Der Wert eines IT-Unternehmens ist stark von der Sichtweise der Bewerter abhängig. Der Unternehmens-gründer zum Beispiel betrachtet sein Lebenswerk und bewertet dabei die Gesamtleistung. Ein potenzieller Käufer bewertet dagegen oft nur die Betriebsergebnisse, die der Unternehmer zuletzt erzielen konnte. Getätigte Investitionen, die das Ergebnis belastet haben, werden von ihm meist nicht honoriert. Diese unterschiedlichen Sichtweisen führen zunächst nicht zu einer Einigung über einen Kaufpreis.
Doch wie kommt man zu einer Einigung?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, wie die unterschiedlichen Protagonisten die Unternehmensbewertung angehen. Dabei spielen Ausbildung, Branchenerfahrung und Typus des Auftraggebers eine entscheidende Rolle.
Sichtweise von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Rechtsanwälten
Diese Berufsgruppe nutzt oft die bekannten finanzmathematischen Verfahren (Ertragswertverfahren oder DCF-Verfahren), auch in Kombination mit dem sogenannten Multiples-Verfahren (Multiplikatormethode). Diese Verfahren berücksichtigen die inneren Werte eines IT-Unternehmens nicht, da sie ausschließlich auf die Betriebsergebnisse in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abstellen.
Durch die niedrigen Zinssätze kommen diese Verfahren zur Zeit auf viel zu hohe Unternehmenswerte. Deshalb werden dann oft die Multiples vergleichbarer Transaktionen benutzt, um zu einer realistischeren Bewertung zu gelangen. Doch die Vergleichbarkeit "hinkt", da sich diese Multiples aus ganz unterschiedlichen Transaktionen berechnen und in den Vergleich einbezogenen Unternehmen nicht alle dem IT-Mittelstand angehören.
Sichtweise von Kaufleuten und Investoren
Kaufmännische Leiter, Vorstände, Investoren und Beteiligungsgesellschaften bewerten das Kaufobjekt oft im Hinblick auf einen zu erwarteten ROI (Return on Investment), auch in Kombination mit sogenannten Multiples-Verfahren. Die Sichtweise dieser "Gruppe" ist sehr vorgabenorientiert. Das heißt, soweit ein vorgegebener ROI nicht in einem festgelegten Zeitraum eintritt, wird der Kaufpreis als zu hoch angesehen.
Die Leistungsfähigkeit und das Potenzial des Unternehmens werden dabei weniger betrachtet. Investoren beurteilen das Unternehmen nach dem cash flow, der bei Branchensoftwarehäusern meist im Januar und den Folgemonaten durch die Wartungserlöse sehr hoch ausfällt. Bewertungskriterium ist das eingesetzte Kapital und ein festgelegter Verkaufspreis nach x- Jahren.
IT-Unternehmer, die von strategischen Käufern, Investoren oder Beteiligungsgesellschaften angesprochen werden, haben oft gar nicht vor, ihr Unternehmen zu veräußern. Insofern werden sie auf dem "linken Fuß" erwischt. Alleine die Tatsache, dass sie angesprochen werden, vermittelt ihnen das Gefühl, besonders wertvoll zu sein. Für die Käuferseite ist es dann schwierig, einen für sie akzeptablen Preis auszuhandeln.
Eine realistische Sichtweise erhält die Verkäuferseite erst dann, wenn sie andere Angebote erhalten hat und dadurch merkt, dass ihre Vorstellungen gegebenfalls nicht marktgerecht sind. Da Verkaufsverhandlungen für beide Seiten auch finanziellen Aufwand in Form von Zeitaufwand, Beraterhonorare, etc. bedeuten, ist es sinnvoll, sich vor den Verhandlungen über die Bewertungsmethodiken der Käuferseite zu informieren. Das kann den einen oder anderen "Verhandlungsmarathon" ersparen.
Sichtweise unabhängiger Gutachter und Sachverständiger
Unabhängige Gutachter und Sachverständige nutzen je nach ihrem Erfahrungshintergrund sehr unterschiedliche Verfahren. Dazu gehören auch exotische Bewertungen wie das Cocomo-Verfahren, das sich auf den Erstellungsaufwand von Software bezieht. Bewertungsverfahren wie das Cocomo-Verfahren, das nicht die Leistungsfähigkeit des Unternehmens verbunden mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen berücksichtigt, finden in der Regel bei Käufern keine Akzeptanz, weil der Entwicklungsaufwand nicht in direkter Beziehung zum möglichen Vertriebserfolg steht, beziehungsweise nicht nachweisbar ist.
Sichtweise der Verkäufer
Verkäufer beziehen sich meist auf das Multiples-Verfahren und den Aufwand, der in die Softwareentwicklung von IT-Lösungen geflossen ist. Da Multiples einen Bereich (Spread) angibt, zum Beispiel für Software das 7,6- bis 10-fache Ebit, sind Verkäufer immer geneigt, den oberen Wert als Basis zu nehmen. IT-Unternehmer haben auf den eigenen Unternehmenswert eine meist eingeschränkte Sicht, da das Wertgefühl vom "Lebenswerk", das sie geschaffen haben, subjektiv beeinflusst ist.
Hier bietet es sich an, ca. 5 bis 7 Jahre vor einem Verkauf, eine Bewertung von einem Branchen affinen Berater erstellen zu lassen, um noch notwendige und den Wert steigernde Veränderungen umsetzen zu können. Verkäufer sollten sich darüber bewusst sein, dass Käufer noch andere Faktoren, wie die Unternehmensgröße (kleine Unternehmen werden niedriger bewertet), den Anteil der dauerhaften Einnahmen, Wartungserlöse und die Unternehmenspositionierung insgesamt, in die Unternehmensbewertung einbeziehen.
Lesetipp: Was eine IT-Firma wert ist
Wege zur Kaufpreiseinigung
Angesichts dieser differenten Vielzahl von Sichtweisen ist es sehr verständlich, weshalb die Preisfindung von IT-Unternehmen so umstritten und auch der "Deal-Killer" Nr. 1 ist. Wie gelingt es trotz dieser offensichtlich unterschiedlichen Ansätze einen Kompromiss beziehungsweise eine Annäherung in der Unternehmensbewertung zu erreichen?
Wie in einer Mediation ist es wichtig, dass beide Parteien sich ihre Bewertung gegenseitig vorstellen und verargumentieren. Diese Vorgehensweise ermöglicht es am besten, die Sichtweisen kennenzulernen und Verständnis zu wecken, aber auch versteckte "Mehrwerte oder Minderwerte" aufzudecken und in der gemeinsamen Bewertung zu berücksichtigen.
Umso weniger Branchen-Know-how die "Bewerter" haben, umso größer wird der Unterschied zwischen den Bewertungen ausfallen. Auch, wenn die Käuferseite selbst aus der IT-Branche kommt, wird die Meinung der möglicherweise nicht-IT-affinen Bewerter stark ins Gewicht fallen.
Preisdifferenzen zwischen den Parteien sind über einen sogenannten "earn-out" möglich. Käufer möchten ihr Investment und den von den Verkäufern dargestellten ambitionierten Businessplan, der Bestandteil der Unternehmensbewertung ist, über einen "earn-out" absichern. Die Verkäuferseite befürchtet bei einem "earn-out" meist durch fehlende Beeinflussbarkeit, dass die Erwirtschaftung nicht realistisch möglich ist. Wenn diese "Befürchtungen" durch die Käuferseite ernst genommen werden, besteht die Chance einer Einigung.
Unterschiedliche Sichtweisen auf den Unternehmenswert bezüglich der Höhe des eingesetzten Multiples, sind gegebenfalls über die Differenzierung der Umsatzqualitäten (Hardware, Wartungsverträge, Schulungen, Consulting, etc.) hinsichtlich ihrer Wertschöpfung möglich. Dabei werden zum Beispiel wiederkehrende Einnahmen wie Wartungserlöse hoch bewertet und Umsätze mit einmaligen Charakter niedrig bewertet.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bewertung von IT-Unternehmen einfacher wird, wenn auf beiden Seiten Verhandlungspartner agieren, die IT-Branchen-Know-how haben. Es ist schön, wenn man vom selben spricht…