ihnen geht es im Moment aber hoch her". Denn damit bieten Sie Ihrem Partner die Chance, Ihnen sein Herz auszuschütten - und die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen.
Folgt dann noch das Angebot "Soll ich noch ein paar Minuten draußen warten", hat der Verkäufer oft schon gewonnen, selbst wenn der Kunde das Angebot nicht annimmt, denn er spürt: Hier ist jemand, der mich und meine Situation wahrnimmt und versteht. Also fasst er Vertrauen.
Genau deswegen hatte Verkäufer Mayer Erfolg, weil er mit einer positiven Grundhaltung und relaxt das Büro von Einkäufer Huber betrat. Deshalb registrierte er dessen überladenen Schreibtisch und gehetzten Blick. Doch anders als sein Kollege Müller ließ er sich hierdurch nicht verunsichern.
Vielmehr sagte er mit einem verständnisvollen Lächeln: "Bei Ihnen scheint es im Moment heiß herzu-gehen, wenn ich Ihren Schreibtisch so sehe." Das öffnete ihm die Tür zum Herzen des Einkäufers. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies: Ob Sie bei Ihren Gesprächspartnern gut ankommen, liegt weitge-hend daran, ob es Ihnen gelingt, eine persönliche Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Den Gesprächspartner aktivieren
Ist die Basis für ein erfolgreiches Gespräch gelegt, gilt es dafür zu sorgen, dass der "Draht" nicht abreißt und das Gespräch nicht kippt. Prüfen Sie deshalb im Gespräch immer wieder, ob die Chemie noch stimmt. Weicht Ihr Gesprächspartner plötzlich Ihren Blicken aus, zeigt dies: Die Beziehung ist nicht mehr im Reinen. Ebenso ist es, wenn sich Ihr Gegenüber zunehmend in seinem Sessel verkriecht und immer spärlicher auf Ihre Worte und Gesten reagiert.
Dann ist es Ihre Aufgabe, ihn wieder ins Boot zu holen. Am einfachsten gelingt Ihnen dies mit Rück-fragen. Zum Beispiel, indem Sie fragen: "Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sind Ihnen fol-gende Punkte wichtig: Erstens ... zweitens .... drittens .... Welche weiteren Punkte gibt es?" Dadurch bewegen Sie Ihren Partner, wieder aktiv zu werden.
(Re-)Aktivieren können Sie Ihren Gesprächpartner auch, indem Sie zum Beispiel sagen: "Herr Huber, wir sind beide Profis. Wir wissen beide, dass Sie möglichst preisgünstig einkaufen müssen und ich dafür sorgen muss, dass auch in der Kasse unseres Unternehmens etwas hängen bleibt. Was können wir tun, damit wir zu einem Deal kommen, der uns beide zufrieden stellt?"
Ein solches Vorgehen hat mehrere Vorzüge: Sie schmeicheln dem Verkäufer, indem Sie sagen, er sei ein Profi - zugleich stellen Sie jedoch Ihr eigenes Licht nicht unter den Scheffel. Sie signalisieren Ih-rem Partner außerdem, dass Sie Verständnis dafür haben, dass er hart verhandelt. Und zugleich for-dern Sie ihn auf, Ihnen konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie sie gemeinsam die Kuh vom Eis bekommen.
Persönlichkeit zeigen
Manche Verkäufer mögen einwerfen: So selbstbewusst kann ich als Verkäufer nicht agieren. Doch genau das müssen Sie! Denn nur so können Sie Ihren Kunden signalisieren: Ich bin ein kompetenter Partner. Und: Von mir hörst Du nicht das übliche Verkäufer-Blabla, denn ich will ernsthaft mit dir Geschäfte machen. Deshalb interessiere ich mich für dich und deine Arbeitssituation. Das heißt: Wer als Verkäufer spitze sein möchte, muss Persönlichkeit zeigen. Je authentischer Sie sind, umso mehr Ver-trauen bringen Menschen Ihnen entgegen und umso mehr öffnen sie sich.
Zum Authentisch-sein gehört, dass Sie im Gespräch Ihr Revier markieren - selbstverständlich ohne arrogant zu wirken. Hierfür ein Beispiel. Ein Einkäufer sagt zu Ihnen: "Wir schauen uns erst einmal die Angebote von zehn Dienstleistern an und dann entscheiden wir uns für einen Partner." Das Signal, das er hiermit an Sie senden möchte, lautet: "Ich entscheide hier, wie der Hase läuft. Ich bestimme die Spielregeln".
Auf eine solche Aussage können Sie ganz entspannt erwidern: "Das finde ich gut. So machen wir das mit unseren Dienstleistern auch." Und schon befinden Sie sich mit Ihrem Gesprächspartner wieder auf einer Ebene. Doch nicht nur dies. Eine solche Antwort eröffnet Ihnen zudem die Chance, anschließend unmittelbar zu fragen: "Und nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wenn die Angebote vorliegen?" Und schon erzählt Ihr Gesprächspartner, was ihm bei seiner Kaufentscheidung wichtig ist. Also können Sie Ihr Angebot zu 100 Prozent auf seinen Bedarf zuschneiden.
Ingo Vogel, Esslingen/Berlin, ist Verkaufstrainer und gilt als der Experte für emotionales Verkaufen (Internet: www.ingovogel.de). Im September erschien im GABAL-Verlag sein neuestes Buch "Verkaufs einfach emotional: So begeistern Sie Ihre Kunden".