Nach der Zusammenschluss von Also und Actebis sah es so aus, als könnte der fusionierte Soest-Straubinger Konzern Ingram Micro die Nummer-eins-Position im deutschen Distributionsmarkt streitig machen. Es war jedoch klar, dass Gerhard Schulz, Senior Vice President Central and Eastern Europe & Executive Managing Director der Ingram Micro Holding, die marktführende Stellung nicht kampflos aufgeben würde. So sieht sich der Ingram-Deutschland-Chef auch ein Jahr nach der Fusion der Konkurrenten in einer komfortablen Situation: "Wie die aktuellen GfK-Marktdaten zeigen, liegen wir in Deutschland relativ unangefochten vorne, und zwar egal, von welcher Seite man sich das anschaut. Weder aus Sicht der Marktanteile noch von der Kundendurchdringung her gibt es da jemanden, der derzeit im Ansatz an uns herankommt", meint er selbstbewusst. Dies gelte es weiter auszubauen.
Schulz setzt dabei auf das Prinzip, bestehende Ressourcen optimal zu nutzen: "Unsere Stärke liegt darin, dass wir auf unser erfolgreiches Broadline-Business zurückgreifen können. Wenn unser Kerngeschäft 90 Prozent ausmacht und wir nur zehn Prozent brauchen, um neue Bereiche und Zielgruppen zu erschließen, dann sind wir massiv im Vorteil", erklärt der Manager.
Broadline-Geschäft weiterentwickeln
So hat Ingram beispielsweise schon das Digital-Signage-Geschäft aus dem ursprünglichen, Broadline-orientierten Monitor-Business aufgebaut. Weitere Felder sieht Schulz in den Segmenten Mobility, DC/PoS, Physical Security und Unified Communications. Bei Letzterem arbeitet der Distributor derzeit an einem Demo-Center. Für den Ausbau des Bereichs wurden zudem 13 neue Leute eingestellt. Zudem werden die vertikalen Branchen Education, Health Care und Home Automation adressiert.
Bei der Neukundengewinnung sieht Schulz eine gewisse Sättigung im IT-Fachhandel. Potenzial gebe es aber in angrenzenden Branchen wie im Elektro- und AV-Fachhandel. Hier hat der Ingram-Chef die Top-100-Händler im Visier. Auch im CE-Bereich registriert Schulz neue Chancen durch die Konvergenz der Systeme. "IT dringt in alle Lebensbereiche vor. Nahezu jedes Gerät hat dann eine IP-Adresse und einen Internetzugang", glaubt Schulz. Dabei ist es ihm auch wichtig, sich bei den Formfaktoren breit aufzustellen. "Wenn ich überall präsent bin, ist es mir relativ egal, ob die eine Produktgruppe die andere kannibalisiert", sagt er.
Übernahmen nicht im Fokus
Zurückhaltend beim Unternehmensausbau ist Ingram im Bereich Akquisitionen. So war zwar die Übernahme und Integration des Data-Capture- und Point-of-Sales-Spezialisten Intertrade eine Erfolgsgeschichte, doch das lässt sich nicht ohne Weiteres auf andere Segmente übertragen. Damit eine Übernahme Sinn ergibt, ist für Schulz eine "hochgradige Divergenz" notwendig. Um neue Kunden zu gewinnen oder neue Hersteller zu erschließen, kann das nur funktionieren, wenn sich die Kundenbasis oder das Herstellerportfolio kaum überschneidet. Zudem spielt für den Ingram-Manager auch die Standortfrage eine Rolle. Weitere Niederlassungen kosten Geld. Eine Integration in Dornach ergibt meist auch keinen Sinn, wenn die Spezialisten ganz woanders sitzen. Wenn diese dann lieber das Unternehmen verlassen, als umzuziehen, ist das teuer gekaufte Know-how schnell verloren. So sind für Schulz weiter Übernahmen zwar nicht ausgeschlossen, stehen aber nicht im Fokus der derzeitigen Unternehmenspolitik. (awe)
Lesen Sie auf der folgenden Seite ein Interview mit Ingram-Micro-Chef Gerhard Schulz.
Meinung des Redakteurs
Ingram will Kunden jenseits des klassischen IT-Fachhandels gewinnen. Die Idee ist in Dornach nicht neu. Man denke an das Ingram-Engagement auf der IFA oder bei der Paperworld vor einigen Jahren. Doch der Run der CE-Reseller oder der Büro-, Papier- und Schreibwarenhändler blieb aus. Neue Händlerschichten zu erschließen heißt auch, sie von gewohnten und etablierten Einkaufsquellen abzuwerben. Mit dem einen oder anderen Messeauftritt und mit günstigen Preisen alleine wird das nicht funktionieren. Hier wird der Broadliner viel Marketing-Kraft investieren müssen, um eine feste Größe in angrenzenden Branchen zu werden. Armin Weiler, Chefreporter ChannelPartner
"Man bekommt nicht bessere Einkaufspreise, nur weil man größer ist"
Ingram-Micro-Deutschland-Chef Gerhard Schulz erläutert im ChannelPartner-Interview, warum in der Broadline-Distribution mit geringen Margen gearbeitet werden muss.
Die Gewinnspannen in der Distribution sind nicht besonders groß, nun wurde von einem Ihrer Marktbegleiter das Ziel einer Rendite von drei bis vier Prozent ins Spiel gebracht. Halten Sie das für realistisch?
Gerhard Schulz: Drei bis vier Prozent sind durchaus realistisch, allerdings nur in Bereichen der Spezialdistribution. Wenn man davon ausgeht, dass das Broadline-Geschäft mittelfristig immer noch bis zu 75 Prozent des Umsatzes ausmacht, sind insgesamt nur 1,5 bis 2 Prozent realistisch. Sonst müsste man das ganze Geschäft in ein Serviceunternehmen umbauen oder sich auf die Nische reduzieren. Doch dann gibt es ein Problem mit den Fixkosten.
Gibt es beim Thema Fixkosten noch eine Branche, von der man als ITK-Distributor lernen kann?
Schulz: Ein Beispiel ist die Pharmadistribution. Da kann man sich sicher etwas abschauen, was Kostenstrukturen, Reaktionsgeschwindigkeiten oder den Automatisierungsgrad anbelangt. Ansonsten ist die IT-Distribution im Vergleich zu anderen Branchen schon weit vorne. Mit nur etwa einem Prozent an Umsatzrendite und vier bis fünf Prozent an der Wertschöpfungskette werden die Feinverteilung, Absatzfinanzierung, die Auswahl des Portfolios und noch viel mehr übernommen. Da sind wir schon ganz gut aufgestellt.
Wie schätzen Sie die Konkurrenzsituation durch die Distribution aus der zweiten Reihe ein?
Schulz: Die Situation ist stabil, da kommt mal einer, da geht auch wieder mal einer. Von den Logistikleistungen sind diese Distributoren mit den großen Drei vergleichbar. Jeder liefert innerhalb von 24 Stunden, die reine Abwicklungs-Performance ist heute Standard. Dadurch kann man sich nicht großartig differenzieren. Heute bekommt man auch nicht unbedingt bessere Einkaufspreise, nur weil man größer ist. Die Verschiebungen passieren hautsächlich innerhalb der Segmente. Auf der einen Seite sind die großen Distributoren mit etwa 1,5 Milliarden und mehr Umsatz, auf der anderen Seite unter 400 Millionen, dazwischen gibt es nichts. Ich erwarte nicht, dass sich an dieser Struktur elementar etwas ändert. (cm/awe)