Es ist Montagmorgen. Und wie stets zu Wochenbeginn studiert der Vertriebsleiter des Unternehmens Schaffviel die neuen Vertriebszahlen. Dabei verdichtet sich bei ihm das Gefühl: "Wir müssen etwas tun. Sonst brechen unsere Umsätze weg." Latent hatte der Vertriebsleiter dieses Gefühl schon lange. Deshalb sprach er hierüber schon informell mit einigen Kollegen.
Außerdem beauftragte er einen Marktforscher zu untersuchen, wie das Unternehmen und seine Produkte von den Kunden gesehen werden. Nun liegen auch diese Daten auf dem Tisch. Und auch sie zeigen nach Auffassung des Vertriebsleiters: Es muss etwas geschehen, sonst haben wir bald ein Problem. Also setzt er das Thema auf die Agenda für das nächste Meeting des Top-Teams.
So ähnlich verläuft der Prozess stets, wenn Unternehmen beschließen, Weichen neu zu stellen - zum Beispiel, einen Bereich neu zu strukturieren. Oder eine neue Produktlinie zu starten. Oder ein neues CRM-System einzuführen. Ein, zwei Entscheidungsträger haben zunächst das Gefühl "Wir sollten etwas tun, sonst ..." Zum Beispiel, weil sie gewisse Zahlen alarmierend finden.
Also beobachten sie eine Entwicklung genauer und sprechen hierüber schon mal inoffiziell mit Kollegen oder Beratern. Und bestätigen sich ihre Annahmen? Dann setzen sie das Thema offiziell auf die Agenda des Unternehmens verknüpft mit dem Appell: "Wir sollten etwas tun. Sonst ..."
Infos sammeln und Szenarien entwerfen
Oft ist das Vermitteln, dass ein Entscheidungs- und Handlungsbedarf besteht, sogar im oberen Führungskreis eines Unternehmens nicht leicht. Denn strategische Entscheidungen nehmen die Zukunft gedanklich vorweg. Sie beruhen also auch auf Annahmen - zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt. Oder was in fünf Jahren technisch möglich ist. Und diese Annahmen lassen sich nur begrenzt mit Zahlen, Daten, Fakten belegen.
Entsprechend reserviert sind oft die ersten Reaktionen auf entsprechende Vorstöße. "Warum sollten wir unsere Strategie ändern? Unsere Zahlen sind doch gut." Deshalb können strategische Entscheidungen oft nicht im Konsens getroffen werden. Vielmehr müssen irgendwann Personen, die das Sagen haben, das Heft in die Hand nehmen und verkünden: "Wir machen das - basta."
Ungeachtet dessen sollten strategische Entscheidungen im oberen Führungskreis jedoch soweit möglich im Konsens getroffen werden, damit sie auf einer soliden Basis stehen. Also gilt es im Vorfeld so viele Indizien wie möglich zu sammeln, dass ein Kurswechsel nötig ist. Denn wie soll die Notwendigkeit einer Veränderung den Mitarbeitern vermittelt werden, wenn diese nicht einmal alle Führungskräfte sehen?
Eine solide Entscheidungsbasis schaffen
Besteht Einigkeit darüber "Wir müssen etwas tun", ist noch lange nicht die Basis für eine solide Entscheidung gelegt. Denn oft sind die Zahlen, Daten und Fakten, aus denen sich gewisse Prognosen ableiten lassen, widersprüchlich. Also gilt es nicht nur zu ermitteln, welche Entwicklungen grundsätzlich möglich, sondern auch welche wahrscheinlich sind. Hierauf aufbauend kann dann ermittelt werden, welche Handlungsoptionen bestehen.
Sind die Optionen klar, können Zukunftsszenarien entworfen werden. Die Verantwortlichen können sich also fragen: Was geschieht, wenn wir auf die Entwicklung "…" wie folgt reagieren? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? Das Entwerfen solcher Szenarien fällt Unternehmen oft schwer - auch weil die beteiligten Personen dieselben Daten oft unterschiedlich bewerten.
Zudem entwickelt jede Organisation mit der Zeit gewisse Mechanismen, Informationen zu verarbeiten und zu bewerten. Deshalb bevorzugt sie gewisse Lösungswege, während sie andere entweder (vor)schnell verwirft oder gar nicht sieht. Deshalb engagieren Unternehmensführer, wenn strategische Entscheidungen anstehen, oft externe Berater als Impulsgeber und Moderatoren für den Entscheidungsprozess.
Die Umsetzung planen
Das Herbeiführen strategischer (Grundsatz-)Entscheidungen ist meist ein langwieriger Prozess. Deshalb atmen Topmanager, nachdem sie endlich getroffen wurden, oft erleichtert durch und lehnen sich entspannt zurück. Dabei beginnt nun erst die eigentliche Arbeit. Denn eine getroffene Entscheidung ist noch lange nicht kommuniziert und umgesetzt.
Das Treffen einer strategischen Entscheidung ist deshalb unlösbar mit der Aufgabe verbunden, eine Architektur zu schmieden, wie den (operativen) Führungskräften und den Mitarbeitern vermittelt wird,
warum die Entscheidung getroffen wurde,
welche Ziele das Unternehmen damit verfolgt und
welche Konsequenzen sich hieraus für die Organisation und die Mitarbeiter ergeben.
Außerdem gilt es, eine Architektur zu entwerfen, wie auf der Ebene des Gesamtunternehmens und der Bereiche aus der Grundsatzentscheidung die erforderlichen Folgeentscheidungen und hieraus wiederum Maßnahmepläne abgeleitet werden.
Besagte Architekturen zu entwerfen, ist in Großunternehmen meist nicht die Aufgabe des Top-Managements. Sie wird an ein Steuerungsteam delegiert, in dem die Unternehmensführung zwar vertreten ist, dessen Mitglieder aber weitgehend aus Vertretern der betroffenen Bereiche und professionellen Organisationsentwicklern bestehen. Das Delegieren dieser Aufgabe entlässt die oberen Führungskräfte aber nicht aus der Verantwortung für das Gelingen des Gesamtprozesses - auch deshalb nicht, weil das Verhalten der Mitarbeiter stark davon abhängt, wie stark sich die Führung für das Erreichen der Ziele engagiert. Deshalb muss die oberste Führung Präsenz zeigen.
Veränderungsenergie erzeugen
Beim Schmieden der Architektur für das Umsetzen strategischer Entscheidungen gilt es folgende Aspekte besonders zu beachten:
Wie sorgen wir dafür, dass in der Organisation die nötige Veränderungsenergie entsteht? Und:
Wie stellen wir sicher, dass die nötigen Folgeentscheidungen getroffen werden und diese in Einklang mit der Grundsatzentscheidung stehen?
Das zentrale Instrument zum Schaffen der erforderlichen Veränderungsenergie ist die persönliche Kommunikation. So gilt es unter anderem den Mitarbeitern im Dialog zu vermitteln, warum an den geplanten Veränderungen kein Weg vorbei führt. Außerdem muss mit den betroffenen Mitarbeitern erarbeitet werden, was die Grundsatzentscheidung für ihre Alltagsarbeit bedeutet und welche Verhaltensänderungen nötig sind, damit sie ihren Beitrag zum Erreichen des großen Ziels leisten. Das kann zum Beispiel in Vier-Augen-Gesprächen der Mitarbeiter mit ihren Vorgesetzten oder in Workshops geschehen.
Die nötigen Rahmenbedingungen schaffen
Parallel dazu müssen die organisationalen Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass die Mitarbeiter das gewünschte Verhalten zeigen können; des Weiteren, dass sie spüren: Wenn ich mein Verhalten nicht ändere, hat dies auch für mich persönliche Konsequenzen. So sollte zum Beispiel ein Unternehmen, das "Marktführer in Sachen Service" werden möchte, mit seinen Mitarbeitern nicht nur erarbeiten,
- worin sich ein guter Service aus Kundensicht zeigt und
- welchen Beitrag neben den Kundenbetreuern zum Beispiel auch die Controller dazu leisten können, dass das Unternehmen beim Service Spitze wird.
Das ist zwar wichtig. Zugleich muss das Unternehmen aber auch sicherstellen, dass die Mitarbeiter ausreichend Zeit haben, um den gewünschten Service zu erbringen. Und die Bezahlung der Vertriebsmitarbeiter? Sie sollte sich nicht mehr rein daran orientieren, wie viel Umsatz diese generieren.
Den Change-Prozess steuern
Generell gilt: Die Frage, ob die erforderlichen Folgeentscheidungen getroffen werden, darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Vielmehr ist eine institutionalisierte Steuerung nötig. Sie kann auf Bereichsebene durch das Steuerungsteam erfolgen. Und auf der Ebene der Mitarbeiter? Hier kann die Steuerung dadurch erfolgen, dass die Führungskräfte sich im Gespräch mit ihren Mitarbeitern regelmäßig danach erkundigen, was diese getan haben, um ihren Beitrag zum großen Ziel zu leisten. Wichtig ist auch ein Informationssystem, das außer der Unternehmensführung auch den Mitarbeitern eine regelmäßige Rückmeldung darüber gibt, was sich im Gesamtunternehmen und in den Bereichen verändert hat.
Dies ist gerade bei Projekten, die auch einen Kulturwandel erfordern, sehr wichtig, denn die Kultur eines Unternehmens verändert sich nur in kleinen Schritten. Deshalb entsteht bei den Beteiligten zuweilen der Eindruck "Nun bemühen wir uns schon so lange, aber trotzdem verändert sich nichts". Die Folge: Frustration macht sich breit. Deshalb sollte die Führungsmannschaft den Mitarbeitern auch regelmäßig vermitteln: "Wir haben schon viel bewegt und befinden uns auf dem richtigen Weg". Das motiviert sie, in ihrem Bemühen nicht nachzulassen.
Kontakt und Infos: Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D), für die weltweit insgesamt 450 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten (Tel. 0049/4262-93120; Internet: www.mticonsultancy.com; E-Mail: info@mwteam.de).