Viele Vertriebsleiter bekennen im persönlichen Gespräch, dass der "Nasenfaktor" noch immer entscheidend ist, wenn sie einen neuen Verkäufer einstellen. Dadurch setzen sie jedoch eher auf Glück und Zufall bei der Personalauswahl, statt mehr auf objektive Kriterien zu schauen.
Die meisten Einstellungen von neuen Mitarbeitern in Unternehmen laufen so oder so ähnlich ab wie in nachfolgendem Beispiel: Der Lebenslauf lückenlos, die Referenzen überzeugend und im persönlichen Gespräch hatte der Bewerber seine Verkaufserfolge glaubhaft gemacht - die Entscheidung für ihn schien also eine gute Wahl für das Unternehmen und seine Ziele zu sein. Ein Trugschluss, wie sich innerhalb kurzer Zeit herausstellte. Der Kandidat entpuppte sich als unterdurchschnittlicher Verkäufer, dem die wesentlichen Erfolgsmerkmale von Spitzenleuten fehlten. Für das Unternehmen ein kostspieliges Intermezzo.
"20 Prozent der Mitarbeiter generieren 80 Prozent des Umsatzes" - ein Wert, der von zahlreichen Vertriebsverantwortlichen bestätigt wird. Fragt man jedoch die Führungskräfte, wer sie die meiste Zeit in Anspruch nimmt, so sind es nicht die erfolgreichen 20 %, sondern die Mitarbeiter mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen. Eine Führungs- oder gar Rekrutierungseffizienz ist somit nicht gewährleistet. Oft wird erst nach monatelanger Investition in einen neuen Vertriebsmitarbeiter erkannt, dass dieser überhaupt kein "Verkäufer" ist.
Intuitive Auswahl dominiert
Trotzdem erfolgt die Personalauswahl weiterhin zum größten Teil intuitiv. Viele Vertriebsmanager und Unternehmer liefern mir immer wieder Aussagen wie "Ich erkenne gute Verkäufer auf den ersten Blick". Auch die Tatsache, dass nach wie vor fast ausschließlich das Bewerbungsgespräch als Basis für eine Mitarbeitereinstellung herhält, zeigt die Problematik auf: Die Unternehmen bauen für ihre Zukunft mehr auf Glück und Zufall anstatt auf objektive Kriterien und Prozesse. Eine teure und langfristig gesehene fatale Vorgehensweise. Die Fehleinstellung eines einzigen Mitarbeiters kann leicht Kosten in Höhe von rund 50.000 Euro verursachen!
Zwar werden bei der wichtigsten Ressource und Investition eines Unternehmens, dem "Human Capital", Zeugnisse und fachliche Qualifikationen überprüft. Ob und wie der Mensch an diese Stelle "passt", bleibt jedoch meist unberücksichtigt. Dabei ist die emotionale Intelligenz mittlerweile die höchstbezahlte Intelligenz. Und das gilt nirgendwo mehr als im Vertrieb. Denn in keinem Bereich des Unternehmens wird die richtige Person am richtigen Platz schneller Ergebnisse erbringen. Für Management-Vordenker Brian Tracy sind die Ursachen für erfolgreiche und nicht erfolgreiche Unternehmen sehr einfach: "Erfolgreiche Unternehmen machen große Umsätze und Gewinne, erfolglose Unternehmen machen wenig Umsatz und keine Gewinne!" Diese simple Tatsache trifft heute verstärkt zu.
Benchmark-Profil
Viele Verkäufer werden aufgrund ihrer Fertigkeiten eingestellt, wegen ihrer Einstellungen aber wieder entlassen. Doch welche Talente erfordert der Job bestehender oder neu zu rekrutierender Mitarbeiter? Eine Frage, die wohl die wenigsten Unternehmen beantworten können. Erfahrungsgemäß haben nicht einmal drei Prozent von ihnen jemals ein "Benchmark-Profil" für die Position erstellt.
Dabei ist nicht von Stellenbeschreibungen und Aufgabenbereichen die Rede, sondern von den emotionalen Fähigkeiten und den oft zitierten Soft Skills oder Talenten - gemäß aktuellen Studien wichtiger als die Hard Skills. Damit sind die angeborenen Persönlichkeitseigenschaften, Wertvorstellungen sowie die angeborenen und erlernten Kompetenzen gemeint. Bringt ein Kandidat die für den Job geforderten Soft Skills mit, sind diesem Mitarbeiter die benötigten Hard Skills ohne großen Aufwand beizubringen. Verfügt er dagegen über die Hard Skills, aber die fehlenden emotionalen Talente müssen ihm näher gebracht werden, sorgt das in der Regel für viel Frust und Demotivation, innere Kündigung, hohe Fluktuation und niedrige Effektivität.
Verkäufer ist nicht gleich Verkäufer
Der Unterschied zwischen Spitzenverkäufern und ihren weniger erfolgreichen Kollegen könnte größer nicht sein. Die Top-Seller werden von einem starken ökonomischen Antrieb angespornt. Sie fragen sich zuerst, was ihnen ihr Engagement finanziell bringt und welche wirtschaftlichen Vorteile sie den Kunden damit bieten können. Eine unter Umständen bedeutende Frage für die Auswahl des richtigen Mitarbeiters. Denn befindet sich das Unternehmen in einem Verdrängungsmarkt, in dem aktiv neue Kunden akquiriert und erschlossen werden müssen, braucht es eine andere Verkäuferpersönlichkeit als in einem Markt, in dem das Beziehungsmanagement im Vordergrund steht, also bestehende Kunden zu pflegen und über Referenzen auszuweiten.
Im ersten Fall empfiehlt sich der Einsatz extravertierter Persönlichkeiten mit starker Ziel- und Abschlussorientierung, während sich für das Beziehungsmanagement eher leicht introvertierte Persönlichkeiten eignen, die gut zuhören können und in der Lage sind, die Beziehung zu pflegen und zu binden.
Vier Grundtypen
Bei der richtigen Rekrutierung von Verkäufern kann man vier Grundtypen unterscheiden: den Roten, den Blauen, den Grünen und den Gelben.
- Rot: Er ist selbstbewusst und entschlossen, wird vom Gegenüber schnell als Experte wahrgenommen und liefert prägnante, komprimierte Präsentationen und überzeugende Lösungsansätze. Selbst schwierige Kunden übernimmt er gerne. Allerdings sollte der rote Verkäufer desöfteren seine Meinung zurückstellen, mehr auf den Kunden eingehen und die Zufriedenheit des Kunden in den Vordergrund stellen. Ein ruhiges und sachliches Gespräch, bei dem man seine persönliche Beziehung zum Kunden hervorhebt, führt eher zum Abschluss, als die aggressive, dominante Art, mit der der Kunde sich überrumpelt fühlt.
- Gelb: Beim gelben Verkaufstyp entspannt sich der Kunde durch dessen lässigen Stil, er wird durch die Begeisterung des Verkäufers mitgerissen. Der Gelbe ist einfallsreich, anpassungsfähig und flexibel, Kaltakquise ist seine große Stärke. Allerdings ist seine Vorbereitung oft unzureichend und er kann ungeduldig wirken. Wichtig wären ein strukturiertes und detailliertes Arbeiten und positive Ergebnisbesprechungen mit den Mitarbeitern.
- Blau: Er ist ein echter Experte und strahlt das auch aus, denn er weiß alles über das Produkt und ist auf den ersten Kundenkontakt perfekt vorbereitet. Der Blaue wertet die Situation und die Fakten sehr gründlich aus und liefert eine detaillierte Präsentation. Allerdings teilt nicht jeder Kunde dieses hohe Qualitätsinteresse, andere werden durch das Jonglieren mit Fremdwörtern abgeschreckt. Auch wirken blaue Verkäufer eher still und verschlossen und können manchmal das Eis zum Kunden nur schwer brechen. Dadurch verlieren viele Kunden das Interesse, da ihnen der Kontakt zu unpersönlich erschien.
- Grün: Dem grünen Verkäufer ist es wichtig, seine Kunden langfristig an sich zu binden. Er baut schnell Brücken zum Kunden und analysiert genau, was sein Gegenüber braucht. Seine Präsentationen sind überzeugend und konsequent, allerdings fehlt es oft an Begeisterung und Flair, wenn sich der Verkäufer unsicher fühlt. Auch wirkt der Grüne manchmal verkrampft, bemüht oder angestrengt. Deshalb sollte er sich lieber nicht so emotional einbringen, sondern sachlich bleiben und kurz fassen.
Benchmark on the job
Um sich also Flops in der Personalauswahl schon im Vorfeld zu ersparen, sollte ein erster Schritt daher immer ein Benchmark-Profil sein. Das Unternehmen legt fest, welche Verhaltensmerkmale und Soft Skills der Job fordert, welche Schlüsselkompetenzen gefragt sind und welche Belohnungskultur im Unternehmen herrscht. Erst wenn dieser Prozess klar definiert ist, kann mit einer talentorientierten und effizienten Personalauswahl begonnen werden. Laut Studien lassen sich Verkäufe um ca. 11 % steigern, wenn bei der Auswahl der Verkäufer ein Profil zugrunde liegt.
Unterstützung liefert hier zum Beispiel das Diagnose-Instrument AEC®-disc. Mit dieser Potenzialanalyse können Soft Skills fundiert ermittelt werden. Die Analyse zeigt sowohl das von Bewerbern gezeigte angepasste Verhalten als auch das natürliche Verhalten und deckt Handlungsmotive auf.
Unternehmen, die ihre Personalauswahl nach diesem Prozess orientieren, haben als Ergebnis eine bis zu 30 Prozent geringere Fluktuation, hohe Motivation der Mitarbeiter, hohe Kundenbindung und sparen Kosten bei der Ausbildung. Mit der genauen Kenntnis über das Verhalten und die Werte der Bewerber und Mitarbeiter erhält das Unternehmen ohne großen Aufwand die ideale Basis zum Auf- oder Ausbau einer zielgerichteten Vertriebsstruktur. Die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Kandidaten auszuwählen, steigt gravierend. Und damit die Chance, sich langfristig den entscheidenden Vorsprung im Wettbewerb zu sichern. Praxisbeispiele zeigen eindeutig auf, dass durch zielorientierte Verkäuferauswahl erfolgreiche Vertriebsstrukturen in wesentlich kürzerer Zeit aufgebaut werden können, wenn die Erfolgsfaktoren von Spitzenverkäufern als Grundlage berücksichtigt werden.