Negativer Kaufpreis

Siemens verkauft Gigaset-Sparte SHC an Investor Arques AG

01.08.2008
Die Siemens AG trennt sich komplett von ihrem TK-Geschäft und verkauft ihre Gigaset-Sparte an den Private Equity-Investor Arques AG. Dieser ist auch der Eigentümer des Distributors Actebis.
SHC: Die Marke Gigaset ist europaweit bekannt.

Von Wolfgang Leierseder


Die Siemens AG trennt sich komplett von ihrem angestammten TK-Geschäft und verkauft ihre Gigaset-Sparte an den Private Equity-Investor Arques AG. Dieser ist auch der Eigentümer des Distributors Actebis.

Mit dem Verkauf der ehemaligen Com-Sparte Siemens Home and Office Communications Devices (SHC) zieht die Münchener Siemens AG einen Schlussstrich unter ihr ureigenes Geschäft mit Telekommunikations-Techniken. Für den Käufer Arques Industries AG bedeutet das, dass er 80,2 Prozent der SHC-Anteile übernimmt und ab 1. Oktober eine Firma besitzt, die mit rund 2.100 Mitarbeitern in 17 Ländern präsent ist. Zur Übernahme erklärte Siemens, dass es Arques 50 Millionen Euro in bar mitauf den Weg geben werde sowie für alle Fälle weitere 20 Millionen Euro als Kreditlinie zur Verfügung stellen werde.

Seit ihrer Gründung im Oktober 2005 wurde die SHC zum Verkauf angeboten. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete sie zwei Drittel ihres Umsatzes in Höhe von 792 Millionen Euro mit den Schnurlostelefonen "Gigaset". Weitere Geschäftsbereiche sind die als eigene Gesellschaften geführten Abteilungen WiMax und Home Media. Im vergangenen Geschäftsjahr bilanzierte die SHC magere 13 Millionen Euro Gewinn (2006: minus 60 Millionen); im zweiten Geschäftsquartal 2008 schrieb sie rote Zahlen, deren Höhe Siemens nicht bezifferte, sondern so kommentierte: Die SHC sei "nahe der Gewinnschwelle".

Die Starnberger Arques AG, seit Anfang dieses Jahres in schwere Bedrängnis geraten, erklärte, sie habe für die nächsten drei Jahre vertraglich zugesichert, die SHC-Standorte in München mit 250 Mitarbeitern und Bocholt, wo rund 1.400 Mitarbeiter die Telefone produzieren, zu erhalten. Die Belegschaftsstärke von derzeit insgesamt 2.100 Personen garantiert der Finanzinvestor aber nur zu 80 Prozent und bis Mitte 2010, wie die IG Metall unterstrich.

Weiterhin erklärten die Starnberger, die SHC solle unter ihrer Führung ihre "Position als Marktführer im Premium-Preissegment ausbauen". Dazu soll die "Produktpalette auf margenstarkes Geschäft" konzentriert werden. Arques kann dazu in den nächsten zwei Jahren den Markennamen Siemens nutzen.

Die SHC-Strategie von Arques.

Welchen Anteil der "margenstarke Anteil" derzeit an den Umsätzen der SHC ausmacht, sagte Arques nicht. Doch es erklärte, es werde "gezieltes Wachstum durch eine Vielzahl an Produktinnovationen, zum Beispiel im Bereich Voice over IP sowie durch den Ausbau des internationalen Geschäfts" zu erreichen suchen. Des Weiteren versprach der Investor, "verstärkt in Forschung und Entwicklung an den Forschungsstandorten in Deutschland und Polen" zu investieren.

Mit der SHC hat Arques nach Actebis und NT Plus das dritte IT-Schwergewicht in seinem Portfolio. Actebis, drittgrößter Distributor in Deutschland mit rund 3,6 Milliarden Euro Umsatz, und nach der Übernahme erklärter Börsenkandidat, hat bei Arques für erhebliche Schwierigkeiten gesorgt. Nachdem der Kapitalmarkt einen Börsengang in diesem Jahr nahezu ausschlossen hat, änderte Arques im Juni seine Strategie und kündigte an, Actebis könne auch verkauft werden – etwa an einen weiteren Investor.

Anfang Juli hatte Arques-Chef Michael Schumann erklärt, der Kauf der früheren Otto-Tochter sei zwar angesichts des niedrigen Preises von 110 Millionen Euro richtig gewesen, aus heutiger Sicht würde Arques Actebis aber nicht noch einmal erwerben. Derzeit ist offen, was mit Actebis passiert.

Gut für die SHC-Mitarbeiter erscheint, dass die durch Korruptionsaffären gebeutelte Siemens nach den Sinitec- und BenQ-Pleiten sich den Käufer sorgfältig ausgewählt haben dürfte. In diesem Sinn sagte Siemens-Finanzchef Joe Kaeser: "Bei der Auswahl des Partners für SHC waren uns standort- und beschäftigungssichernde Maßnahmen besonders wichtig."

Allerdings sagte Schuman auch, die SHC habe ein gesundes Kerngeschäft, aber auch hohes Reorganisationspotenzial, Der Frage, ob damit kurzfristige Stellenstreichungen möglich seien wich er auf der Telefonkonferenz vergangenen Freitag aus. Er räumte auch ein, die Arques habe "keine Erfahrung in der Telekommunikation". Das Nämliche hatte sein Vorgänger Martin Vorderwülbecke anlässlich der Übernahme von Actebis eingeräumt. (wl)