Aktuell vergeht kein Tag, an dem nicht über die Auswirkungen des Vertriebs von Cloud-Lösungen diskutiert und philosophiert wird. Es ist vollkommen richtig, dass hier für Hersteller, Distributoren, Systemhäuser/Integratoren und Reseller in vielerlei Hinsicht ein Umdenken erfolgen muss und ein neues Zeitalter beginnt. Es erfordert radikale Änderungen in Sales & Marketing und auch die Expertise des Vertriebs muss um einige Themenbereiche erweitert werden, man denke nur an die vielen Diskussionen um das Thema Datenschutz.
Mit Software as a Service lassen sich in der Regel die höchsten Margen erzielen, gefolgt von Platform as a Service und Infrastructure as a Service. Einige Hersteller bieten ihren Partner auch Zusatzboni für den Vertrieb von Cloud-Lösungen, um das Geschäft mit diesen zu forcieren. Dies mag vordergründig helfen, um neue Kunden zu gewinnen, aber nachhaltig profitabel werden Anbieter nur, wenn sie es schaffen, eine möglichst hohe Kundenbindung zu erzielen.
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Ein Punkt wird in dieser Diskussion jedoch oftmals komplett vernachlässigt - die signifikant steigende Bedeutung der Themen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität. Gerade für viele Systemhäuser und Reseller ist dieses Thema ein unbeschriebenes Blatt Papier.
Während der Einsatz von Saas-Lösungen bei Kunden einerseits für eine spürbar höhere Kundenzufriedenheit sorgen kann und für Kunden ein wesentlich höheres Maß an Flexibilität mit sich bringt, so ist es andererseits auch so, dass sich die IT Branche auch darauf einstellen muss, dass Renewals nicht einfach so erfolgen.
IT-Anbieter müssen zukünftig also noch näher am Kunden sein, um die Renewal Quote so hoch wie möglich zu halten. Die Vertragslaufzeiten für Cloud-Services können sehr unterschiedlich sein, wobei sie bei unternehmenskritischen Lösungen wohl nie unter 12 Monaten liegt. Adobe hatte mit seiner "Creative Cloud" in 2015 eine durchschnittliche Vertragslaufzeit von 18 Monaten.
Es gibt also gute Gründe, dass sich die IT-Branche dem Thema Kundenzufriednheit und Kundenloyalität annimmt.
Das Wichtigste zuerst: Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Während die Kundenzufriedenheit immer eine vergangenheitsorientierte Bewertung darstellt, zielt die Kundenloyalität auf die zukünftige Wiederkaufsabsicht und die Bereitschaft zur Weiterempfehlung eines Kunden ab.
Während also die Kundenzufriedenheit vor allem dazu dient, dass die Anbieter Optimierungspotenziale an den unterschiedlichen Touchpoints identifizieren (Beratung, Vertrieb, Service u.ä.), stellt die Kundenloyalität auf die Zukunft ab. Im konkreten Fall der Cloud-Lösungen gibt die Loyalität also Auskunft darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kunde den Vertrag verlängern wird.
IT-Unternehmen tun also gut daran, beide Kennzahlen zu erheben, denn nur dann ist eine 360°-Sicht auf die Kunden gewährleistet.
Das Gute ist: beide - Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität - können gemessen werden. Daher sollten sich die Verantwortlichen auf der Anbieterseite Gedanken dazu machen, wie und wann die Messung dieser beiden Kennzahlen erfolgen sollte.
Da, wie oben erwähnt, die Loyalität der ausschlaggebende Faktor für zukünftiges Geschäft darstellt, möchte ich an dieser Stelle die gängigsten Methoden zur Erhebung der Kundenloyalität kurz vorstellen.
Methoden zur Messung der Kundenloyalität
Der erste Schritt, um loyale Kunden entwickeln zu können, ist das Messen, denn dadurch wird es erst möglich zu vergleichen, zu verbessern und Ziele zu setzen.
Zum Video: So machen Sie Ihre Cloud-Kunden glücklich
1. Net Promoter Score (NPS)
Eine der jüngsten und trotzdem weit verbreitesten und erfolgreichsten Methodiken ist der von Fred Reichheld entwickelte Net Promoter Score. Der Net Promoter Score ist eine Methodik, die konsequent auf die Weiterempfehlungsbereitschaft abstellt. Unternehmen wie Avaya, Autodesk, CA, Dell und viele andere setzen heute bereits auf den NPS.
Nach der strengen NPS-Lehre werden dem Kunden nur zwei Fragen gestellt.
Frage 1: Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie Unternehmen XY einem Geschäftspartner, Kollegen oder Bekannten weiter empfehlen? Der Kunde bewertet auf einer Skala von 0 bis 10. Daraus resultieren drei verschiedene Kundenkategorien:
Promotoren: Darunter fallen Kunden, die mit 9 oder 10 bewertet haben. Was früher die "Groupies" von Rock´n Roll Bands waren, sind heute die Promotoren von Firmen. Diese Kunden zeichnen sich durch eine hohe Wiederkaufsabsicht und Weiterempfehlungsbereitschaft aus.
Passiv Zufriedene: Die passiv Zufriedenen sehen keine fundamentalen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen, sind also durchaus zufrieden. Andererseits sind sie (noch) nicht bereit, Ihr Unternehmen weiter zu empfehlen. Ob diese Kunden auch zukünftig bei Ihnen kaufen, kann in punkto Kundenbindung nicht genau prognostiziert werden, vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie bei einem aggressiven Werben Ihres Mitbewerbs der Versuchung eines Anbieterwechsels erliegen. Diese Kunden bewerten Sie auf der Skala mit den Werten 7 und 8.
Kritiker: Kunden, die mit 6 oder niedriger bewerten werden als "Kritiker" bezeichnet. Diese werden Sie nicht weiter empfehlen, und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr bei Ihnen kaufen. Vielmehr stellen diese Kunden diejenigen dar, die sich im Kollegen- und Bekanntenkreis negativ über Ihr Unternehmen äußern.
Frage 2: Je nachdem, welchen Score der Kunde in Frage 1 abgegeben hat, unterscheidet sich die Folgefrage leicht.
Folgefrage Promotoren: Was sind Gründe für diese tolle Bewertung? Eine offene Frage, die dazu dient, die positiven Treiber für Ihr Unternehmen zu identifizieren.
Folgefrage Passive: Was muss Unternehmen XY zukünftig tun, damit Sie Unternehmen XY zukünftig uneingeschränkt weiter empfehlen können? Wieder eine offene Frage, die der Identifizierung von Optimierungspotenzialen dient.
Folgefrage Kritiker: Was muss Unternehmen XY ändern, damit Sie Unternehmen XY zukünftig weiter empfehlen würden? Sehr nah an der Folgefrage für die Passiven, es geht darum die maßgeblichen negativen Treiber zu identifizieren und dementsprechend Handlungsableitungen treffen zu können.
Der Score errechnet sich, indem Sie den Prozentsatz der Kritiker von dem Prozentsatz der Promotoren abziehen. Passive werden bei der Berechnung des Scores nicht berücksichtigt. Ist die Grundgesamtheit der Befragten also beispielsweise 1.000 Kunden und Sie haben 400 Promotoren, 350 Passive und 250 Kritiker, so ist der Net Promoter Score also +15.
Der NPS ist eine starke, mächtige Metrik und Methodik, der sich auf einem weltweiten Siegeszug befindet. Er ist einfach zu erheben, ohne an Belastbarkeit zu verlieren, denn er basiert auf der Weiterempfehlungsbereitschaft. Jeder Mensch wird nur dann weiterempfehlen, wenn er zu 100 Prozent hinter dem Unternehmen oder dem Produkt steht, denn es geht am Ende des Tages um die eigene Glaubwürdigkeit.
2. Wiederkaufsrate
Auch die Wiederkaufsrate ist eine sehr einfache Metrik, denn hier wird schlichtweg gemessen, wie viele Kunden wiederholt bei Ihnen gekauft haben und wie viele Kunden nur "Einmaltäter" waren/sind. Da der Kauf, die Investition in Ihr Produkt sicher den absoluten Kern einer Geschäftsbeziehung darstellt, ist dies sicherlich auch eine denkbare Vorgehensweise.
Hinzu kommt, dass es Branchen gibt, in denen der Wechsel eines Lieferanten mit derart hohem Aufwand verbunden ist, dass Kunden diesen Wechsel einfach scheuen. Wäre der Wechselaufwand geringer, würde dies allerdings hohen Einfluss auf die Wiederkaufrate haben - daher ist dies in meiner Wahrnehmung kein objektiver Wert für dieLoyalität. Ein klassisches Beispiel sind ERP- oder CRM-Systeme. Diese Systeme sind im Herzen der Unternehmen verankert. Der Aufwand eines dieser Systeme zu wechseln ist mit derart hohen Aufwänden verbunden, dass es viele Unternehmen scheuen einen Wechsel vorzunehmen, obwohl sie alles andere als zufrieden oder gar loyal sind. Sie würden diese Systeme nie mehr kaufen und keinesfalls weiterempfehlen, sind aber dadurch gezwungen neue Releases oder zusätzliche Module von dem bestehenden Anbieter zu kaufen.
3. Upsell-Rate
Diese Quote misst die Rate von Kunden, die mehr als ein Produkt oder mehr als eine Dienstleistung in Anspruch genommen haben. Dies mag auf den ersten Blick ähnlich wie die Wiederkaufrate klingen, ist es aber nicht, da es eben konkret auf den Bezug verschiedener Produkte oder Dienstleistungen abstellt. Der Kauf eines neuen Produktes, welches nichts mit der Investition in das erste Produkt zu tun hat, ist ein Beweis dafür, dass es sich um einen loyalen Kunden handelt.
Lassen Sie mich das gerne wieder an dem vorherigen Beispiel einer CRM-Software verdeutlichen. Viele CRM-Anbieter offerieren zwischenzeitlich auch Lösungen für angrenzende Bereiche wie E-Mail Marketing, Marketing-Automation und ähnliches. Ist der Kunde mit der CRM-Lösung wirklich zufrieden, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass er auch die E-Mail Marketing Lösung oder die Marketing-Automations-Technologie des Anbieters nutzt. Das ist ein konkreter Upsell. Ist er dagegen unzufrieden und nutzt das System nur auf Grund der hoher Wechselaufwendungen, so wird er sich mit genauso hoher Wahrscheinlichkeit für die Technologie eines anderen Anbieters entscheiden. Die Integrationsaufwendungen verschiedener Technologien sind heute oft überschaubar und stellen daher keinen Hinderungsgrund dar, für diese Teilbereiche auf einen anderen Hersteller zu setzen.
Rechnerisch ist die Upsell-Rate sehr einfach zu ermitteln: Sie dividieren die Anzahl der Kunden, die mehrere Produkte nutzen durch die Anzahl der Gesamtkunden. Angenommen Sie haben einen Kundenbestand von 200 Kunden und 50 Kunden nutzen mehrere Produkte/Service, 150 nutzen nur ein/en Produkt/Service, so liegt die Quote bei 25 Prozent.
Aus meiner Sicht eine äußerst pragmatische Methode, die allerdings keinerlei Rückschlüsse auf positive und negative Treiber zulässt.
4. Customer Loyalty Index (CLI)
Der CLI ist ein weiterer Ansatz, der die Kundenloyalität misst und NPS, Wiederkaufsrate und Upsell-Rate sozusagen in einem vereint. Beim CLI wird eine Sechser-Skala verwendet, wobei die 1 für "Definitiv/Absolut/Sehr hoch" und die 6 für "Keinesfalls" steht.
Folgender Aufbau liegt dem CLI zu Grunde:
Mit welcher Wahrscheinlichkeit würden Sie Unternehmen XY einem Geschäftspartner, Kollegen oder Bekannten weiter empfehlen?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit werden Sie auch zukünftig Produkte/Dienstleistungen von Unternehmen XY beziehen?
Wie hoch ist Ihre Bereitschaft auch andere, bis dato noch nicht bezogene Produkte/Dienstleistungen von Unternehmen XY in Anspruch zu nehmen?
Auf der Sechserskala werden die einzelnen Bewertungen mit festen Werten versehen:
1 = 100 Punkte
2 = 80 Punkte
3= 60 Punkte
4 = 40 Punkte
5 = 20 Punkte
6 = 0 Punkte
Der CLI-Score ist der Durchschnittswert aus den drei Antworten. Sollte der Score aus Frage 1 also 50 sein, der Score aus Frage 2, 70 und der Score aus Frage 3, 80, so beträgt der CLI gerundet 67. Ein durchaus gelungener Ansatz, lediglich die Abwandlung der ursprünglichen 11er-NPS-Skala auf eine 6er-Skala trübt den Eindruck, da hierdurch kein wirklicher NPS erhoben wird und die klassische Kundenkategorisierung á la NPS nicht greift und möglich ist.
5. Customer Engagement Raten
"Customer Engagement Rates" entspringen den Federn von Curtis N. Bingham, dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden des CCO Council, Seattle. Das CCO Council ist die erste Organisation, die sich speziell den Themen der CCO´s (Chief Customer Officers) annimmt.
Curtins Binham stellt darauf ab, dass das Customer Engagement der beste Indikator für Kundenloyalität ist. Bingham argumentiert, dass das Customer Engagement im Vergleich zum NPS und CLI einfacher zu messen und besser beeinflussbar ist. Darüber hinaus stellt Bingham auf eine höhere Korrelation zu Umsatz und Ertrag ab, als es die anderen Metriken zeigen. Dieser Ansatz unterstellt, dass Kundenloyalität das Resultat von positiven Interaktionen und Erfahrungen eines Kunden mit einer Marke/Unternehmen ist.
Dieser stark emotional getriebene Ansatz stützt sich also auf die These, dass eine hohe emotionale Bindung Kunden
vor Abwerbeversuchen anderer Anbieter schützt,
die Basis für Wiederholungskäufe darstellt,
die Preissensibilität reduziert und
zu Weiterempfehlungen führt.
Das klingt zunächst einmal gut und nachvollziehbar. Die Herausforderung bei diesem Ansatz besteht eher darin, dass es natürlich keine allgemein gültigen Metriken für das Customer Engagement gibt, diese muss jedes Unternehmen - mehr oder weniger - für sich selbst entwickeln. Für online-basierte Geschäftsmodelle ist es allerdings relativ einfach, entsprechend individuelle Metriken für sich zu entwickeln.
6. Customer Effort Score
Der CES ist vor allem für Unternehmen geeignet, die stark auf die Messung der Loyalität bei Servicedienstleistungen abstellen. Der CES basiert auf der Annahme, dass die Loyalität eines Kunden umso größer ist, je weniger Aufwand er betreiben muss, um sein Anliegen zu lösen. Folglich ist es so, dass Kunden, deren Anliegen schnell, unkompliziert und kompetent gelöst werden, loyal sind.
Die Frage an den Kunden kann beispielsweise wie folgt lauten:
"Wie einfach war es für Sie, Ihr Anliegen zu lösen?"
Die Bewertung erfolgt an Hand einer mehrstufigen Skala mit den Werten von "sehr einfach" bis "sehr aufwendig".
Um möglichst konkrete Informationen daraus ableiten zu können, empfiehlt sich auch hier eine Zusatzfrage, die darauf abstellt, welche Verbesserungen sich der Kunde wünscht.
IT-Unternehmen sollten sich die wirtschaftliche Bedeutung loyaler Kunden bewusst machen. Gerade in den Vertriebsabteilungen gilt immer noch (zu) oft die Prämisse Neukunden, Neukunden und Neukunden.
Loyale Kunden sind weniger preissensitiv.
Loyale Kunden empfehlen aktiv weiter und senken dadurch signifikant die "Kosten pro Neukunde".
Die Erhöhung des "Share of Wallet" gelingt bei loyalen Kunden wesentlich einfacher.
Loyale Kunden weisen in der Regel eine bessere Zahlungsmoral auf.
Meine Meinung
Mein persönliches Fazit zu den fünf oben genannten Methoden lautet wie folgt:
Net Promoter Score: schnell und leicht implementierbar, einfach zu erheben, liefert belastbare Resultate, ist zukunftsorientiert, er sollte lediglich um einige weitere Fragen erweitert werden.
Wiederkaufrate: alleinstehend eine eher ungeeignete Metrik, da nur vergangenheitsorientiert. Gegebenenfalls sind lange Betrachtungszeiträume notwendig, um Aussagen treffen zu können und die Wechselbarrieren ein "schön reden" zulassen.
Upsell Rate: alleinstehend ebenfalls eher ungeeignet, meiner Ansicht nach aber immer noch aussagefähiger als Wiederkaufrate.
CLI: gemeinsam mit dem NPS sicherlich einer der Favoriten. Die Kombination der drei Werte macht Sinn, lediglich die "Verfälschung" der klassischen NPS-Skala betrachte ich etwas kritisch.
CER: interessanter Ansatz, alleinstehend für mich allerdings nur bedingt aussagekräftig, schwierig für "offline" Produkte und Services. Allerdings wäre es eine Überlegung wert, die CER mit dem NPS oder dem CLI gegebenenfalls zu kombinieren
CES: eine sehr gute Metrik für serviceorientierte Unternehmen, welche allerdings auch mit Zusatzfragen kombiniert werden sollte.
Happy customers wünscht Ihnen
Philipp Moder