Wer gehofft hatte, nach dem Anniversary Update Ende Juli würde Microsoft im Herbst analog zum vergangenen Jahr eine weitere große Aktualisierung für Windows 10 bereitstellen, wurde enttäuscht. Das hat das Unternehmen schon früh in einem Blogbeitrag bekanntgegeben: „Das Anniversary Update wird das letzte Feature-Update im Jahr 2016 sein, zwei weitere werden voraussichtlich 2017 folgen“, heißt es darin. Einen Ausblick auf die zukünftigen Funktionen können wir Ihnen trotzdem schon geben.
Denn Microsoft führt sein Insider-Programm aus der Testphase vor dem Marktstart von Windows 10 fort. Jeder Interessierte kann hier die Vorabversion herunterladen, verwenden und so zukünftige Funktionen ausprobieren. Unseren Erfahrungen nach laufen die verschiedenen Insider Previews meist ohne Probleme, produktiv sollten Sie sie dennoch nicht nutzen. Der Grund leuchtet sofort ein: Microsoft behält sich in den Nutzungsbedingungen für diese Testversionen weitreichende Eingriffsrechte vor. So heißt es in der Datenschutzerklärung: „Wenn Sie die Software und Dienste des Programms installieren und verwenden, erfasst Microsoft Daten zur Nutzung derselben sowie über die verwendeten Geräte und Netzwerke. Beispiele für erfasste Daten: Name, E-Mail-Adresse, Einstellungen und Interessen, Standort, Browser-, Such- und Dateiverlauf, Daten zu Anrufen und SMS, Gerätekonfigurations-und Sensordaten, Sprach-und Texteingaben sowie Anwendungsnutzung.“ Auf solch einem System haben insbesondere persönliche Daten sowie Passwörter zum Einloggen in Clouddienste sowie für Mails nichts zu suchen.
Das bedeutet aber nicht, dass Sie die Vorabversionen und damit die neuen Features der beiden für 2017 geplanten großen Windows-Updates – intern als Nachfolger des Anniversary Updates („Redstone“) mit „Redstone 2“ und „Redstone 3“ bezeichnet“ – nicht nutzen sollen. Im Gegenteil, nur eben ausschließlich in einer Testumgebung. Dazu benötigen Sie keineswegs einen zusätzlichen Computer: Auch ohne haben Sie gleich drei verschiedene Installationsmöglichkeiten, wie der Kasten im Einzelnen erläutert.
Microsoft veröffentlicht jeden Monat mehrere Vorabversionen
Die jeweils neueste Version, das Release-Datum, die wichtigsten Neuerungen und Infos zu den davor veröffentlichten Vorabversionen fasst Microsoft in einem Blog zusammen. Ein Blick hinein zeigt, dass zuletzt pro Monat jeweils zwei bis drei neue Vorabversionen zur Verfügung gestellt wurden. Wenn Sie diesen Artikel lesen, ist eine neue Insider Preview also durchaus wahrscheinlich.
Der Build von Mitte Oktober 2016 gestattet es beispielsweise, die Einstellungen für Touchpads für die 3-und 4-Finger-Gesten anzupassen, etwa zum Aufrufen von Cortana oder des Action Centers. Schon in der Version davor konnte man die App-Liste im Startmenü ausblenden, außerdem wurden die Foto-App aktualisiert und die Bedienung der Windows-Registry erleichtert. Kurz davor hatte Microsoft im Build 14936 zudem neue Erweiterungen für den Browser Edge eingeführt und das Windows Subsystem für Linux (WSL) auf den neuesten Stand gebracht.
Schon Ende September war im Build 14931 die native Unterstützung von USB Audio 2.0, der Versand von SMS über den PC mit Skype Preview und aktuelle Verkehrsinformationen in der Karten-App eingebaut worden. Davor wartete Build 14926 mit einer nützlichen Funktion im Browser Edge auf: Mittels „Snooze“ lassen sich geöffnete Tabs über die Erinnerungsfunktion von Cortana in einen Schlummermodus versetzen. Der Tab und die darin geöffnete Website erscheinen erst zum gewünschten Zeitpunkt wieder; davor bleibt er geschlossen. Außerdem stehen auch hier einige neue Erweiterungen für Edge zur Verfügung, und man kann die Favoriten nun als HTML-Datei exportieren und verarbeiten. Im gleichen Build für Windows Mobile wurden die WLAN-Einstellungen an die der Desktopversion angepasst, zudem lässt sich das Smartphone nun per WPS (WiFi Protected Setup) schneller mit dem Funknetzwerk verbinden.
Andere wirklich bemerkenswerte Neuerungen gab es in den übrigen Insider-Versionen seit dem Anniversary Update kaum. Natürlich wurden diverse Fehler und Probleme beseitigt, die Auslieferung der Previews erfolgt nun schneller, die PIN-Authentifizierung wurde ebenso verbessert wie einige andere Anpassungen zur Arbeitserleichterung vorgenommen. Einen Sandbox-Modus will Microsoft vorerst nur für die Enterprise-Version von Windows 10 für seinen Browser Edge bieten. Ob dieser Defender Application Guard auch in die Home-und Pro-Version kommt, blieb zunächst unklar. Immerhin sollen die Consumer-Varianten wieder eine Onedrive-Platzhalter-Funktion wie in Windows 8 erhalten.
Und auf dem Smartphone stehen mehr Optionen zu verpassten Anrufen zur Verfügung, darunter das Antworten per SMS oder das Setzen einer Erinnerung. Zudem sollen die Continuum-Möglichkeiten ausgebaut werden.
Das Windows-Insider-Programm in der Praxis
Voraussetzung für Download und Installation der Vorabversionen von Windows 10 und damit für die vorzeitige Nutzung der neuen Funktionen ist die Anmeldung am Windows-Insider-Programm. So bezeichnete Microsoft die Möglichkeit zum offenen Beta-Test, bei dem jeder Interessierte schon Monate vor dem Erscheinen von Windows 10 die Vorabversionen ausprobieren und testen konnte. Anschließend hat Microsoft das Insider-Programm aber nicht eingestellt, sondern im Gegenteil noch ausgeweitet.
Während die beiden bisherigen großen Funktionsupdates 1511 („Threshold 2“) und 1607 (Anniversary Update beziehungsweise „Redstone“) jeder Windows-10-Nutzer installieren kann, müssen Sie sich für die Nutzung der Vorabversionen, auch Insider Previews oder Insider Builds genannt, unter https://insider.windows.com kostenlos registrieren.
Nachdem Sie diesen Schritt erledigt haben, melden Sie sich an Ihrem Windows-10-Rechner mit dem nun im Insider-Programm hinterlegten Outlook-, Live-oder Hotmail-Konto an. Klicken Sie im Startmenü auf „Einstellungen -> Update und Sicherheit -> Windows-Programm-Programm -> Erste Schritte -> Weiter -> Bestätigen -> Jetzt neu starten“.
Haben Sie die Preview-Konfiguration vorgenommen, stehen drei Vorabvarianten zur Verfügung: Mit der „Schnellanzeige“ bekommen Sie jeweils sofort den neuesten Insider Build und damit alle neuen Funktionen. Die Option „Verzögerte Anzeige“ gibt neue Builds erst dann für Sie frei, wenn diese im „Fast Ring“ bereits ein paar Tage weitgehend problemlos liefen – der „Slow Ring“ steht also für einen sichereren Betrieb. Noch zurückhaltender agiert die erst seit knapp einem Jahr zur Verfügung stehende dritte Möglichkeit: „Release Preview“ verteilt die an sich fertigen Updates der „normalen“ Version von Windows 10, gibt sie mit dieser Einstellung aber ein paar Tage früher frei als üblich. Unsere Empfehlung: Wenn Sie wirklich immer das Neueste ausprobieren möchten, ist die „Schnellanzeige“ die richtige Einstellung.
Die eigentliche Umstellung inklusive Download und Installation der gewählten Vorabversion vollziehen Sie über „Einstellungen -> Update und Sicherheit -> Nach Updates suchen“. Beachten Sie bitte, dass es bis zu 24 Stunden dauern kann, bis die Preview Builds nach dem Umstellen des PCs in das Windows-Insider-Programm zur Verfügung stehen. Das Setup läuft über die Installationsumgebung Windows PE und übernimmt deshalb auch sämtliche Einstellungen, Daten und Programme. Aktualisiert werden die Previews im Übrigen wie üblich über die integrierte Updatefunktion.
Wenn Sie die Vorabversionen einmal leid sein sollten, können Sie das System über die Schaltfläche „Insider Preview-Builds beenden“ in den Update-Einstellungen wieder auf das normale Windows umstellen. Dabei greift der PC auf die bei der Preview-Installation erstellte Kopie des „alten“ Windows im Festplattenordner „c:\windows.old“ zurück.
Windows 10 Mobile: Anniversary Update für die Smartphones
Beim Anniversary Update im Sommer war Microsoft sehr viel schneller als ein Jahr zuvor zum Start von Windows 10, als sich die mobile Betriebssystemversion fürs Smartphone gleich um mehrere Monate verzögerte. Mitte August 2016 und damit nur gut zwei Wochen nach der Bereitstellung der PC-Version ließ sich das Anniversary Update auf die ersten Geräte aufspielen. Grundsätzlich unterstützt werden die Lumia-Modelle 435, 532, 535, 540, 550, 640 und 640 XL, 650, 730, 735, 830, 930, 950 und 950 XL, wobei die Auslieferung nach Microsoft-Angaben abhängig von Modell, Land und Provider variiert. Manuell überprüfen Sie über „Einstellungen > Update & Sicherheit > Handyupdate > Nach Updates suchen”, ob das Anniversary Update verfügbar ist. Nach dem Update muss unter „Einstellungen -> System -> Info“ bei den Geräteinformationen als Version der Eintrag „1607“ erscheinen.
Wenn Sie keines der aufgeführten Smartphones besitzen, Sie Ihr Windows-Telefon aber auf das aktuelle Betriebssystem updaten möchten, können Sie dies in vielen Fällen trotzdem durchführen. Microsoft listet all die Geräte auf, auf denen sich abseits des offiziellen Updates die Insider Previews installieren lassen. In der Praxis ist das Update einfach zu realisieren: Falls noch nicht erfolgt, melden Sie sich auf Ihrem Telefon mit Windows Phone 8.1 mit einem Insider-Konto an. Anschließend installieren Sie aus dem normalen Windows-Store des Telefons die App „Windows Insider“ und tippen darin auf „Vorabversionen -> Insider Release Preview -> Annehmen“. Je nach Konfiguration müssen Sie das Gerät nochmals neu starten und die Insider-App erneut aufrufen. Download, Installation, Einrichtung und Anpassungen des neuen Betriebssystems dauern in aller Regel rund eineinhalb Stunden.
Während diese Prozedur in der Vergangenheit auch mit Lumia-Modellen funktionierte, die nicht in der offiziellen Insider-Liste standen (so etwa das Lumia 630), hat Microsoft diese jetzt offenbar konsequent ausgesperrt. Im XDA-Developers-Forum finden Sie eine alternative Anleitung über den Windows-PC, die allerdings deutlich komplizierter und zugleich riskanter ist. Um Ihr Windows-Phone nach dem Testen einer Insider Preview wieder auf die normale, reguläre Version Windows Phone 8.1 zurückzusetzen, verwenden Sie das Windows Device Recovery Tool.
Erst in der Zukunft gewinnt die Öffnung des mobilen Betriebssystems für gewöhnliche Desktopanwendungen Bedeutung: Hewlett Packard hat mit HP Workspace kürzlich einen Dienst zur Anwendungsvirtualisierung gestartet, und ähnlich herstellerübergreifend funktioniert auch der Vmware Horizon Client aus dem Windows Store.
Insider Preview: Drei Möglichkeiten zur Installation
Für den Betrieb eines Insider Builds für Testzwecke benötigen Sie keine Lizenz für Windows 10 – für andere Zwecke als zum Testen sollten Sie allerdings die Vorabversionen wegen der besonderen Nutzungsbedingungen ohnehin nicht verwenden!
Für die Parallelnutzung von Insider-und normaler Version auf dem gleichen Rechner haben Sie drei Möglichkeiten: als virtueller PC beziehungsweise virtuelle Maschine, die Sie mit Virtual Box oder Vmware Player einrichten. Einen Installationsdatenträger (DVD oder USB-Stick) erzeugen Sie mit Hilfe von Microsofts Media Creation Tool, mit dem Sie zunächst die normale Windows-Version erhalten, die Sie dann wie beschrieben auf Windows Insider umstellen. So einfach eine virtuelle Maschine an sich zu handhaben ist: Host-und Gastsystem müssen sich hier die vorhandenen Hardware-Ressourcen teilen.
Diesen Nachteil vermeidet eine virtuelle Festplatte im VHD-Format von Microsoft. Diese nutzt anders als der virtuelle Rechner Hauptspeicher, CPU usw. als ausschließliches System. Wie Sie Windows 10 als virtuelle Festplatte installieren, beschreibt ausführlich unser Onlineratgeber. Bei jedem Booten haben Sie die Auswahl, ob Sie normal oder von VHD (Insider Build) starten möchten.
Die dritte Option ist die klassische Parallelinstallation. Hierzu erstellen Sie im ersten Schritt mit Easeus Partition Master eine neue, mindestens 30 GByte große Festplattenpartition. Auf dieser installieren Sie Windows 10 frisch, anschließend stellen Sie auf die Insider-Version um. Falls Sie wider Erwarten den Schritt zur Eingabe einer Seriennummer nicht überspringen können, googeln Sie nach dem Begriff „generischer Key“ (oder „generic key“) und verwenden zunächst diesen. Wie gesagt, für die Preview-Versionen benötigen Sie keine Lizenz. Statt einer „Clean Installation“ können Sie mithilfe der Funktion „Partition Copy“ in der Software Easeus Disk Copy auch die bestehende Installation von Windows 10 klonen und diesen Klon dann als Insider Preview updaten. Schließlich hilft Easy BCD, die unterschiedlichen Installationen zu verwalten und beim Booten die jeweils gewünschte auszuwählen.
Fazit und Ausblick auf die Monate bis zum Frühjahr 2017
Wirklich bahnbrechende Neuerungen durfte man in den ersten Monaten nach dem Anniversary Update ein Jahr nach dem Start von Windows 10 nun wirklich nicht erwarten. Deshalb von „Enttäuschung“ sprechen, weil sich die bisherigen Funktionsupdates an zwei Händen abzählen lassen, ginge trotzdem zu weit. Wichtiger und bemerkenswert ist, dass der Softwarekonzern vergleichsweise viel Energie in die Windows-Version fürs Smartphone investiert und mehrere der neuen Builds zeitgleich in der Desktop-und der Mobile-Version veröffentlicht. Immer wieder gab und gibt es Gerüchte, wonach sich Microsoft wegen des winzigen Marktanteils aus dem Telefonsegment zurückzieht – die neuen Builds sprechen erst einmal dagegen.
Mehr Neuerungen sind erst in den kommenden Monaten vor dem nächsten Update, Redstone 2, zu erwarten, das voraussichtlich im Frühjahr erscheint. Darauf immer einen Blick zu werfen und die Dinge vorab auszuprobieren, bleibt für eingefleischte PC-Nutzer in jedem Fall interessant. Zumal Sie die Previews einfach einrichten und auch ohne zusätzlichen PC gefahrlos testen können, ohne dass dazu irgendeine Lizenz erforderlich wäre. (PC-Welt)