Ratgeber für Reseller

So gelingt die Einführung von Projekt-Management-Software

30.01.2014 von Dr. Mey Mark Meyer
Die Einführung einer Projektmanagement-Software ist ebenfalls ein Projekt - und zwar eines, das durchaus Risiken der Verschlechterung birgt.

Für Unternehmen mit einer Vielzahl parallel laufender Projekte ist eine professionelle PM-Software unabdingbar. Die weitreichenden Konsequenzen, die mit deren Auswahl, Vorbereitung und Einführung einhergehen, werden von vielen Unternehmen unterschätzt. Von der Auswahl der richtigen Produkte bis zum Übergang in den Regelbetrieb - die Unternehmen sind gut beraten, die Implementierung als eigenständiges und langfristig angelegtes Projekt zu verstehen.

Dieses Projekt beginnt eigentlich schon vor der Auswahl der Software, nämlich mit der engen Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung, IT-Spezialisten und Projekt-Managern. Sie müssen sich zunächst intensiv mit der Frage auseinandersetzen, warum und wofür das Unternehmen eigentlich eine PM-Software braucht. Nur so lassen sich die Anforderungen, die mit der Software abgedeckt werden sollen, punktgenau definieren und die richtige Wahl treffen.

Eine Vielzahl von PM-Tools

Es gibt quasi eine Unzahl von PM-Softwareprodukten; sie unterstützen die verschiedensten Reifegrade von Projekt-Management. Dieser Begriff bezeichnet die unterschiedlichen Levels, auf denen sich Unternehmen in Sachen Projekt-Management bewegen - je nachdem, welche Antworten es etwa auf die folgenden Fragen gibt:

Entsprechend unterschiedlich fällt auch der finanzielle Rahmen aus, den das Unternehmen für eine PM-Software kalkulieren muss.

Der wohl größte Fehler, den ein Unternehmen machen kann, besteht darin, eine x-beliebige Software anschaffen, ohne sich zuvor mit den Anforderungen und der genauen Problemstellung zu beschäftigen. Steigern kann es die Schwierigkeiten noch, wenn es versucht, das Tool unvorbereitet anzuwenden. Selbst die Erwartung, dass schon nach dem ersten Meeting mit einem PM-Software-Experten eine Liste mit zwei bis drei konkreten Vorschlägen im Raum steht, ist unrealistisch. Die Auswahl der richtigen Software dauert, richtig aufgesetzt, im Regelfall mindestens sechs bis neun Monate. Dabei gilt es auch, die späteren Nutzer frühzeitig einzubinden.

Die 14 Fehler beim Projekt-Management
Sie tun es immer wieder: IT-Abteilungen begehen regelmäßig dieselben Fehler beim Projekt-Management. Risiken werden nicht analysiert oder nicht das richtige Personal eingesetzt. Kein Wunder, dass nur ein Drittel aller Vorhaben erfolgreich ist.
Falsches Personal
Der Fehler: Nicht die richtigen Leute für ein Projekt zu haben, kann das ganze Vorhaben sterben lassen. Alle Planungen sind nichts wert, wenn die notwendigen Talente fehlen.<br><br> Die Lösung: IT und Projekt Management müssen einen kompletten Überblick über die Fähigkeiten und Belastungsgrenzen des Personals haben. Das bezieht sich auch auf Berater, Anbieter und Outsourcing-Partner. Entscheidend ist, die Ressourcen bei den unzähligen Projekten und der täglichen Arbeit richtig einzusetzen.
Keine erfahrenen Projekt-Manager
Der Fehler: Projekte können schnell außer Kontrolle geraten, wenn ein erfahrener Projekt-Manager am Steuer fehlt.<br><br> Die Lösung: Es muss ein Projekt-Manager her, der über die richtigen Zertifizierungen und die Finesse verfügt, die einzelnen Akteure zu steuern. Gute Projekt-Manager verstehen es, Meetings in die gewünschte Richtung zu lenken, Risiken zu managen und mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Mitarbeitern umzugehen.
Keine Methode
Der Fehler: Keine Methode mit Standards zu haben erhöht das Risiko, dass das Projekt durch das Raster fällt. Es kann vorkommen, dass es dann komplett überarbeitet werden muss. Im schlimmsten Fall wird es nicht rechtzeitig fertig oder sprengt das Budget.<br><br> Die Lösung: Eine Methodik hilft, Projekte effizienter zu gestalten und informiert über alle Aktivitäten, die bei der Ausführung dazu gehören.
Zu viele Prozesse
Der Fehler: Zu viele Prozesse auf einmal macht das Projekt-Team unflexibel. Was dabei herauskommt ist Frust bei den Beteiligten. <br><br>Die Lösung: Flexibel sein und mit Auftraggebern und Projektbeteiligten kommunizieren.
Änderungen beim Projektumfang werden nicht berücksichtigt
Die Folge: Das Budget für das Projekt explodiert. Zeitpläne sind nur Makulatur. <br><br> Die Lösung: Strazza von CA empfiehlt einen Änderungsantrag ganz formal anzugehen. Ein Dokument sollte die spezifischen Änderungen auflisten. Der Projektleiter muss dann ermitteln, wie sie sich auf das Budget und den Zeitplan auswirken.
Keine Ahnung über den Status quo
Der Fehler: Bei vielen IT-Projekten fehlen aktuelle Daten über den momentanen Status. Aber wie soll man etwas managen, wenn man es nicht messen kann? Vor allem ist es schier unmöglich, Ressourcen zu koordinieren oder auf Veränderungen zu reagieren.<br><br>Die Lösung: Software einsetzen und sich stets über den aktuellen Stand der Dinge informieren.
Probleme ignorieren
Der Fehler: Probleme lösen sich leider nicht von selbst. Sie nehmen immer mehr zu, je länger man wartet. Die Folge sind steigende Kosten. <br><br> Die Lösung: Wenn mal etwas schief läuft, kommt es anschließend darauf an, wie schnell man es wieder in Ordnung bringt.
Umfang nicht klar definieren
Der Fehler: Wenn der Umfang eines Projekts nicht klar umrissen ist, kann es so aufgeblasen enden wie Elvis in seinen letzten Jahren. Irgendwann verliert die IT die Richtung, um das Vorhaben im Rahmen des Zeitplans und des Budgets so über die Bühne zu bekommen, wie sich das Business das vorstellt. <br><br> Die Lösung: IT und Business sollten sich zunächst einmal Zeit nehmen und die Grenzen des Projekt strikt feststecken.
Zusammenhänge zwischen Projekt nicht sehen
Der Fehler: Projekte laufen niemals isoliert für sich allein. Sie hängen oft mit anderen zusammen. Projektleiter vergessen schon mal, das zu berücksichtigen. Die Folge ist, dass nicht nur das einzelne Projekt den Bach runtergeht, sondern auch noch weitere mit nach unten zieht. <br><br> Die Lösung: Zusammenhänge zwischen einzelnen Projekten sollten schon bei der Planung berücksichtigt werden. Dabei hilft es, sich mit den Beteiligten zu besprechen und Projekte als Diagramme darzustellen, um zu erkennen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.
Murphy´s Law vergessen
Der Fehler: Probleme kann es immer geben - und meistens folgt eins dem anderen. Das Schlimme ist nur, wenn die IT davon auf dem falschen Fuß erwischt wird. Das Projekt hat dann erst mal Zwangspause, während die IT versucht, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen. <br><br> Die Lösung: Zu einer guten Projektplanung gehört ein Risiko-Assessment. Dafür muss das ganze Team überlegen, was passieren könnte. Danach geht es darum, diese Szenarien zu verhindern.
Kein Change Management
Der Fehler: All die Zeit, Geld und harte Arbeit, die man in neue Technologien steckt, bringen nichts, wenn die Anwender diese nicht annehmen. <br><br> Die Lösung: Bevor zum Beispiel neue Applikationen implementiert werden, sollte geschaut werden, wo es im Unternehmen Widerstand gibt, um die entsprechenden Leute ansprechen zu können. Aufklärungsarbeit ist gefragt.
Unvollständige Ablaufpläne
Der Fehler: Die Beteiligten wissen oft nicht, was wann zu erledigen ist. <br><br> Die Lösung: Zunächst sollten alle Schritte festgelegt werden, die für das Projekt notwendig sind. Als zweiter Schritt muss jedem Punkt eine Deadline gesetzt werden. Hilfreich dabei ist eine entsprechende Software.
Unrealistische Deadlines
Der Fehler: Die IT weist zu selten nicht einhaltbare Deadlines zurück, die vom CEO vorgegeben werden. Dass das Projekt dann nicht just in time läuft, ist kein Wunder. <br><br> Die Lösung: Die IT muss dem CEO erklären, was es kostet, bestimmte Termine einzuhalten. Der hat dann die Wahl zwischen mehr Kosten oder mehr Zeit, die er dem Projekt zur Verfügung stellt.
Fachchinesisch
Der Fehler: Die IT kommuniziert oft mit den Auftraggebern und anderen Beteiligten in einer Weise, die keiner außer ihr selbst versteht. <br><br> Die Lösung: Von Vorteil ist es, wenn man sich bei der Kommunikation auf die Gegenseite einstellt. Das gilt vor allem für die IT. Das Business hat keine Lust, seitenweise Technikbegriffe lesen zu müssen, die ein paar Funktionalitäten erklären sollen.

Sieben wichtige Fragen zur Auswahl

Sieben Fragen muss sich jedes Unternehmen vor der Auswahl einer PM Software stellen:

  1. Warum brauchen wir eine PM-Software? Welchen Nutzen bietet sie konkret?

  2. Haben wir ein Projekt-Management-Handbuch und Standardprozesse für das Projekt-Management?

  3. Wie sieht unsere aktuelle Projektlandschaft wirklich aus (Projektportfolio, Prozesse, Methoden, Rollen etc.)?

  4. Und wie soll die Projektlandschaft künftig aussehen?

  5. Wie ist die Organisation im Unternehmen beschaffen, wer übernimmt später die Verantwortung in Bezug auf die Software?

  6. Ziehen alle Personen an einem Strang, und steht die Geschäftsführung wirklich hinter der Idee einer PM-Software?

  7. Sind alle Stakeholder bekannt und an Bord? Wer gehört zur Zielgruppe der primären Nutzer?

Tools, die im Hinblick auf die Projekt-Management-Praxis zu anspruchsvoll dimensioniert und zu vielschichtig sind, überfordern das Unternehmen. Auf der anderen Seite kann eine zu klein angelegte Software die Unternehmensprojekte vielleicht nicht genügend unterstützen und zu unerwünschten Beschränkungen führen. Marktübersichten, wie sie beispielsweise die Studie der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. bietet, können hier Orientierung geben.

Nach der Auswahl die Pilotphase

Bevor die Software in den Regelbetrieb übergeht, muss sie im Rahmen eines ausgewählten Projekts auf Herz und Nieren getestet werden. Dabei sollten alle aufkommenden Probleme, Fragen und Änderungs- oder Anpassungswünsche auf den Tisch kommen. Für die Pilotphase bietet sich ein Projekt an, das einerseits nicht zu einfach ist, um dem Regelbetrieb möglichst nahe zu kommen, andererseits aber auch nicht zu komplex, so dass die Auseinandersetzung mit der Software die Mitarbeiter nicht überfordert. In dieser Phase müssen die Anwender eng in den Prozess eingebunden werden, um sie mit der Software vertraut zu machen und deren Akzeptanz von Anfang an zu sichern.

Übergang in den Regelbetrieb

Zwar geht die PM-Software nach Abschluss der Pilotphase offiziell in den Regelbetrieb über, doch damit ist sie noch keinesfalls im vollen Umfang aktiviert. Denn zu diesem Zeitpunkt nutzen die am Projekt beteiligten Personen oft erst einen Bruchteil der vorhandenen Funktionen.

Die PM-Software sollte zudem auf Zuwachs angelegt sein, damit sie das zu erwartende Wachstum im Unternehmen künftig abbilden kann. Bis der Vollbetrieb erreicht ist, dauert es meist mehrere Jahre, in denen die Software durch systematische Schulungen und regelmäßige Feedback-Schleifen kontinuierlich an die steigenden Ansprüche des Unternehmens angepasst werden muss.

Wenigsten zu Beginn der Anwendung sollte jedes Unternehmen einen "Kümmerer" bereitstellen. Das ist eine Person aus dem Betrieb, klassischerweise aus dem Project Management Office (PMO), die sich als Vollzeitkraft für die Software einsetzt. Sie organisiert Trainings und Anwendertreffen, stimmt eventuelle Anpassungen mit dem Softwareanbieter ab und trägt die Erfahrungen zusammen.

Unterschätzte Effekte

Der Großteil der Kosten einer PM-Software-Einführung entsteht also nicht durch die Lizenzbeschaffung. Viel teuerer kommt die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen nach der Implementierung.

Viele Unternehmen unterschätzen einen wichtigen Effekt der PM-Software: Sie steigert die Transparenz im Unternehmen - eine Nebenwirkung, die grundsätzlich für jedes Unternehmen positiv ist, aber in der Praxis häufig Probleme aufwirft. Oft überfordert diese Transparenz der Vorgänge die Mitarbeiter und deren Kritikfähigkeit.

PM-Software setzt ein offenes Klima und die Fähigkeit der beteiligten Mitarbeiter voraus, sachliche Kritik zu üben und anzunehmen. In diesem Sinn fordert die Software häufig auch eine Weiterentwicklung der Projekt-Management-Kultur im Unternehmen

Kein Automatismus

Eine PM-Software erleichtert die effektive Steuerung, Planung und Koordination von Projekten erheblich. Doch kein Produkt führt zu einer automatischen Verbesserung des Projekt-Managements. PM-Software ist nie der Motor eines Projekts, sondern dient lediglich dessen Unterstützung.

Auswahl, Pilotierung und Implementierung einer PM-Software erfordern von jedem Unternehmen in jeder Phase eine hohe Bereitschaft zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Projektorganisation. Fehlt diese, riskiert das Unternehmen einen Fehlschlag, der das Projekt-Management insgesamt zurückwerfen kann. (qua)