Jetzt ist es raus: Den "normalen" Smartphone-Nutzer gibt es nicht. Anwender gehen mit ihren Geräten unterschiedliche Symbiosen ein, deren Ergebnis der Londoner Anthropologe Dr. Massiomilano Mollona von der Goldsmith University of London in drei Typen unterteilt. Die für seine Interpretation nötigen Daten lieferte das britische Marktforschungsunternehmen Coleman Parkes, das mehr als 4.700 Nutzer verschiedener Altersgruppen in Nord- und Südamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum befragte. Die Erhebung wurde von Amdocs in Auftrag gegeben.
Demnach können 63 Prozent aller Befragten auf ihr Handy nicht mehr verzichten, und in diesem Zusammenhang sehen 49 Prozent das Handy als wesentliches Mittel zur Pflege ihrer sozialen Kontakte. Nicht verwunderlich ist auch, dass 70 Prozent erwarten, dass ihr Gerät bald noch viel mehr Funktionalitäten bieten wird.
Zusätzlich gaben es die erhobenen Daten her, dass Mollona die Nutzer anhand ihres Umgangs mit dem Smartphones in drei Kategorien eingeteilt hat, die er folgendermaßen erklärt:
Die Cyborgs
Cyborgs nehmen die vernetzte Welt in allen Lebenslagen - im beruflichen wie im privaten Umfeld - überall und mit allen möglichen Geräten an und würden für neue Dienste auch mehr bezahlen. Das Handy ist Teil ihrer Persönlichkeit und wichtigstes Mittel für die Pflege sozialer Kontakte. Und es ist der vorwiegende Kommunikationskanal sowohl mit Arbeitskollegen als auch mit der Familie. Mehr als mit anderen Mitteln werden mit dem Handy die sozialen Aktivitäten erweitert und die Verbindung zwischen beruflichem und privatem Umfeld geschaffen. Cyborgs lieben soziale Netzwerke und Online-Gaming, nutzen das Handy aber auch zum Telefonieren und für SMS. Da das Mobiltelefon zu ihrem alltäglichen Leben gehört, sind Cyborgs an erweiterten Services interessiert, etwa Online-Shopping, automatische Heimüberwachung und Sicherheitsanwendungen. Cyborgs sind Kunden mit einer hohen Erwartungshaltung, sowohl bezüglich der Verbindungsqualität als auch bezüglich des Kundendiensts, und sie sind bereit, auch dafür zu zahlen. Interessanterweise sind diese Mobilfunknutzer vor allem in Südamerika und in asiatischen Ländern wie Singapur, Vietnam und Thailand zu finden.
Die Zentauren
Zentauren trennen strikt zwischen ihrem persönlichen und ihrem technischen Ich. Sie sehen das Handy eher als ein funktionelles Gerät und nicht als ein Abbild ihrer Persönlichkeit. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen der Nutzung zu Hause und am Arbeitsplatz Zentauren nutzen beispielsweise beruflich und privat nicht dasselbe Handy. Sie sprechen lieber persönlich mit Arbeitskollegen und mit der Familie als per Telefon. Dagegen nutzen Zentauren die SMS-Funktion sehr häufig, denn das SMS-Schreiben hebelt die genannten Grenzen in subtiler Weise aus. Das erklärt vielleicht auch, warum die SMS-Funktionalität weiterhin so beliebt bleibt, obwohl man damit keine E-Mails abrufen kann.
Zentauren haben eine pragmatische Sicht der Technologie und wechseln ihren Mobilfunkanbietern ausschließlich aus finanziellen Gründen und nicht, um das neueste Handy zu bekommen. Sie wollen einen genauen Tarifplan, um ihren Verbrauch kontrollieren zu können, wie eine "All-you-can-eat”-Lösung oder Pre-paid, aber sie würden trotzdem für einen besseren Service zahlen oder für die Option, Inhalte und Apps von jedem Gerät aus nutzen zu können. Zentauren gibt es vor allem in Europa und in entwickelten Märkten im asiatisch-pazifischen Raum wie Australien und Neuseeland.
Die Space Cowboys
Space-Cowboys sind technologische Nomaden, individuell und unberechenbar. Sie wechseln aus technischen und finanziellen Gründen oft die Geräte und den Anbieter. Sie suchen ihren ganz persönlichen Zugang, Services und Tarife, vermeiden aber eine Zusammenlegung und die gleichzeitige Nutzung. Sie haben eine funktionelle Erwartung an die Technologie und nutzen das Handy eher zu ihrem eigenen Vorteil als für vermehrte soziale Kontakte oder Beziehungen. Bezüglich der Produkte und Dienste, die sie kaufen, lassen sie sich leicht vom Anbieter beeinflussen. Allerdings zahlen sie nur einen Aufpreis, wenn sie auch einen wirklichen Mehrwert erkennen: Etwa regelmäßige Upgrades für die Geräte und den Service oder auch ein emotionaler Vorteil, wenn das neue Gerät ihnen das Leben einfacher macht. Diese Gruppe ist vornehmlich in Nordamerika anzutreffen; hier sind aber auch große Teile der beiden anderen Gruppen zu Hause.
Das Umfeld hört mit
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass einer von vier Befragten gerne in der Öffentlichkeit telefoniert, ohne sich darum zu kümmern, ob es andere stört. Diese Tatsache erklärt der Wissenschaftler Mollona damit, dass dieses Verhalten weder Reichtum zur Schau stellen, noch eine Abwendung von den Umstehenden bedeuten soll. Es sei eher eine Art Zwang, anderen zu zeigen, dass man auch dazu gehört. Mit dem Ausdruck "digitale Erkennungsmarke" definiert Mollona das steigende Bedürfnis der Menschen, sich durch ihre Vernetzung zu definieren. Das zeige sich schon darin, dass sie oft ihr Handy in der Hand halten, auch wenn sie es nicht benutzen. (bw)