Viele Männer und Frauen, die 1A-Networker sind, waren das nicht immer. So auch Carsten Mörich (Name geändert), der als Lobbyist in Brüssel sein Geld verdient. Er war in jungen Jahren sehr schüchtern. Und häufig bekam er einen roten Kopf und begann zu stottern, wenn er mit fremden Menschen sprach – speziell Frauen. Er war ein echter "Bücherwurm", der sich nicht traute, andere Menschen anzusprechen.
Doch dann las Mörich in einem Roman folgende Geschichte: Zwei junge Studenten sonnen sich an einem Mittelmeerstrand. Vor ihnen, nur zehn Meter entfernt, liegen zwei etwa gleichaltrige Frauen auf einer Decke. Die ganze Zeit überlegen sich die beiden jungen Intellektuellen, wie sie die Frauen ansprechen könnten – ohne dumm, aufdringlich und wie plumpe Aufreißer zu wirken.
So verstreicht die Zeit. Da nähern sich von einer Strandbar zwei Jungs in Muscle-Shirts mit einem Six-Pack Bier unterm Arm. Lässig schlurfen sie auf die Frauen zu. Und dort angekommen, fragt einer von ihnen in niederbayrischem Akzent: "Wollt‘s a Bier?". Und keine zwei Minuten später sitzen die beiden Männer neben den Frauen im Sand. Und eine halbe Stunde später schlurfen sie mit ihnen davon. Und die beiden Studenten? Sie liegen weiterhin allein am Strand und hadern mit ihrem Schicksal.
Keine Angst vor dem ersten Schritt
In den beiden Studenten erkannte sich Mörich wieder. Und er beschloss seine Kontaktscheu zu überwinden, zumal ihm die Geschichte zeigte: Das Ansprechen von fremden Menschen kann ganz einfach sein, wenn man sich traut.
Ähnlich wie die beiden Studenten verhalten sich viele Menschen. Immer wieder geraten sie beruflich und privat in Situationen, in denen sie gerne eine Person kontaktieren würden. Zum Beispiel, weil ihnen die Person sympathisch ist und sie Lust auf einen Plausch haben. Oder weil die Person für ihr berufliches Fortkommen wichtig sein könnte. Oder weil die Person für ein Unternehmen arbeitet, zu dem ein geschäftlicher Kontakt aufgebaut werden könnte.
Doch statt die Gelegenheit beim Schopf zu packen, überlegen sie endlos hin und her: Wie könnte ich das Gespräch eröffnen, ohne dumm, aufdringlich oder anbiedernd zu wirken? Und weil ihnen keine kluge Eröffnung einfällt, lassen sie die Chance verstreichen. Und anschließend ärgern sie sich, dass ihnen der Mut fehlte, den ersten Schritt zu tun.
Auf das Wie kommt es an
Dabei kann das Ansprechen von Menschen ganz einfach sein. Denn beim Smalltalk ist es nicht primär wichtig, was man zur Gesprächseröffnung sagt. Entscheidend ist, wie man es sagt. So hätte es bei den beiden Studenten vermutlich genügt, wenn sie auf dem Weg zum Wasser kurz bei den Frauen stehen geblieben wären und zu ihnen mit einem Lächeln gesagt hätten: "Na, seid Ihr auch in Urlaub?" Oder: "Wart Ihr schon im Wasser. Ist es kalt?" Und schon wären sie im Gespräch gewesen, sofern die Frauen ebenfalls Lust auf einen Plausch gehabt hätten.
Bei einer Party oder einem Empfang funktioniert es ähnlich. Dort ist das Buffet die ideale Kontaktbörse. Meist genügt es dort, wenn Sie zur Person neben Ihnen sagen: "Hier gibt es viele leckere Sachen. Können Sie mir etwas empfehlen?" Und schon sind Sie im Gespräch.
Und wenn Sie eine bestimmte Person kontaktieren möchten? Dann sollten Sie zunächst die Lage sondieren, um Gemeinsamkeiten zu entdecken, die sich als Gesprächsaufhänger eignen. Angenommen die Person steht etwas abseits. Dann kann die Aussage "Kennen Sie hier ebenso wenig Menschen wie ich?" eine Gesprächseröffnung sein. Oder angenommen die Person hält ein Glas Orangensaft in der Hand. Dann kann die Aussage "Trinken Sie auch lieber Orangensaft als Sekt?" ein Türöffner sein.
Wer gut drauf ist, kommt gut an
Wichtig für den Erfolg ist vor allem: Sie haben selbst Lust auf ein Gespräch. Denn dann strahlen Sie dies auch aus! Sind Sie hingegen schlecht gelaunt und haben eigentlich keine Lust zum Plaudern, dann lassen Sie das Smalltalken sein. Denn mit einem "Miesmuffel" redet niemand gern. Oder Sie versetzen sich zunächst in gute Laune. Zum Beispiel, indem Sie an ein schönes Erlebnis denken – vielleicht Ihren letzten Urlaub. Oder indem Sie an einem stillen Ort vorm Spiegel ein paar Grimassen schneiden. Auch dann verbessert sich Ihre Laune vermutlich und Ihre Lust auf Smalltalk steigt.
Auch auf Kongressen gibt es viele Kontaktanlässe. Dort genügt es eine Person, mit der Sie am selben Stehtisch stehen, zu fragen: "Wie wurden Sie auf den Kongress aufmerksam?" Oder: "Sind Sie häufig auf solchen Kongressen?" Und schon sind Sie im Gespräch. Dasselbe gilt, wenn Sie in der Kaffee-Schlange zur Person vor oder hinter Ihnen sagen: "Brauchen Sie nach dem Vortrag auch einen Kaffee?" Auch dann sind Sie im Gespräch.
Im Alltag üben und trainieren
Sie sehen: Mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen, kann ganz einfach sein – sofern Sie den Mut haben, den ersten Schritt zu tun. Sie scheuen davor oft zurück? Dann üben Sie es doch im Alltag. Zum Beispiel, wenn Sie an einer Bushaltestelle auf den Bus warten. Oder wenn Sie im Supermarkt an der Kasse in der Schlange stehen. Dann merken Sie schnell: Wenn Sie gute Laune ausstrahlen, sind die meisten Menschen für einen Plausch offen – fast egal, was Sie sagen.
Und mit der Zeit werden Sie immer selbstsicherer im Kontaktieren fremder Menschen. Und irgendwann sind Sie ein echter Profi im Smalltalken – ebenso wie Carsten Mörich, der das Anbahnen und Pflegen von Kontakten sogar zu seinem Beruf gemacht hat.
Weitere Infos: Barbara Liebermeister ist Expertin für Business Relationship Management. Sie ist Autorin des im FAZ-Verlag erschienenen Buchs "Effizientes Networking: Wie Sie aus einem Kontakt eine werthaltige Geschäftsbeziehung entwickeln" (Homepage: www.barbara-liebermeister.de).