Virtual Reality statt Präsenz

So planen Sie VR-Events

16.09.2020 von Kolja Pitz
Virtual-Reality-Szenarien werden im Zuge von Social Distancing und Reisebeschränkungen für viele Unternehmen attraktiv. Lesen Sie, was Sie bei der Verlagerung von Konferenzen, Meetings oder Events in die virtuelle Realität beachten sollten.
Business Meetings go Virtual Reality? Die virtuelle Welt kann in Zeiten von Social Distancing eine alternative Bühne für Präsenz-Events zur Verfügung stellen. Das sollten Sie dabei beachten.
Foto: vectorfusionart - shutterstock.com

Bei all den Veränderungen, die COVID-19 nach sich zieht, sind die Auswirkungen auf unser Miteinander im physischen Raum wohl mit am prägnantesten. Sowohl im privaten als auch im Business-Kontext entwickelten sich Face-to-Face-Treffen zu einem sensiblen Thema und bilden nach wie vor eher die Ausnahme. Videokonferenzen schaffen Abhilfe, können aber gerade bei größeren Events, Workshops oder Kundengesprächen nicht mit einem persönlichen Austausch mithalten.

Virtual-Reality-Paradigmenwechsel

Damit schlägt die Stunde für Virtual-Reality-Events, denn dank der jüngsten Entwicklungen im Bereich der VR-Technologie ergeben sich gerade für Unternehmen neue Chancen und Tools für multisensorisch erfahrbare, immersive Umgebungen, die die Begegnung im Raum gefahrlos ermöglichen. Der Nutzen für Unternehmen liegt dabei nicht nur darin, dass das Toolset der VR-Lösungen um wichtige Werkzeuge erweitert wurde, die die Effektivität von Meetings steigern oder ganze Events virtualisieren. Tatsächlich erleben wir basierend auf der technologischen Entwicklung der letzten Jahre einen Paradigmenwechsel. Dieser schafft völlig neue Möglichkeiten, Menschen zu erreichen - und eröffnet damit den Zielen und der Innovationskraft von Unternehmen buchstäblich neue Räume.

Auch im Business-Bereich schafft VR völlig neue Interaktionsmöglichkeiten.
Foto: MeetinVR

Bislang waren virtuelle Räume selbst in moderater Qualität nur mit hoch performanter Hardware, Fachwissen und entsprechend hohem finanziellem Aufwand umsetzbar. Doch die neueste Generation von Standalone-VR-Headsets mit 6DOF ("six degrees of freedom") ist kostengünstig, unkompliziert und daher ein echter Game Changer: Die Nutzer benötigen weder Workstations, im Raum platzierte Sensoren oder besonderes technologisches Knowhow. Doch damit nicht genug: 5G, WiFi-6 und hochperformantes Cloud Computing treiben diese Entwicklung weiter voran, weil künftig die Rechenleistung für die Bildgenerierung vollständig vom Endgerät in die Cloud wandert. Kurz: Virtual Reality Headsets werden mobiler, leichter, performanter und immersiver.

Mit dem richtigen Paket aus Hardware, Headset und Software können sich Anwender (Mitarbeiter, Partner, Kunden) in einem virtuellen Raum treffen, egal, wo sie sich gerade real aufhalten. Ob VR Brand Lab, Kollaborationsumgebung, Konferenzraum oder zukünftiger E-Commerce Showroom - es gibt eine Menge sinnvoller und kostensparender Möglichkeiten für Unternehmen, sich die neuen Instrumente zu eigen zu machen.

Wie Unternehmen in VR planen

Für ein erfolgreiches Projekt sollten Unternehmen bei der Planung und Umsetzung von immersiven Räumen folgende Aspekte im Blick haben:

1. Funktion des Raums

Als Erstes gilt es Grundsätzliches zu klären: Was soll die immersive Umgebung eigentlich genau leisten? Die Antwort auf diese Frage hat weitreichende Implikationen für die gesamte Anwendung. Sollen dort lediglich Team Meetings stattfinden? Wie wichtig sind hochwertige Visualisierungen von 3D-Modellen? Wird der Raum nur intern oder auch extern genutzt? Geht es um Produktentwicklung, Vertriebsschulungen oder Trainings? Sollen möglichst viele Teilnehmer auf einmal oder nur wenige gleichzeitig zusammenkommen?

2. Zielgruppe und Zugang

Meist folgen aus der Funktion des Raums auch konkretere Annahmen über die Anwender. So können wir bei bestimmten Gruppen von einem hohen technischen Knowhow ausgehen, während sich bei anderen ein aufwändiges Setup zu einer Hürde entwickelt. Wichtig ist also: Verschaffen Sie sich schnell ein möglichst klares Bild von den potenziellen Nutzern. Ist der Zugang offen oder geschlossen? Geht es um ein firmeninternes Projekt oder werden auch Partner involviert? Wird die Hardware für alle Teilnehmer gestellt? B2B oder B2C?

Die möglichen Szenarien haben starken Einfluss auf das Technologie-Setup. Je mehr Anforderungen an die Performance bestehen, desto größer sind die Hürden für Hardware, Kosten oder Verfügbarkeit des Raums. Im B2B-Kontext oder für interne Zwecke ist es normalerweise deutlich einfacher, Hard- und Software zu stellen - Kosten für Endgeräte spielen hier nicht dieselbe Rolle wie im Consumer-Bereich.

Für viele Einsatzzwecke ist der Aspekt einer hybriden, beziehungsweise endgeräteagnostischen Nutzung wichtig: Können die User auch via Laptop, Desktop, Tablet oder Smartphone Räume anschauen oder über diesen Weg aktiv partizipieren?

3. SaaS-Plattformen vs. Custom Environments

Eine wichtige Frage ist außerdem, ob man auf eine fertige oder individuelle Lösung setzen soll. Gerade für Einsteiger sind fertige SaaS-Pakete wie Engage, Vive XR, MeetinVR, Rumii oder Spatial eine lohnende Überlegung. Die derzeit verfügbaren Angebote bieten qualitativ unterschiedliche Niveaus und sind jeweils meist auf bestimmte Einsatzzwecke spezialisiert. Wir empfehlen stets eine umfangreiche Markt-Sondierung. Wichtig bei der Wahl des richtigen Services und der bereitgestellten Tools sind die Möglichkeiten, das Szenario anzupassen, sowie die Bedeutung für Hardware/Ökosystem-Kompatibilität.

Eine Alternative zu SaaS-Lösungen sind Custom Environments. Diese sind kostenintensiver, liefern aber passgenaue Unikate. Hier bekommen Unternehmen keine Räume von der Stange, sondern können gemeinsam mit Designern das Thema der 3D Brand Experience oder Corporate Architecture auf ein völlig neues Level heben. Die entstehenden Custom Branded Rooms machen die Marke mit völlig neuen Mitteln für Kunden, Mitarbeiter und Partner im (virtuellen) Raum erlebbar.

4. Die richtigen Tools

Ein immersiver Raum ist ein guter erster Schritt. Wirklich sinnvoll wird sein Einsatz aber erst mit den richtigen Tools. Kollaborative Umgebungen verlangen geradezu nach Whiteboards und sollten einen unkomplizierten Einsatz von Powerpoint-Präsentationen oder Media-Assets ermöglichen. Auch die Anbindung von Daten, die dann als interaktive 3D-Diagramme visualisiert werden, kann einen echten Mehrwert bieten. Spezielle Custom Tools bieten natürlich Vorteile, haben aber das Potenzial, schnell sehr ressourcenintensiv werden zu können. Daher sollte man stets abwägen, was wirklich sinnvoll ist.

5. Die richtige Hardwareauswahl

Dieser Punkt ist immens wichtig: SaaS-Lösungen für virtuelle Räume unterstützen fast immer nur eine bestimmte Auswahl von Endgeräten. Einige Angebote laufen extrem gut auf der Oculus Rift, andere funktionieren nur innerhalb des HTC Vive-Kosmos - beide aber erfordern zwingend zusätzliche Workstations. Da längst nicht alle Lösungen auch auf günstigen Standalone-Headsets lauffähig sind, sollten die Implikationen der Hardware mit Blick auf Kosten und Zugang wohl durchdacht werden.

6. Sicherheit geht vor

Wie bei allen digitalen Anwendungen spielt Sicherheit auch in virtuellen Räumen eine Rolle. Es ist daher ratsam, genau zu prüfen, wie Services und Infrastruktur (z. B. Hosting) aufgesetzt sind - und was das für die Datensicherheit bedeutet. In Szenarien mit besonders sensibler Kommunikation sollten die Services direkt auf eigenen oder in speziell zertifizierten Umgebungen laufen.

7. Avatar-Funktionen definieren

Avatare als virtuelle Repräsentationen der eigenen Person bilden in virtuellen Räumen ein wichtiges Element. Aber was genau muss der Avatar mit Blick auf die Funktion des Raums leisten? Wie wichtig ist es etwa, feine mimische Bewegungen abbilden zu können? Die Ansprüche können hier bei Verhandlungssituationen andere sein als bei kollaborativen Kontexten, in denen die Interaktionserkennung im Vordergrund steht. Hand-/Face-/Eye- oder Body-Tracking sowie deren Abbildung befinden sich zum Teil noch in experimentellen Stadien und werden schnell massiv performance- und ressourcenfordernd.

8. Customer Journey und Prozessintegration

Je nach Anwendungsfall reicht ein virtueller Raum allein selten aus, er muss auch in einen entsprechenden Kontext gebracht und erreichbar gemacht werden - also optimal in Unternehmensprozesse sowie -strukturen integriert sein. Ein virtueller Meetingraum benötigt beispielsweise ein rudimentäres Buchungssystem mit Self-Service-Links, die zum Beispiel FAQs für Erstbenutzer liefern. Im Verkaufsumfeld (B2C) braucht dieser digitale Touchpoint eine entsprechende Integration in die Customer Journey. Handelt es sich um einen virtuellen Kollaborationsraum im Kontext von digitalen Events, sollte man den Fokus auf nutzerfreundliche Einbindung des Services in das Gesamtgeschehen legen - und dabei flankierende Funktionalitäten (etwa Live-Streams) nicht vergessen.

Fast immer ist es sinnvoll, weitere Services und Systeme (beispielsweise Cloud-Services, Backend- und Legacy-Systeme) anzudocken. Das hängt entscheidend davon ab, wozu der Raum genutzt werden soll. Für bestimmte Meeting-Szenarien kann es etwa Sinn ergeben, aufwendige interaktive 3D-Echtzeitdatenmodelle zu erzeugen. In anderen wird eine Anbindung von CRM oder E-Commerce-Systemen wichtig sein. Gerade für kollaborative Umgebungen sollte man daran denken, wie bestimmte Materialien (Media-Assets, URLs, Präsentationen) in das Environment geladen werden.

Und vor allem sollte man Eines nicht vergessen: Bei aller technischer Raffinesse und allen noch so detaillierten Überlegungen sind solche immersiven Räume vor allem für eines da: Damit Menschen Menschen treffen und miteinander interagieren können. (mb/fm)