Ein Beispiel aus dem heutigen Geschäftsalltag: V. arbeitet als Vertriebsmitarbeiter im Bereich Sales und Marketing. Er ist jung und im Web sozial gut vernetzt. Für seine Firma vertreibt er ein Produkt und die dazugehörenden Folgelieferungen. Er akquiriert sehr erfolgreich im Kreis seiner Bekannten und sonstigen (Internet-)Kontakte und regelt seine gesamten diesbezüglichen Kundenkontakte über seinen Xing-Account.
Um die Folgelieferungen immer rechtzeitig anzubieten und zu verkaufen, hat V. sich Wiedervorlagen in seinem Outlook-Kalender im Büro notiert. Dabei hat er jeweils die Namen der Kontakte eingetragen.
Da V. kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in seinem Arbeitsvertrag hat, wechselt er irgendwann zu einem Konkurrenten. Sein Nachfolger übernimmt seinen Kalender und kann mit den namentlich bezeichneten Wiedervorlagen nichts anfangen. Der Umsatz bricht ein.
Das Problem: Kann die Firma von V. die betreffenden Xing-Daten herausfordern? Wem gehören die Daten?
In diesem Zusammenhang gilt zunächst der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die Tätigkeit notwendig sind, auch am Arbeitsplatz hinterlassen muss und diese nicht bewusst unterschlagen oder beseitigen darf.
Hätte V. also eine "normale" Kundenkartei in seinem Schreibtisch hinterlassen oder auf seinem Dienst-PC gespeichert, wäre die Frage klar zu beantworten. Selbstverständlich dürfte dann der Arbeitgeber diese nutzen und hätte auch Anspruch auf Herausgabe, für den Fall, dass V. die Kundendatei mitgenommen hat.
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Was gilt im Bereich von sozialen Netzwerken?
Für die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber den gesamten Account oder auch nur einzelne Kundendaten herausverlangen kann, stellt sich zunächst die zentrale Frage, wem der Xing-Account selbst "gehört".
Dafür sind verschiedene Parameter maßgeblich:
Wer zahlt?
Welcher Name?
Welche E-Mail-Anschrift?
Welche Adresse?
Welcher Charakter?
Die verschiedenen Varianten des Xing-Accounts
a) Rein privater Account
Handelt es sich um ein Account mit rein privatem Charakter (kein Corporate Design), mit der privaten E-Mail-Anschrift, der privaten Adresse, der auch privat bezahlt wird, dürfte der Fall eindeutig sein. V.dürfte in dieser Situation seinen Account selbstverständlich behalten und weiter nutzen, müsste allerdings die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit notwendig sind, dem ehemaligen Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Es könnten also verschiedene (Kunden-)informationen herausverlangt werden.
Zwischenstand: Die für die ordnungsgemäße Abwicklung erforderlichen Informationen insbesondere die Kontaktdaten hat V. an die alte Firma herauszugeben.
Noch ein Zwischenstand: Jedenfalls muss V. auch in diesem Fall dem Arbeitgeber keinen direkten Zugang oder Zugriff auf seinen Account gewähren.
b) Rein dienstlicher Account
Handelt es sich jedoch um einen rein dienstlichen Account, den der Arbeitgeber auch bezahlt müsste V. den Account, auch wenn er zwischenzeitlich seine privaten Kontakte hierüber organisiert wohl komplett herausgeben. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten müsste dem Mitarbeiter möglicherweise die Gelegenheit gegeben werden, rein private Kontakte und Korrespondenz zu löschen.
c) Mischformen
Mischformen der obigen Kriterien sind allerdings deutlich schwieriger einzuordnen. Eine Variante wäre, dass es sich zwar um einen privaten Account (E-Mail-Adresse, Anschrift ) handelt, aber der Arbeitgeber bezahlt. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass zwar die Arbeitgeber E-Mail-Anschrift angegeben, aber die private Adresse etc. Weitere Mischformen sind denkbar, deren Beurteilung sich an den oben dargestellten Kriterien zu orientieren hätte.
Eine Pflicht zur Herausgabe des gesamten Accounts wird man in den meisten dieser Fälle wohl nicht begründen können. Insbesondere der Grundsatz, dass die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit des Arbeitgebers notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen werden müssen, spricht allerdings dafür, dass auch nach deutschem Recht in den allermeisten Fällen ein Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe der im jeweiligen Social Network Profil gespeicherten Kundendaten und gegebenenfalls auch entsprechender Korrespondenz besteht.
Nutzung der Sozialen Medien während der Arbeitszeit?
Die Nutzung von Social Medie während der Arbeitszeit stellt sich – auch unabhängig von den obigen Fragen – als schwieriges Thema dar.
Legt man die herrschende Rechtsprechung zugrunde, darf ein Mitarbeiter – vorbehaltlicher ausdrücklich anderslautender Regeln oder nachweislicher Duldung im Unternehmen – private Kontakte grundsätzlich nur über einen privaten Account und natürlich auch nur in seiner privater Zeit pflegen. Private Kontakte während der Arbeitszeit über Social Networks oder andere Internetmedien wären ein sogenannter "Arbeitszeitbetrug" und könnten gegebenenfalls mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen sanktioniert werden.
Ein ganz anderes Problem ist die Zulässigkeit entsprechender Kontrollmaßnahmen durch den Arbeitgeber. Auf diese Frage, die maßgeblich davon abhängt, inwieweit der Arbeitgeber die Nutzung von E-Mails oder Internet zu privaten Zwecken freigegeben hat oder auch nur duldet, soll hier nicht näher eingegangen werden.
Wer darf die Kontakte künftig nutzen?
In allen Varianten ist deutlich geworden, dass jedenfalls der ehemalige Arbeitgeber von V. die Kontaktdaten beanspruchen kann und diese selbstverständlich auch künftig in ihrer vertrieblichen Tätigkeit nutzen darf.
Weiterhin stellt sich aber die Frage, ob auch V. selbst im Rahmen seiner weiteren beruflichen Tätigkeit die Kontakte, die er über diesen Account aufgrund seiner Tätigkeit geknüpft hat, nutzen darf.
Klar ist zunächst, dass V. nach Überlassung des Accounts oder der darin enthaltenen Kundendaten sicherlich keine ausdrückliche Kopie der Kundendaten mitnehmen dürfte. Dies ist im Zusammenhang mit Kundenkarteien ausdrücklich für unzulässig erklärt worden. Er dürfte aber wohl – sofern wie im obigen Fall kein Wettbewerbsverbot nach Vertragsende besteht – all die Kontakte, die er noch "auswendig" kennt, selbstverständlich nutzen. Selbstverständlich dürfte er auch seine privaten Kontakte weiterhin nutzen. Das gemeinhin verwendete, tatsächlich natürlich etwas etwas illusorische Bild in diesem Zusammenhang ist, dass der Mitarbeiter all die Kundeninformationen weiternutzen dürfte, die er auch im Kopf hat.
Komplexer würde diese Thematik dann noch einmal, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bestünde. Dann könnte sich die Kontaktaufnahme mit ehemaligen Kunden über Xing & Co sogar als Verstoß gegenüber dem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Wettbewerbsverbots darstellen. Dies könnte gravierende Folgen nach sich ziehen.
Was hilft?
Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist es daher bereits aus Transparenzgesichtspunkten sinnvoll und fast schon zwingend, vorher Klarheit zu schaffen und klare vertragliche Regelungen zu treffen. Dies gilt auch und gerade hinsichtlich der Weiternutzung beruflich eingesetzter Accounts, aber auch der auf diesem Wege erworbenen (Kunden-)Daten. Denkbar sind insoweit einzelvertraglich Regelungen oder aber – was sich insbesondere in größeren Unternehmen empfiehlt – klare Angaben in sogenannten Social Media Guidelines.
Der dienstliche Einsatz von Sozialen Netzwerken und anderen modernen Internetmedien macht im allgemeinen nur Probleme, wenn eine unklare Gemengelage vorliegt. Es sollte klar geregelt werden, wer, was, wann und wie jeweils nutzen darf. Dabei kann es aber nicht so sein, dass die Nutzer Sozialer Medien mit dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses auch ihre "elektronische Identität" beim Arbeitgeber hinterlassen müssen.
Vorzugswürdig scheint eine interessengerechte (aber ausdrückliche) Regelung, die eindeutig festschreibt, was und welche Informationen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisse herausgegeben werden müssen. Dabei sind insbesondere die oben schon angedeuteten und von der Rechtsprechung bestätigten Interessen des Arbeitgebers miteinzubeziehen, dass die Informationen, die bei ordnungsgemäßer Organisation für die weitere Tätigkeit notwendig sind auch am Arbeitsplatz hinterlassen oder herausgegeben werden müssen.
Zusammenfassung
Die eingangs aufgeworfene Frage, ob das rechtliche Instrumentarium noch passt oder zu altbacken oder verstaubt ist, kann einfach beantwortet werden: Das Arbeitsrecht passt weitgehend, es ist nur auf gänzlich neue Sachverhalte anzuwenden. Bei vielen Problemen bedarf es nicht zwingend neuer gesetzlicher Regelungen.
Die abstrakt generell gefassten arbeitsrechtlichen Normen sind nur mit den bisherigen Wertungen und Maßstäben auf die neuen Sachverhalte anzuwenden. Neue gesetzliche Regelungen sind in aller Regeln nicht erforderlich. Sie unterliegen im Übrigen der Gefahr von situativen Modegesetzen, die einen kurzfristigen technischen und stimmungsmäßigen Sachstand wiedergeben und dabei die erforderliche Abstraktheit vermissen lassen.
Arbeitgeber wie Arbeitnehmer tun allerdings gut daran hinsichtlich der neu auftretenden und unbestreitbaren Probleme saubere, einzelvertragliche oder kollektivvertragliche Regelungen im Arbeitsvertrag oder auch in ergänzenden Social Media Guidelines zu treffen. Dabei sollte der Gefahr widerstanden werden hier nur "warme Worte" mit Apellen und Erläuterungen zur Massenwirkung des Internets niederzulegen, sondern hier sind arbeitsrechtlich klare und relevante Ansagen gefragt.
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Kontakt und weitere Infos: Birte Keppler ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in Stuttgart und Dozentin bei der Rechtsanwaltskammer für Rechtsfachwirte/-innen.
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