Verkäufer reduzieren zu Beginn eines IT-Unternehmensverkaufes gerne den besten Käufer auf den erzielbaren Kaufpreis. Da kommt schnell die Frage hoch: Was ist mein IT-Unternehmen eigentlich wert? Gefolgt von der Aussage: Wer den höchsten Preis bietet, der bekommt den Zuschlag!
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass häufig erst entlang des M&A-Vorhabens für den Verkäufer sichtbar wird, dass es noch weitere, entscheidende Faktoren neben der Kaufpreissumme gibt. Eine hohe Relevanz spielen dabei der Nasenfaktor der Beteiligten, das angebotene Transaktionsmodell sowie Fragen zur kulturellen und strategischen Passung.
Das Modell muss zur Lebensphase passen
Wie in jedem B2B-Geschäft, gibt es auch im Verkauf eines IT-Systemhauses oder Softwareunternehmens unterschiedliche Modelle. Von großer Bedeutung ist dabei, dass das angebotene Transaktionsmodell zur Lebensphase des Verkäufers passt. Ein Verkäufer jenseits der 60 Jahre lässt sich in der Regel nicht mit einem Angebot locken, was ihn noch weitere 3-5 Jahre in der bisherigen Intensität an das Unternehmen bindet und in der Verantwortung hält.
Auch wenn nach dem Verkauf die Übergabe des Unternehmens und zumeist die Integration in vorhandene Strukturen auf Käuferseite ansteht, lässt sich diese Phase für den Verkäufer in vielen Fällen kompakt halten. Damit kann der ausscheidende Gesellschafter zügig von seiner Verantwortung entbunden werden. Die Phase "danach" kann beispielsweise über einen Beratervertrag geregelt werden, der zeitlich auf wenige Monate begrenzt wird.
In anderen Fällen kann es gute Gründe geben, gerade im bewegten Umfeld von IT-Systemhäusern, als Unternehmer einen Verkauf frühzeitiger einzuleiten, um dem IT-Unternehmen mit seinen Kompetenzen und Kunden eine breitere Basis und damit zukünftig interessantere Wachstumsmöglichkeiten zu verschaffen. Diese Unternehmer sind deutlich jünger und bringen trotzdem nicht selten bereits mehr als 20 Jahre Erfahrung mit und haben als IT-Unternehmer gute und herausfordernde Zeiten kennengelernt. Diese Erfahrung, das Verständnis für funktionierende Geschäftsmodelle, die langjährig aufgebauten Beziehungen zu Kunden, Herstellern und Mitarbeitern sowie das vorhandene Netzwerk sind dabei für einen Käufer von unschätzbarem Wert.
In dieser Konstellation kann im Verkaufsprozess dann der Unternehmer selbst ein wesentliches "Asset" für den Kaufinteressenten darstellen. Hier kommt es dann zu einem anderen Modell, das eine Weiterbeschäftigung, trotz Abgabe aller oder zumindest der mehrheitlichen Anteile an der Gesellschaft, weiterhin attraktiv macht. Ein typischer Zeitraum ist dabei 3-5 Jahre, in dem der Verkäufer sich häufig auch einen Teil des Zielkaufpreises über gesteckte Erfolgskennzahlen verdienen oder einen initial realisierten Verkaufspreis "vergolden" kann. Solche Modelle werden als Earn-out Modelle bezeichnet. Für das Funktionieren sind die handelnden Personen sowie ein abgestimmter Blick auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens oder der neu formierten Unternehmensgruppe ausschlaggebend.
Gegenseitige Sympathie als Erfolgsfaktor
Die Praxis zeigt, dass es grundsätzlich nicht zu einem (guten) Geschäft kommt, wenn sich die beteiligten unsympathisch sind. Theoretisch könnte es einem Verkäufer egal sein - wenn die Kaufpreissumme stimmt und hinten raus keine lange Weiterbeschäftigung gefordert ist - wer das Unternehmen kauft.
Gestandene IT-Unternehmer agieren aber in der Tat anders. Sie überlegen ziemlich genau, wem sie ihr Lebenswerk übergeben und was mit ihren zumeist langjährigen Mitarbeitern und zum Teil mühsam aufgebauten Kundenbeziehungen passiert. Da das ein wesentlicher Show-Stopper im Umfeld von mittelständischen IT-Systemhäusern ist, ist es ratsam, gleich zu Beginn im Prozess das Gegenüber persönlich kennenzulernen. Die Erfahrung zeigt, sobald eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer entstanden ist, wird der erforderliche Abgleich über Geschäftsstrategien und -ziele erst richtig möglich. In einem beidseitig gut vorbereiteten und moderiertem Erstgespräch lässt sich von beiden Parteien sehr gut herausfinden, ob es grundsätzlich menschlich und von den inhaltlichen Überlegungen passen kann.
Ohne klare Strategie wird es schwer
Verkäufer sind irritiert, wenn der Kaufinteressent keine Strategie oder konkrete Idee hat, was er mit dem zu kaufenden Unternehmen vorhat. Es spricht natürlich nichts dagegen, als Käufer den Markt zu sondieren, nur spürt das Gegenüber sofort, ob jemand sich nur informieren möchte oder es ernst meint.
Ein Unternehmensverkauf ist wie ein Bewerbungsfahren und zwar für den Verkäufer als auch umgekehrt. Gerade in einem Verkäufermarkt, ist es wichtig, dass ein potenzieller Käufer bei einem verkaufenden IT-Unternehmer überzeugt. Darüber hinaus muss es Sinn machen. Wenn beispielsweise ein wesentliches Asset eines IT-Systemhauses ein eigenes modernes Rechenzentrum ist, dann fallen Kaufinteressenten, die nur an den Mitarbeitern mit ihren Qualifikationen sowie den Kunden und MSP-Cloud-Verträgen interessiert sind, schnell als Bewerber raus. Selbst wenn der Kaufpreis stimmen würde (was er dann aber in der Regel auch nicht tut), ist das bei den Mitarbeitern auf Seite des Verkäufers kaum zu vermitteln.
Im strategischen Abgleich geht es darum, echte Ergänzungsmöglichkeiten und gemeinsame Wege für ein gesundes Wachstum zu finden. Der Blick fällt dabei beispielsweise auf sinnvolle Ergänzungen in der Technik, in der Aufstellung des Vertriebs, Cross-Selling Potentialen bei bestehenden Kunden, den vorhandenen Herstellerpartnerschaften sowie dem Reifegrad der Organisation und des Geschäftsmodells. In einem IT-Systemhaus wird der Blick sehr genau auf die Themen Managed Services und das bereits vorhandene Volumen an jährlichen, wiederkehrenden Einnahmen über Kundenverträge fallen.
Lesetipp: Managed Services - Wiederkehrende Umsätze für Systemhäuser
Die Unternehmenskultur nicht unterschätzen
Aus meiner Erfahrung fühlen sich IT-Unternehmer grundsätzlich anderen IT-Unternehmern zunächst mehr verbunden, als Vertretern von Beteiligungsunternehmen oder Industrieunternehmen. Auf der anderen Seite ist es kein Garant dafür, dass die Integration gut wird, wenn zwei IT-Unternehmen zusammengehen. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die jeweilige Unternehmenskultur.
Wenn Unternehmensfusionen oder Übernahmen nicht funktioniert haben, dann lag es zumeist an einer fehlenden Strategie und zu unterschiedlichen Unternehmenskulturen. Da wird das kleine Unternehmen sofort von einem größeren (Käufer) aufgesogen, die Kultur verordnet und die Mitarbeiter erhalten zur Begrüßung das Handbuch mit den Organisationsrichtlinien und Lippenbekenntnisse vom Management zur Absicht einer hoch synergetischen Zusammenarbeit beider Firmen.
Aus diesem Grunde ist es für einen Verkäufer sehr wichtig, frühzeitig im Verkaufsprozess zu verstehen, wie der Verkäufer eine Integration sieht, welche Schritte aus seiner Sicht notwendig sind und welche Maßnahmen er für eine sichere Zusammenführung vorschlägt. Da ein wesentliches "Asset" eines IT-Systemhauses das vorhandene Personal ist, braucht es einen guten Übergang auf den neuen Inhaber, in dem gewohnte Freiheiten in der täglichen Arbeit oder leistungsorientierte Vergütungen im Vertrieb und bei den Technikern nicht gleich verändert werden.
Menschen die eine "Du-Kultur", kurze Entscheidungswege und eigenverantwortliches Arbeiten gewohnt sind, sind nicht lange im Unternehmen zu halten, sobald Bürokratie und große Hierarchien Einzug halten. Aus diesem Grunde entscheiden immer mehr Großunternehmen bei Zukäufen die kleinere Einheit vorerst als eigenständige, juristische Person weiter zu führen, um die vorhandene Dynamik und Unternehmenskultur zu erhalten. Eine Integration erfolgt dann schrittweise und sehr behutsam.
Den besten Käufer finden
Ein optimaler Käufer zahlt einen vernünftigen Kaufpreis, stellt sich mit seinem Modell und möglichen Bedingungen auf die Lebensphase des Verkäufers ein, gewährleistet den Fortbestand des Unternehmens mit einer vorhandenen Wachstumsstrategie und vermittelt ein klares Bild für die Zeit nach dem Kauf.