Für Unternehmen mit einer Vielzahl parallel laufender Projekte ist eine professionelle PM-Software unabdingbar. Die weitreichenden Konsequenzen, die mit deren Auswahl, Vorbereitung und Einführung einhergehen, werden von vielen Unternehmen unterschätzt. Von der Auswahl der richtigen Produkte bis zum Übergang in den Regelbetrieb - die Unternehmen sind gut beraten, die Implementierung als eigenständiges und langfristig angelegtes Projekt zu verstehen.
Dieses Projekt beginnt eigentlich schon vor der Auswahl der Software, nämlich mit der engen Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung, IT-Spezialisten und Projekt-Managern. Sie müssen sich zunächst intensiv mit der Frage auseinandersetzen, warum und wofür das Unternehmen eigentlich eine PM-Software braucht. Nur so lassen sich die Anforderungen, die mit der Software abgedeckt werden sollen, punktgenau definieren und die richtige Wahl treffen.
Eine Vielzahl von PM-Tools
Es gibt quasi eine Unzahl von PM-Softwareprodukten; sie unterstützen die verschiedensten Reifegrade von Projekt-Management. Dieser Begriff bezeichnet die unterschiedlichen Levels, auf denen sich Unternehmen in Sachen Projekt-Management bewegen - je nachdem, welche Antworten es etwa auf die folgenden Fragen gibt:
Wie sieht die Prozesslandschaft in Bezug auf das Projekt-Management aus?
Gibt es Vorgehensmodelle, nach denen ein Projekt gehandhabt wird?
Werden Erfahrungen sinnvoll ausgewertet und angewandt?
Entsprechend unterschiedlich fällt auch der finanzielle Rahmen aus, den das Unternehmen für eine PM-Software kalkulieren muss.
Der wohl größte Fehler, den ein Unternehmen machen kann, besteht darin, eine x-beliebige Software anschaffen, ohne sich zuvor mit den Anforderungen und der genauen Problemstellung zu beschäftigen. Steigern kann es die Schwierigkeiten noch, wenn es versucht, das Tool unvorbereitet anzuwenden. Selbst die Erwartung, dass schon nach dem ersten Meeting mit einem PM-Software-Experten eine Liste mit zwei bis drei konkreten Vorschlägen im Raum steht, ist unrealistisch. Die Auswahl der richtigen Software dauert, richtig aufgesetzt, im Regelfall mindestens sechs bis neun Monate. Dabei gilt es auch, die späteren Nutzer frühzeitig einzubinden.
Sieben wichtige Fragen zur Auswahl
Sieben Fragen muss sich jedes Unternehmen vor der Auswahl einer PM Software stellen:
Warum brauchen wir eine PM-Software? Welchen Nutzen bietet sie konkret?
Haben wir ein Projekt-Management-Handbuch und Standardprozesse für das Projekt-Management?
Wie sieht unsere aktuelle Projektlandschaft wirklich aus (Projektportfolio, Prozesse, Methoden, Rollen etc.)?
Und wie soll die Projektlandschaft künftig aussehen?
Wie ist die Organisation im Unternehmen beschaffen, wer übernimmt später die Verantwortung in Bezug auf die Software?
Ziehen alle Personen an einem Strang, und steht die Geschäftsführung wirklich hinter der Idee einer PM-Software?
Sind alle Stakeholder bekannt und an Bord? Wer gehört zur Zielgruppe der primären Nutzer?
Tools, die im Hinblick auf die Projekt-Management-Praxis zu anspruchsvoll dimensioniert und zu vielschichtig sind, überfordern das Unternehmen. Auf der anderen Seite kann eine zu klein angelegte Software die Unternehmensprojekte vielleicht nicht genügend unterstützen und zu unerwünschten Beschränkungen führen. Marktübersichten, wie sie beispielsweise die Studie der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. bietet, können hier Orientierung geben.
Nach der Auswahl die Pilotphase
Bevor die Software in den Regelbetrieb übergeht, muss sie im Rahmen eines ausgewählten Projekts auf Herz und Nieren getestet werden. Dabei sollten alle aufkommenden Probleme, Fragen und Änderungs- oder Anpassungswünsche auf den Tisch kommen. Für die Pilotphase bietet sich ein Projekt an, das einerseits nicht zu einfach ist, um dem Regelbetrieb möglichst nahe zu kommen, andererseits aber auch nicht zu komplex, so dass die Auseinandersetzung mit der Software die Mitarbeiter nicht überfordert. In dieser Phase müssen die Anwender eng in den Prozess eingebunden werden, um sie mit der Software vertraut zu machen und deren Akzeptanz von Anfang an zu sichern.
Übergang in den Regelbetrieb
Zwar geht die PM-Software nach Abschluss der Pilotphase offiziell in den Regelbetrieb über, doch damit ist sie noch keinesfalls im vollen Umfang aktiviert. Denn zu diesem Zeitpunkt nutzen die am Projekt beteiligten Personen oft erst einen Bruchteil der vorhandenen Funktionen.
Die PM-Software sollte zudem auf Zuwachs angelegt sein, damit sie das zu erwartende Wachstum im Unternehmen künftig abbilden kann. Bis der Vollbetrieb erreicht ist, dauert es meist mehrere Jahre, in denen die Software durch systematische Schulungen und regelmäßige Feedback-Schleifen kontinuierlich an die steigenden Ansprüche des Unternehmens angepasst werden muss.
Wenigsten zu Beginn der Anwendung sollte jedes Unternehmen einen "Kümmerer" bereitstellen. Das ist eine Person aus dem Betrieb, klassischerweise aus dem Project Management Office (PMO), die sich als Vollzeitkraft für die Software einsetzt. Sie organisiert Trainings und Anwendertreffen, stimmt eventuelle Anpassungen mit dem Softwareanbieter ab und trägt die Erfahrungen zusammen.
Unterschätzte Effekte
Der Großteil der Kosten einer PM-Software-Einführung entsteht also nicht durch die Lizenzbeschaffung. Viel teuerer kommt die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen nach der Implementierung.
Viele Unternehmen unterschätzen einen wichtigen Effekt der PM-Software: Sie steigert die Transparenz im Unternehmen - eine Nebenwirkung, die grundsätzlich für jedes Unternehmen positiv ist, aber in der Praxis häufig Probleme aufwirft. Oft überfordert diese Transparenz der Vorgänge die Mitarbeiter und deren Kritikfähigkeit.
PM-Software setzt ein offenes Klima und die Fähigkeit der beteiligten Mitarbeiter voraus, sachliche Kritik zu üben und anzunehmen. In diesem Sinn fordert die Software häufig auch eine Weiterentwicklung der Projekt-Management-Kultur im Unternehmen
Kein Automatismus
Eine PM-Software erleichtert die effektive Steuerung, Planung und Koordination von Projekten erheblich. Doch kein Produkt führt zu einer automatischen Verbesserung des Projekt-Managements. PM-Software ist nie der Motor eines Projekts, sondern dient lediglich dessen Unterstützung.
Auswahl, Pilotierung und Implementierung einer PM-Software erfordern von jedem Unternehmen in jeder Phase eine hohe Bereitschaft zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Projektorganisation. Fehlt diese, riskiert das Unternehmen einen Fehlschlag, der das Projekt-Management insgesamt zurückwerfen kann. (qua)