Als Inhaber eines Vollstreckungstitels sollte man sich eigentlich glücklich schätzen können, denn man darf daraus offiziell Vermögenswerte des Schuldners pfänden. Doch oft ist diese Vollstreckung gar nicht möglich, beispielsweise wenn der Schuldner im Zuge einer Privatinsolvenz nichts Pfändbares auszuweisen hat. In solchen Fällen wird der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge zurückkehren.
Ein redlicher Gläubiger, der daraufhin kein dubioses Inkassounternehmen beauftragen will, um dem eventuell tatsächlich "armen nackten Mann" in die Taschen zu greifen, fühlt sich in einer solchen Situation leicht hilflos, vom Staat alleine gelassen und am Ende seiner Möglichkeiten.
Die Wut auf den Rechtsstaat vermehrt sich sprunghaft, wenn der vermeintlich verarmte Schuldner in dem ehemals ihm gehörenden Haus, das z.B. auf ein Familienmitglied überschrieben wurde, lebt und überdies einen Luxuswagen fährt, der ihm offiziell nur als Dienstwagen für geringfügige Tätigkeiten zur Verfügung gestellt wird. Da mag man schon mal in Erwägung ziehen, zur Selbstjustiz zu greifen, um sich zu seinem Recht zu verhelfen. Das ist jedoch illegal und zudem auch unnötig, denn für solche Situationen bietet das Gesetz dem Gläubiger durchaus noch legale Handlungsalternativen und Vollstreckungsmöglichkeiten - insbesondere wenn der Schuldner offensichtlich nicht ohne Einkommen und Vermögen ist.
I. Die Drittschuldnererklärung
Als erstes sollte man eine Pfändung in das Arbeitseinkommen des Schuldners erwirken. Dies kann man per Antrag beim zuständigen Amtsgericht und anschließender Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Arbeitgeber veranlassen. Der Arbeitgeber muss daraufhin als so genannter Drittschuldner eine entsprechende Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO abgeben, welche die Anerkennung der Forderung, eventuelle andere Gläubiger und andere Pfändungen enthalten und detailliert aufführen muss.
Aus diesem Drittschuldnerverhältnis ergibt sich für den Gläubiger, also den Inhaber des Vollstreckungstitels, ein direkter Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Auszahlung des pfändbaren Arbeitseinkommens.
II. Das pfändbare Arbeitseinkommen
Die Frage ist nunmehr noch, was überhaupt zum pfändbaren Einkommen zählt bzw. inwieweit das Arbeitseinkommen unpfändbar dem Arbeitnehmer und Schuldner zusteht. Prinzipiell richtet sich die Pfändbarkeit nach den §§ 850 ff ZPO.
a) Pfändungsgrenzen
Da das Arbeitseinkommen grundsätzlich auch dem zustehen soll, der es erarbeitet, damit dem arbeitenden Schuldner nicht im Vergleich zum arbeitslosen Schuldner ein Nachteil entsteht, gibt es eine Pfändungsgrenze die sich nach § 850 c ZPO richtet. Dort ist festgelegt, welcher Mindestbetrag dem arbeitenden Schuldner wenigstens bleiben soll.
Dieser Betrag richtet sich auch nach den Familienmitgliedern. So darf ein Ehemann und Vater zweier Kinder aufgrund der Verpflichtung seiner Familie gegenüber mehr von seinem Gehalt behalten als ein Alleinstehender. Die genauen Grenzen und Berechnungstabellen werden jährlich angepasst und im Bundesgesetzblatt abgedruckt.
Besonderheit: Es gibt jedoch auch Ausnahmen, in denen die Pfändungsgrenzen nach den amtlichen Tabellen nicht gelten.
Hat der Schuldner eine vorsätzlich unerlaubte Handlung begangen und ist er deshalb zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet - beruht also der Vollstreckungstitel auf einer vorherigen Gesetzesübertretung des Schuldners - gelten die Grenzen des § 850 c ZPO nicht, und dem Schuldner steht lediglich ein Minimum als notwendiger Unterhalt zu.
So kann also auf der anderen Seite derjenige, dem der Vollstreckungsgegner aufgrund einer vorherigen unerlaubten Handlung geschadet hat, einen relativ hohen Betrag des Arbeitseinkommens des Schuldners pfänden und seinen Schaden somit begleichen.
Hat man also die maßgebliche Freigrenze festgestellt, kann man prinzipiell jegliches Gehalt, welches diesen Betrag übersteigt, auch pfänden. Allerdings ist nicht jeder Bezug, den ein Arbeitnehmer erhält, direkt pfändbar. Speziell in § 850 e ZPO wird die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens genauer erläutert.
b) Unpfändbare Bezüge
Von der Berechnung sind zunächst die unpfändbaren Bezüge nach § 850 a ZPO und § 54 SGB I herauszunehmen. So ist beispielsweise jeweils die Hälfte der Bezahlung für Überstunden, Urlaubsgeld, Prämien zu besonderen Anlässen, Weihnachtsgeld und ähnlichem nicht zum vollstreckbaren Arbeitseinkommen hinzuzurechnen. Auch Beträge, die unmittelbar aufgrund von steuerrechtlichen oder sozialrechtlichen Vorschriften abzuführen sind, zählen zu diesen Ausnahmen. Diese Bezüge stellen allerdings in der Praxis die Ausnahme dar, da strenge Anforderungen an die Abgrenzung zum normalen Gehalt gelten.
c) Berechnung des Arbeitseinkommens
Ansonsten fließen alle Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer in die Berechnung des Einkommens mit ein. Als erstes natürlich das Gehalt an sich, - als Geldbetrag, den der Arbeitnehmer erhält. Darüber hinaus werden auch Prämien, Provisionen, Gewinnbeteiligungen oder ähnliche Zuschüsse zum pfändbaren Einkommen hinzugerechnet.
Besonderheit: Im geschilderten Fall liegt die Besonderheit darin, dass in der Gewährung von Wohnrecht und Nutzung eines Kraftfahrzeugs ein so genanntes "verschleiertes Arbeitseinkommen" vorliegt, welches der Berechnung nach § 850 h zugrunde gelegt wird. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Schuldner versucht, sich der Vollstreckung zu entziehen, indem er zwar angibt, nur sehr wenig Geld zu verdienen, in Wirklichkeit aber normal weiterarbeitet bzw. einer Arbeit nachgeht, die normalerweise besser bezahlt werden müsste.
In solchen Fällen kann zugunsten des Gläubigers durch das Gericht ein höheres Gehalt angenommen und der Berechnung der Vollstreckungsgrenzen zugrunde gelegt werden. Bei dieser Schätzung des Gehalts werden vor allem auch die persönliche Beziehung zum Arbeitgeber und dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt.
Arbeitet also der Schuldner offiziell für einen sehr geringen Lohn bei seinem gut verdienenden Vater in Vollzeit mit, kann aufgrund der Arbeitsumstände und der Beziehungen zwischen den Parteien ein verschleiertes Arbeitsverhältnis angenommen und ein angemessenes Gehalt für den Vollstreckungsgläubiger geltend gemacht werden. Dies gilt dann gegenüber dem Arbeitgeber als offizielles Arbeitseinkommen des Schuldners (ohne dass dieses tatsächlich an den Schuldner ausgezahlt werden muss oder soll).
Auch Natural- und Sachleistungen werden in die Berechnung miteinbezogen. Bekommt der Schuldner beispielsweise freie Kost und Logis gewährt oder einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt, wird diese Leistung des Arbeitgebers nach § 850 e Nr.3 ZPO als geldwerter Betrag dem Einkommen in Geld hinzugerechnet.
III. Zusammenfassung
Zusammenfassend muss man sich also folgende Fragen stellen, um auf den Betrag zu kommen, den man vom Arbeitgeber und Drittschuldner direkt herausverlangen kann:
1) Einkommen:
- Wieviel verdient der Schuldner insgesamt?
- Gibt es vielleicht ein "verschleiertes Einkommen"? (Dann: Schätzung des Einkommens durch das Vollstreckungsgericht.)
- Bezieht der Schuldner "Naturallohn"? (Dieser kann angerechnet werden.)
- Sind diese Bezüge zum Teil unpfändbar? (Diese wären dann abzuziehen.)
Von dem so errechneten Betrag wird nun der pfändungsfreie Grundbetrag abgezogen:
2) Pfändungsgrenzen:
- Resultiert die Forderung aus einer unerlaubten Handlung? (Wenn, dann: Maximalpfändbarkeit.)
- Wie viele Kinder und Familienangehörige leben im Haushalt des Schuldners bzw. muss er Unterhalt zahlen? (Dann gilt der entsprechende Betrag der Pfändungstabelle.)
Die sich nun ergebende Summe kann man direkt vom Drittschuldner, also Arbeitgeber, einfordern. Macht dieser falsche Angaben oder weigert sich, den Lohn zu berechnen und die Überschüsse zur Auszahlung zu bringen, macht er sich schadensersatzpflichtig. Hier steht der Weg zu den Gerichten offen.
Der Autor: Sven Tintemann, Rechtsanwalt. Kontakt und weitere Informationen: Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte, Kurfürstendamm 42 , D-10719 Berlin, Telefon: +49 (0) 30 / 715 206 70, Telefax: +49 (0) 30 / 715 206 73, E-Mail: tintemann@wiegehtsweiter.de, Internet: www.dr-schulte.de. Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte ist mit einem Team von vier Rechtsanwälten wirtschaftsberatend tätig. Zu den Hauptarbeitsgebieten zählen das Bank- und Kapitalmarktrecht, sowie verbraucherschutzrechtliche Themenstellungen. (mf)