Was können deutsche IT-Unternehmen bei der Personalsuche von amerikanischen lernen?
Frank Rechsteiner: Als ich während meines USA-Aufenthaltes verstärkt für die dortigen IT-Firmen tätig wurde, um sie im "War for Talents" zu unterstützen, konnte ich die Unterschiede hautnah erleben. Dabei hat sich mein Eindruck verfestigt, dass der in Deutschland vielerorts beklagte IT-Fachkräftemangel seine wesentlichen Ursachen in der Unflexibilität der Unternehmen und ihrer HR-Abteilungen hat.
Können Sie das präzisieren?
Frank Rechsteiner: Ein prägnantes Beispiel dafür ist das Alter der Bewerberinnen und Bewerber. Während Kandidaten zwischen 50 und 60 Jahren bei uns kaum mehr eine Chance auf Einstellung haben, werden sie in den USA ganz besonders geschätzt. "Die jungen Mitarbeiter sind zwar schnell, die älteren jedoch kennen die Abkürzungen", lautete der Kommentar eines amerikanischen Senior Managers, der sich aus meinem Kandidatenpool gezielt für einen 53-jährigen SAP CRM-Experten aus Argentinien entschied. Denn dieser Manager achtet prinzipiell darauf, dass in seinem Beraterteam auf drei jüngere Kollegen mindestens ein älterer Mitarbeiter kommt, der langjährige Berufserfahrungen aufweisen kann.
Wo machen Sie noch deutliche Unterschiede aus?
Frank Rechsteiner: Während viele IT-Unternehmen in Deutschland nur Bewerber einstellen, die exakt auf die vorhandenen Planstellen passen, lassen sich die Firmen in den USA davon nicht beschränken, sondern greifen bei Top-Kandidaten auch ohne entsprechende Planstelle sofort zu. Mir selbst ist das bei der Vermittlung eines HANA-Spezialisten an ein SAP-Systemhaus an der Westküste so ergangen. Obwohl die HR-Abteilung keine geeignete Planstelle hatte, wurde dieser Spezialist aufgrund seiner herausragenden Qualifikationen innerhalb weniger Tage zum Vorstellungsgespräch eingeladen und kurze Zeit später eingestellt.
Zu dieser Erfahrung passt, dass die meisten Unternehmen in den USA den Mitarbeitern auch genügend Freiraum lassen, um ihre Kreativität zu entfalten - oft im Gegensatz zu deutschen Firmen, die zwar kreative Köpfe fordern, diese aber mit starren Organisationsstrukturen und Hierarchien immer wieder limitieren. Mit weitreichenden Folgen: So müssen sich viele talentierte IT-Experten bei uns selbstständig machen, um ihr schöpferisches Potenzial ausleben zu können.
Sollte auch die Risikobereitschaft in deutschen IT-Firmen größer sein?
Frank Rechsteiner: Unbedingt! Ein Beispiel dafür lernte ich bei der Rekrutierung von Beraterteams für IT-Unternehmen kennen. So möchten viele unserer Manager gerne komplette Arbeitsgruppen übernehmen, die ihre angestammten Kunden mitbringen und damit für neues Geschäftspotenzial und zugleich für ihre eigene Auslastung sorgen sollen. Diese Manager wollen mit den neuen Teams alles "mitgeliefert" bekommen. In den USA ist man in diesem Punkt weitaus risikobereiter und weiß, dass es zu den ureigensten Aufgaben von Firmen zählt, selbst für genügend Aufträge zu sorgen!
Als ich bei einer anderen Gelegenheit einem IT-Dienstleister in Deutschland ein hochqualifiziertes Team samt erfahrenem Manager präsentierte, erhielt ich - vollkommen unerwartet - eine Absage. Grund dafür war, dass das Unternehmen am Standort der Arbeitsgruppe aus Kostengründen keine neue Niederlassung eröffnen wollte. Ganz anders in den USA: Hier mietete einer meiner Kunden für ein vielversprechendes, frisch rekrutiertes Team kurzerhand geeignete Büro-Räume an - und die Arbeit konnte beginnen!
Wie sieht es im Länder-Vergleich mit der Dauer der Recruiting-Prozesse aus?
Frank Rechsteiner: Auch dabei ist ein deutliches Defizit in deutschen IT-Unternehmen festzustellen. So habe ich die Erfahrung gemacht, dass die vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerber bei uns mehr als zwei Wochen auf das erste Telefoninterview und dann nochmals zwei Wochen auf ein persönliches Gespräch mit den Managern warten müssen. Es vergeht also zunächst einmal ein ganzer Monat mit reinem Warten. Dies hat seinen Grund darin, dass viele Manager hierzulande total überlastet sind und daher Probleme mit der Prioritätenvergabe haben - Kundentermine gehen eben immer vor.
Freitag ist Recruiting Day
In den USA hingegen werden viele Manager von ihrer Geschäftsführung dazu verpflichtet, über einen neuen Kandidaten innerhalb von 36 Stunden eine erste Stellungnahme gegenüber der HR-Abteilung abzugeben. Darüber hinaus müssen sich viele Manager jeden Freitag als so genannten Recruiting Day freihalten, an diesem Tag im Büro anwesend sein und bestimmte Zeitfenster für Kandidatengespräche reservieren.
Dies hat den Vorteil, dass in Amerika kaum ein Kandidat aus Zeitgründen abspringt, während dies in Deutschland doch öfter vorkommt. Hier mahlen die Recruiting-Mühlen oft so langsam, dass mancher Bewerber vor dem Abschluss des Auswahlverfahrens bereits wieder vom Markt ist.
Was sollten die IT-Unternehmen und ihre HR-Abteilungen in Deutschland tun, um interessante Bewerber zu finden und an sich zu binden?
Frank Rechsteiner: Sie sollten risikobereiter sein, sich nicht von eigenen bürokratischen Vorgaben beschränken lassen und den Mitarbeitern mehr kreative Freiräume bieten. Längst ist es nicht mehr damit getan, in Bewerbungsgesprächen mit tollen Projekten und einem guten Betriebsklima zu werben, wie es hierzulande leider noch viel zu häufig geschieht.
Stattdessen sollte sich jedes Unternehmen auf die Entwicklung einer fundierten HR-Strategie konzentrieren, um den steigenden Anforderungen an die Personalgewinnung gerade im IT- und SAP-Umfeld gerecht zu werden. Diese HR-Strategie muss exakt auf die Strategie und Ziele des Unternehmens abgestimmt sein und den Bewerbern klare Perspektiven für ihre berufliche Weiterentwicklung bieten. www.fuehrungskraefte-personalvermittlung.de