Wenn es um die Auswahl einer Software zur Steuerung und Abwicklung von kundenbezogenen Geschäftsprozessen geht, tun sich viele Unternehmen schwer. Das trifft sowohl für Großunternehmen als auch für den Mittelstand zu. In der Regel mangelt es schlicht an Erfahrung mit derartigen Entscheidungen. Das Thema steht nur alle paar Jahre auf dem Programm. Daher fehlen auch oft geeignete und bewährte Verfahren und Methoden. Außerdem kennen die Entscheider den Softwaremarkt zu wenig, um zielgerichtet vorgehen zu können.
Das gilt nicht nur für Customer Relationship Management (CRM), sondern auch für andere bedeutende IT-Einsatzbereiche wie Enterprise Resource Planning (ERP) und Dokumentenmanagement (DMS). Erstaunlich oft wird so "die Katze im Sack" gekauft, was im Nachhinein zu unerfreulichen Ergebnissen führt. Nicht selten klagen Anwender aufgrund fehlender Funktionen über erheblichen Mehraufwand an Zeit und Kosten, allgemeine Unzufriedenheit bis hin zum Scheitern des Projekts. Auch in CRM-Projekten ist der beste Garant für den Erfolg deshalb eine sorgfältige Planung.
Insgesamt offerieren im deutschsprachigen Raum derzeit rund 150 CRM-Hersteller und zirka 500 Partnerunternehmen mehr als 150 CRM-Systeme für Marketing, Vertrieb und Service. (Quelle: CRM-Marktspiegel 2013). Der CRM-Softwaremarkt entwickelte sich in den vergangenen Jahren mit einer besonderen Dynamik rund um die Hype-Themen Mobile CRM, Social CRM, CRM on demand, Cloud Computing und xRM. Die Quote der Aussteiger und Neueinsteiger liegt jährlich bei etwa 10 bis 15 Prozent.
Nachdem es bei einer CRM-Software-Auswahl im Mittelstand oft um mittlere sechsstellige Beträge geht, sollten Projektverantwortliche wichtige methodische und verfahrenstechnische Kriterien berücksichtigen. Nur so steht am Ende die Sicherheit, die richtige Software ausgewählt zu haben. Vor allem geht es dabei auch darum, Risiken einer Fehlentscheidung auszuschalten.
CRM: ohne Lastenheft keine Softwareauswahl
Vor der konkreten Anfrage bei Softwareherstellern oder deren Partnern müssen Anwenderunternehmen die Ziele und Anforderungen im Detail erarbeiten. Mit diesen Aufgaben sollte ein Projektteam beauftragt werden. Aus den Analysen der bestehenden Geschäftsprozesse und der Schwachstellen in der heutigen Abwicklung von Kundenvorgängen ergibt sich der Handlungsbedarf für Veränderungen, der erste Teil der Anforderungen. Ebenso gilt es, die von der Geschäftsleitung festgelegten Ziele und strategischen Vorgaben für die Zukunft zu berücksichtigen. Das Projektteam muss daher vor der Definition der Soll-Geschäftsprozesse wissen, in welche Richtung sich das Unternehmen mittelfristig entwickeln möchte. Darauf aufbauend lässt sich anschließend ein detailliertes Lastenheft erarbeiten, das Voraussetzung für die Softwareauswahl ist. Häufig wird der Aufwand für die Beschreibung der Geschäftsprozesse und für die Definition der Anforderungen an die Software unterschätzt, oder man verzichtet mangels freier Personalkapazität gänzlich darauf.
Sehr oft fehlen in den Anforderungskatalogen auch konkrete Vorstellungen zur Datenmigration beziehungsweise zur Altdatenübernahme und zu den Schnittstellen mit anderen IT-Systemen wie ERP. Vor der Datenübernahme müssen Projektverantwortliche häufig Altdaten überprüfen und bereinigen lassen. Daneben sollten Insellösungen, die von den Mitarbeitern meist mit Microsoft Excel im Laufe der Zeit angelegt wurden, ebenso bereinigt und übernommen werden. Diese Themen bilden neben den Softwarelizenzen oft den größten Kostenblock in CRM-Projekten und erfordern daher bereits bei der Projektplanung große Aufmerksamkeit.
Oft werden CRM-Software-Hersteller von Interessenten kontaktiert, die ihre "Hausaufgaben" noch nicht gemacht haben. Was dabei oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass kein seriöser Softwarehersteller ohne Lasten- oder Pflichtenheft ein schlüssiges und verbindliches Angebot über Softwarelizenzen, den Anpassungsaufwand und die Kosten für Beratung sowie Schulung ausarbeiten kann. Fehlt ein solches, muss es der Softwarehersteller mit dem interessierten Unternehmen erarbeiten, allerdings gegen Berechnung und naturgemäß nicht herstellerneutral. Vielmehr wird der Softwarehersteller oder sein Partner dabei die eigenen Stärken herausstellen und eventuelle Schwächen zu unterdrücken versuchen.
Sollte ein potenzieller CRM-Anwender gezwungen sein, Ziele und Anforderungen an die CRM-Software mit dem Softwarehersteller zu erarbeiten, muss dies auf jeden Fall in einem separaten Projekt unabhängig vom Vertrag über die Software erfolgen. Alternativ bietet sich für diese wichtige Grundlagenarbeit die Hilfe eines neutralen CRM-Beraters mit einschlägigen Erfahrungen an.
Im Vorfeld der CRM-Softwareauswahl: Marktüberblick
Sobald Ziele und Anforderungen definiert sind, können Unternehmen im Rahmen einer Vorauswahl die Suche nach geeigneten Anbietern aufnehmen. Aufgrund der Intransparenz dieses Markts ist es nicht einfach, sich einen Überblick über das CRM-Software-Angebot zu erarbeiten. Informationen dazu liefern einschlägige Fachzeitschriften sowie Presseveröffentlichungen und Newsletter von Anbietern und deren Partnern oder Fachkonferenzen.
Mit Vorsicht sollten die verschiedenen Softwareauswahlplattformen betrachtet werden, die oft nicht mehr als 20 CRM-Systeme präsentieren können. Das reicht nicht, um einen einigermaßen repräsentativen Überblick zu bieten. Außerdem ist die Informationsdecke dieser Anbieter äußerst kurz und daher für den Auswahlprozess ungeeignet. Vielmehr müssen sich Interessenten nach dem Klick auf diese Plattformen, meist sogenannte Lead-Generatoren, die Kontaktversuche der dort registrierten Anbieter gefallen lassen. Das ist sicher keine geeignete Hilfe bei der Softwareauswahl. Interessenten sollten daher vor der Registrierung auf einem Softwareauswahlportal prüfen, ob und in welchem Umfang das Angebot des CRM-Software-Markts tatsächlich dort zu finden ist.
Weiter ist wichtig, ob diese Plattformen über die Lead-Generierung hinaus auch Know-how zur Unterstützung bei den weiteren Auswahlschritten im CRM-Markt anbieten. Schließlich ist es mit der Vorauswahl nicht getan. Eine vollständige Abbildung des Marktangebots mit den Profilen von rund 150 CRM-Anbietern und CRM-Systemen liefert seit 1992 mit jährlicher Neuauflage der CRM-Marktspiegel, der zusätzlich auf einer virtuellen CRM-Messe auch die Möglichkeit zu Online-Recherchen bietet.
Einschlägige Messen wie die CRM-Expo bieten einen guten Überblick über aktuelle Trends und neue Softwarelösungen, leider auch nur mit einer begrenzten Anzahl von CRM-Anbietern und beschränkt auf drei Tage im September. Immerhin hat sich diese Messe als Treffpunkt der CRM-Branche seit Jahren etabliert.
CRM-Auswahlprozess in vier Stufen
In der Praxis hat es sich für die CRM-Software-Auswahl für mittelständische und große Unternehmen bewährt, in mehreren Stufen vorzugehen. Damit lässt sich sicherstellen, dass der Kreis der infrage kommenden Systeme schrittweise eingeschränkt und am Ende das am besten geeignete CRM-System für das jeweilige Anwenderunternehmen ausgewählt wird.
Phase 1: Vorauswahl
Um in der Vorauswahl die geeigneten CRM-Anbieter zu finden, sollten Interessierte die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale der CRM-Systeme systematisch abfragen und auswerten. Dabei reicht zunächst eine Übereinstimmung auf Überschriftenebene. Damit lässt sich der Anbieterkreis relativ rasch auf eine überschaubare Größe reduzieren. Als Grundlage für diese Analysen dient das Lastenheft. Je sorgfältiger hier die Anforderungen beschrieben wurden, umso leichter lässt sich anschließend die Spreu vom Weizen trennen.
Softwareauswahlplattformen wie der IT-Matchmaker erleichtern mit ihrem Informationsangebot nicht nur den Einstieg in die Softwareauswahl, sondern entlasten suchende Unternehmen auch in den folgenden Phasen mit Auswertungen zum Leistungsvergleich aus der Ausschreibung und beim anschließenden Angebotsvergleich.
Mithilfe dieser Auswahlplattformen kann das eigene Anforderungsprofil mit rund 150 CRM-Systemen verglichen und eine Hitparade nach Funktionserfüllung erzeugt werden. Welche Anbieter tatsächlich die besten Voraussetzungen erfüllen und am ehesten zum suchenden Unternehmen passen, ergibt sich aus einer individuellen Analyse und Bewertung auf der Basis langjähriger Marktbeobachtung.
CRM-Systeme: Branchenorientierung ist Trumpf
Die CRM-Systeme unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Brancheneignung. Erfahrungsgemäß geht mit der Brancheneignung einer CRM-Lösung auch deren Leistungsprofil im Hinblick auf die genutzten CRM-Module einher. Das gilt auch für die Konfiguration der Funktionen für die zu unterstützenden Geschäftsprozesse. Die Erfahrung hat gezeigt, dass im Vergleich zu branchenneutralen Systemen die Branchenlösungen bereits im Standard branchentypische Funktionen in weit höherem Maße abbilden. Auch die Mitarbeiter eines Branchenspezialisten sprechen dann die Sprache des Kunden, was zweifellos klare Wettbewerbsvorteile darstellt. Die Branchenkompetenz lässt sich vor allem durch eine Recherche auf der Homepage des Anbieters und entsprechende Referenzkunden prüfen.
In diesem Zusammenhang sollten auch die typische Firmengröße der Kunden und weitere Einsatzbedingungen der Anbieter wie Ausland und Fremdsprachen geprüft werden. Als wichtiges Auswahlkriterium sollte sichergestellt werden, dass der Interessent beim künftigen CRM-Hersteller ein A-Kunde ist und dadurch in Notfällen entsprechend hohe Aufmerksamkeit erwarten kann.
Wer sich für eine Cloud-Lösung entschieden hat, muss die Einsatzbedingungen im Vorfeld der nächsten Auswahlphase prüfen. Ebenso scheiden hier CRM-Systeme aus, denen die Schnittstelle zum eingesetzten ERP-System fehlt.
In der nächsten Auswahlphase haben nur Anbieter eine Chance, die mit diesen ersten Kriterien des Lastenhefts übereinstimmen. Es lohnt sich also, bereits bei der Vorauswahl sehr sorgfältig vorzugehen. Durch die Vorauswahl wird der Anbieterkreis auf rund zehn CRM-Systeme reduziert. Auch wenn die Anzahl hoch erscheint, hat sie sich bewährt, da in der Folge weitere Prüfungen anstehen.
Phase 2: Feinauswahl und Ausschreibung
In Phase 2 der Auswahl werden diese Anbieter nun im Rahmen einer Ausschreibung eingeladen, ein möglichst verbindliches Angebot zu dem vorgelegten Lastenheft sowie weiteren Leistungsbeschreibungen auszuarbeiten. Dabei werden auch Informationen über Referenzkunden angefordert. Der Hersteller des beim Unternehmen eingesetzten ERP-Systems sollte als Fixstarter in die Ausschreibung einbezogen sein, da er möglicherweise über Partner ein geeignetes CRM-Angebot vorschlagen kann, zu dem es bereits bewährte Schnittstellen gibt.
Über die Auswahlplattform IT-Matchmaker erhalten die Anbieter auch Online-Formulare. Eingeben können Sie hier unter anderem die in der Ausschreibung geforderten Angaben bezüglich der im Lastenheft geforderten Funktionen, die einmaligen Kosten der Software, den Aufwand und die Kosten für Softwareanpassungen, die laufenden Kosten für Wartung, Hotline und Release-Wechsel sowie die Tagessätze für Beratung und Schulung. Weiter ist es empfehlenswert, in der Ausschreibung neben dem Lastenheft auch Informationen zum Anbieterunternehmen anzufordern, aus denen die Entwicklung der zurückliegenden fünf Jahre bezüglich des Umsatzes, der Kunden- und der Mitarbeiterzahl sowie der Softwareentwicklung zu entnehmen ist. Anbieter, die hier keinen positiven Trend erkennen lassen, kommen wahrscheinlich nicht infrage. Schließlich sollte es den Softwarehersteller auch in fünf Jahren noch geben.
Bei der CRM-Software-Auswahl müssen Unternehmen die Besonderheiten des Markts berücksichtigen. Viele Hersteller von CRM-Software kooperieren mit Partnern, die vor Ort die Projekte bei den Kunden implementieren und die Kunden betreuen. In Deutschland wird deren Zahl auf rund 500 geschätzt. Über ein großes Partnernetzwerk verfügen etwa die CRM-Anbieter SAP, Microsoft, CAS Software AG und Sage. Teilweise bieten diese Partner neben der regionalen Kundennähe auch die geforderte Branchenkompetenz. Diese Implementierungspartner werden von den Softwareherstellern bei der Angebotslegung ins Spiel gebracht, oder die Angebotslegung wird direkt einem Partner übertragen.
Das Projektteam muss die Angebote anschließend in einem Angebotsvergleich gegenüberstellen. Nach ausführlicher Diskussion der Vor- und Nachteile einzelner Lösungen werden die besten sechs Anbieter für die dritte Phase ausgewählt.
Phase 3: Anbieterpräsentation und Vorentscheidung
Diese sechs Anbieter präsentieren ihre Lösung und ihr Angebot anhand eines Testszenarios mit den wichtigsten Anforderungen der Ausschreibung. Die Anbieter mit den besten Präsentationen haben die nächste Runde im Auswahlprozess erreicht. Das Projektteam vereinbart mit diesen Kandidaten eine Teststellung und Referenzkundenbesuche. Für die Teststellung ist eine eintägige Schulung der Testanwender beim Anbieter sinnvoll. Dabei bietet sich auch die Gelegenheit, den Softwarehersteller ein Stück besser kennenzulernen.
Auf diese Phase des Auswahlprozesses sollten die Projektverantwortlichen auf keinen Fall verzichten. Teststellung und Referenzkundenbesuche sind ein absolutes Muss. In dieser Phase scheiden Anbieter aus, die die Anforderungen nicht zufriedenstellend erfüllen konnten. Auf der Basis der Ergebnisse wird der Anbieterkreis immer weiter eingeschränkt, bis zwei annähernd gleichwertige Anbieter verbleiben.
Phase 4: Feinspezifikation und Vertragsverhandlung
Am Ende der CRM-Auswahl steht die Verhandlung der Verträge mit den letzten beiden Anbietern. Als Grundlage für die verbindlichen Vertragsinhalte erarbeitet das Projektteam parallel mit den Anbietern die Anforderungen anhand des Lastenhefts. Im Rahmen mehrtägiger Workshops werden die Details in einem Pflichtenheft festgelegt. So entsteht eine verbindliche Kalkulationsgrundlage für die Anbieter. Damit lassen sich die Kosten für die unternehmensspezifischen Anpassungen der Software in verbindlicher Form ermitteln.
Als Zeitdauer für den Auswahlprozess von CRM-Systemen im Mittelstand sollten Unternehmen mindestens zwölf Wochen ab Vorliegen des Lastenhefts ansetzen. In den meisten Fällen wird diese Zeit jedoch wegen der zeitaufwendigen Vertragsverhandlungen überschritten. (wh)