Sechs Schritte zum Erfolg

So gewinnen Sie Industrie- und Großkunden

27.02.2018 von Uwe Reusche
Was und wo eingekauft wird, das entscheiden in größeren Unternehmen meist mehrere Personen. Sie haben oft unterschiedliche Erwartungen an die Problemlösung. Entsprechend gezielt müssen potenzielle Lieferanten agieren, um einen Auftrag zu erlangen.

In größeren Unternehmen sind an den zentralen Kaufentscheidungen meist mehrere Personen beteiligt. Sie bilden das sogenannte Buying Center. Und potenzielle Lieferanten von Hard- und Software? Sie müssen die Entscheidungsprozesse in diesem Personenkreis so beeinflussen, dass ihr Unternehmen den Auftrag erhält - zu attraktiven Konditionen.

Bieten Sie dem Kunden eine maßgeschneiderte Problemlösung.
Foto: Antonio Guillem - shutterstock.com

Schritt 1: Das Buying Center analysieren

In einem Buying Center gilt es folgende Personengruppen zu unterscheiden:

Diese Personen(-gruppen) haben an die Problemlösung meist unterschiedliche Erwartungen. Während zum Beispiel die Anwender primär darauf achten, dass die Lösung leicht zu handhaben ist, achten die Einkäufer darauf, dass sie "preis-wert" ist. Und während zum Beispiel die Geschäftsleitung vor allem darauf schaut, dass das Unternehmen mit der Lösung seine strategischen Ziele erreicht, achten die Experten/Techniker primär darauf, dass diese mit der (technischen) Infrastruktur harmoniert.

Wie Kaufentscheidungsprozesse in den Unternehmen verlaufen, hängt stark vom Produkt beziehungsweise der Problemlösung ab. Haben diese eine geringe strategische Relevanz - wie zum Beispiel das Büromaterial - sind in größeren Unternehmen die Top-Entscheider meist nicht involviert. Anders ist es bei Problemlösungen,

Bei ihrem Kauf behalten sich die Top-Entscheider in der Regel zumindest die finale Entscheidung vor.

Schritt 2: Die nötigen Kunden-Infos erlangen

Die wichtigsten Fragenkomplexe, die potenzielle Software-Lieferanten bezüglich des Buying Centers zu klären haben, sind:

Um die Kaufentscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen, benötigt der potenzielle Software-Lieferant also Informationen. Zum Beispiel über die Marktposition des Unternehmens und die Herausforderungen, vor denen es steht - betriebswirtschaftlich, technisch und marktbezogen. Zudem darüber, wie das Unternehmen aktuell die relevanten Aufgaben löst; des Weiteren darüber, wie Entscheidungsprozesse in dem Unternehmen ablaufen.

Manch wichtige Erst-Information lässt sich durch eine Online-Recherche erlangen. Für andere gilt es, das firmeneigene Netzwerk zu aktivieren - zum Beispiel zu Mitbewerbern oder Kunden des Unternehmens, zu denen die eigene Organisation auch in Beziehung steht. Viele wichtige Infos lassen sich jedoch nur im Kontakt mit Mitgliedern der Kundenorganisation ermitteln. Also gilt es diese auf den unterschiedlichsten Ebenen (zum Beispiel auf der Techniker- und der Verkäuferebene) aufzubauen.

Schritt 3: Ein Selling Team formieren

Wichtig ist es zudem, ein sogenanntes Selling Team zu bilden, das gemeinsam daran arbeitet, vom Zielkunden den gewünschten Auftrag zu erlangen. Der Aufbau solcher Selling Teams - als Pendant zum Buying Center - ist im B2B-Vertrieb, bei dem oft kundenspezifische Lösungen entwickelt werden, üblich, denn hieran wirken neben den Verkäufern häufig auch Techniker, Mitarbeiter des (Verkaufs-)Innendiensts sowie zuweilen Teile der Geschäftsleitung mit.

Eine zentrale Aufgabe des Selling Teams ist es, den Neukundengewinnungsprozess - also die Strategie, wie der Kunde gewonnen werden soll - zu definieren. Hierfür gilt es zunächst die Bedürfnislage des Zielkunden zu erkunden. Hierbei hat sich das TAPA-Modell bewährt.

Die TAPA-Analyse ist für die Hypothesenbildung wichtig, wie der Zielkunde zur gewünschten Kaufentscheidung geführt werden kann. Und die Ergebnisse der Analyse? Sie können in das letztlich erstellte Angebot und die firmeninterne Präsentation einfließen.

"Das ist zu teuer!" - 18 Antworten auf diesen Kundeneinwand
"Zu teuer? Im Vergleich zu was genau?"
"Teuer" ist ein relativer Begriff. Wenn Sie herausfinden, mit welcher Alternativlösung Sie Ihr Interessent vergleicht, können Sie in der Folge präzise den Mehrwert Ihrer Lösung, Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung darstellen.
"Wirklich? Wie kommen Sie zu dem Schluss?"
Diese Antwort führt dazu, dass Ihr Interessent seine Sicht begründet. Somit verstehen Sie die spezifischen Bedenken und Vorbehalte und können diese aufgreifen und entsprechend entkräften.
"Ich verstehe, Sie wissen: die besten Produkte/Lösungen benötigen in der Regel etwas mehr Budget."
Geoffrey James, Vertriebsexperte aus den USA, hat einmal gesagt, dass der Einwand "Preis" erst dann ernst zu nehmen ist, wenn der Interessent diesen Aspekt mindestens zwei Mal auf den Tisch bringt. Bedeutet, dass Sie mit dieser Aussage diejenigen Interessenten identifizieren, die entweder tatsächlich nicht genügend Budget haben oder aber diejenigen, die einfach mit dem Budget "spielen" möchten. Oftmals geht es danach ja eh in die Verhandlungsrunden mit dem Einkauf.
"Was bedeutet es für Sie, wenn Sie das Projekt nicht umsetzen - was ist die Konsequenz daraus?"
Einer meiner persönlichen Favoriten, denn durch diese Gegenfrage bringen Sie Ihren Gesprächspartner dazu, zu reflektieren, was passiert, wenn er Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt.
"Ist es eine Frage des Budgets oder des Cash Flow?"
Durch diese Frage finden Sie heraus, ob es dem Interessenten um einen Nachlass auf Grund mangelnder Budgets oder um eine Verlängerung des Zahlungsziels geht. Sobald Sie dies wissen, können Sie entsprechend gezielt in die weiteren Verhandlungen treten.
"Losgelöst von der Budgetfrage: Hilft Ihnen unser Produkt/unsere Dienstleistung, Ihre Herausforderung zu lösen?"
Eine direkte Gegenfrage, die konsequent und ohne Umschweife auf den Wert Ihres Produktes beziehungsweise Ihrer Dienstleistung abstellt. Dadurch stellen Sie die Werthaltigkeit wieder in den Fokus.
"Was genau ist zu teuer?"
Diese Gegenfrage führt dazu, dass Ihr Interessent erläutert, welche Teile des Angebotes ihm zu teuer erscheinen. Aussagen wie "Nun, das ist eine Menge Geld für etwas telefonieren" verdeutlicht mir beispielsweise sofort, dass der Interessent den Wert einer professionellen Kaltakquise für sich noch nicht erkannt hat und wahrscheinlich davon ausgeht, dass es sich um eine klassische Call Center Telefonie handelt.
"Zu Teuer? Das stimmt mich jetzt nachdenklich"
Nachdenklich - mit dieser Formulierung stellen Sie wieder auf die Wertigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung ab. Sie bringen zum Ausdruck, dass es für Sie gar nicht wirklich nachvollziehbar ist, dass ein Interessent den Wert nicht erkennt.
"Ist die Investition der einzige Aspekt, der Sie von einer Beauftragung abhält?"
Mit dieser Frage finden Sie heraus, ob es noch anderweitige Einwände gibt oder ob es tatsächlich "nur" um das Budget geht.
"Gut, ich verstehe. Auf welche Produktfeatures/Leistungsbestandteile können Sie am ehesten verzichten?"
Damit sagen Sie dem Interessenten, dass die Investitionshöhe unmittelbar mit der Werthaltigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung verbunden ist. Wenn der Kunde weniger zahlen möchte, dann sollte er sich darüber im klaren sein, dass er nicht die volle Gegenleistung erwarten darf.
"Ist es so, dass der Preis Sie davon abhält in das Produkt/die Dienstleistung zu investieren, die Ihnen wirklich weiterhilft?"
Hier gehen Sie latent auf das Thema "Geiz ist geil"/Billigkäufe ein, ohne es auszusprechen. Aber Sie sensibilieren Ihren Ansprechpartner nochmals zu diesem Thema. Darüber hinaus finden Sie mit dieser Frage heraus, ob Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung wirklich die beste Lösung für die Aufgabenstellung des Kunden ist.
"Bedeutet dies, dass wir niemals die Möglichkeit zur Zusammenarbeit finden?"
Colleen Francis von Engage Selling Solutions aus USA sagt, dass das Wort "niemals" ein maßgeblicher Trigger ist. "Niemals" ist ein sehr mächtiges Wort und die meisten Menschen mögen das Wort auch nicht. Daher werden viele der Interessenten mit "Naja, nein, niemals würde ich nicht sagen…" antworten. Und schon liegt der Ball wieder beim Vertrieb, da er nun in die konkreten Verhandlungen einsteigen kann oder aber das Gespräch und die Verhandlung tatsächlich komplett beenden kann.
"Welchen Return on Investment wünschen Sie sich genau?"
Diese Gegenfrage lenkt die Gedanken des Interessenten weg von "teuer" und "billig" hin zu dem langfristigen Wert, den Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung mit sich bringt.
"Verstehe ich richtig, dass unsere Preise im Vergleich zum Mitbewerb höher sind?"
Wenn Ihre Preise höher sind als die des Mitbewerbs, so dienst diese Gegenfrage dazu, direkt auf die Differenzierung zum Mitbewerb einzugehen.
"Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal in ein ähnliches Produkt/eine ähnliche Dienstleistung investiert?"
Oft haben Interessenten tatsächlich eine unrealistische Preisvorstellung, was ein gutes Produkt oder eine professionelle Dienstleistung kosten darf. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Interessent noch niemals ein vergleichbares Produkt oder Dienstleistung bezogen hat. Mit dieser Gegenfrage haben Sie die Chance derartige "Missverständnisse" auszuräumen.
"Wann haben Sie das letzte Mal etwas nur wegen des Preises gekauft?"
Auch hier geht es, ähnlich wie bei Punkt 11, um das "billig". Gerade im B2B-Umfeld kenne ich kaum verantwortliche Mitarbeiter, die sich damit rühmen "billig eingekauft zu haben". Vielmehr geht es darum Lösungen beschafft zu haben, die dem Unternehmen einen Mehrwert bringen.
"Ich verstehe Sie und ich hatte erst vor kurzem 2/3/4 Kunden wie Sie, die ebenfalls Bedenken wegen des benötigten Budgets hatten. Letztendlich haben sich diese Kunden doch entschlossen das Projekt umzusetzen und wissen Sie was daraus resultierte?"
Und dann setzen Sie das Gespräch mit einer eindrucksvollen Case Study fort, die belegt warum Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung sein Geld wert ist. Wichtig ist hierbei, dass es sich um "echte Case Studies" handelt, die Sie dem Kunden auch schriftlich nachweisen können.
"Wie verhält es sich beim Vertrieb in Ihrem Unternehmen? Verkauft Ihr Unternehmen seine Produkte/Lösungen/Dienstleistungen über den Preis?"
Ein weiterer Favorit von mir, eine Aussage, die ich als Joker immer gerne im Ärmel habe. Auch Ihre Kunden müssen Ihre Produkte/Dienstleistungen verkaufen und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erfolgt dies nicht über eine Billigpreis-Strategie.

Schritt 4: Dem Zielkunden einen Mehrwert bieten

Im Angebot gilt es die Leistungen des eigenen Unternehmens so zu präsentieren, dass für die Mitglieder des Buying Centers der Mehrwert des Angebots gegenüber Konkurrenz-Angeboten erkennbar wird. Das Angebot sollte zudem so gestaltet sein, dass für die Mitglieder des Buying Centers auch emotional erfahrbar wird: Das ist eine maßgeschneiderte Problemlösung für uns.

Steht das Angebot oder die Präsentation gilt es zu entschieden, welche Mitglieder des Selling Teams in die firmeninterne Präsentation oder den Pitch gehen. Diese Entscheidung sollte davon abhängig gemacht werden,

Schritt 5: Den Auftritt beim Zielkunden trainieren

Wichtig ist vor dem Auftritt in der Kundenorganisation zudem ein Pitch- oder Präsentationstraining, bei dem die Teammitglieder in den verschiedenen Rollen im Buying Center schlüpfen - zum Beispiel in die Rolle der Einkäufer und der Geschäftsleitung.

Trainiert werden sollten mit Rollenspielen folgende Phasen und Herausforderungen im Pitch oder in der Präsentation:

Die Begrüßungsphase

Die Präsentationsphase

Die Argumentationsphase

Abrunden

Schritt 6: Realistische (Etappen-)Ziele formulieren

Vor dem Pitch oder der Präsentation sollte auch definiert werden: Welches (Etappen-)Ziel wollen und können wir erreichen? Denn für den Verkauf komplexer Produkte/Dienstleistungen im B2B-Bereich gilt meist: Die Problemlösungen haben für den Kunden eine hohe strategische Relevanz und sind "costumized". Deshalb fällt die Kaufentscheidung selten beim oder nach dem ersten Treffen. Vielmehr treffen sich, nachdem die Kundenorganisation eine Vorentscheidung für einen Lieferanten traf, zum Beispiel die Experten auf der Anbieter- und Kundenseite und erarbeiten gemeinsam die Detailanforderungen an die Lösung oder diese selbst. Die Vorschläge werden dann erneut dem Buying Center präsentiert, bevor schließlich der Auftrag erteilt wird. (OE)

Lesetipp: Probleme lösen statt Produkte verkaufen