Microsoft SharePoint ist in vielen Unternehmen vorhanden, wird aber meist nur rudimentär genutzt. Hier einige Tipps für nützliche Einsatzszenarien.
von Christophe Campana (Geschäftsführer Campana & Schott), Boris Ovcak (Campana & Schott, Frankfurt am Main) und Eric Schott (Geschäftsführer Campana & Schott)
Die Automatisierung von Geschäftsprozessen schreitet unaufhörlich voran: Startete sie einst im Bereich der Produktfertigung und wurde Mitte der 80er Jahre über ERP-Systeme in die Büros gebracht, so ist sie heute auf den Schreibtischen der so genannten Information Worker angekommen. Auch wenn sich Geschäftsprozesse im Office-Bereich, also die "Prozesse zwischen den Schreibtischen", bei weitem nicht so standardisieren lassen, dass sie zum Beispiel durch klassische ERP-Systeme voll automatisiert werden können, so verändern neue Techniken die Zusammenarbeit doch grundlegend. Wo heute noch Medienbrüche existieren und die Effizienz beeinträchtigen, können moderne Kollaborationsplattformen diese überbrücken.
Ein Beispiel: Geschäftsdaten aus betriebswirtschaftlichen Systemen werden manuell in ein Word-Formular übertragen und dann per E-Mail an andere Mitarbeiter weitergeleitet. Im Anschluss an mehrstufige Abstimmungs- und Bearbeitungsschritte erfolgt eine erneute manuelle Übertragung der konsolidierten Ergebnisse in eine SAP-Maske. Auch wenn man an Teamabstimmungen, arbeitsteilige Dokumenterstellung und Berichterzeugung, Anträge oder Genehmigungen, Prüfungen und Freigaben denkt: Immer müssen viel Zeit und Nerven aufgebracht werden.
Die fehlende adäquate IT-Unterstützung führte in der Vergangenheit dazu, dass in vielen Unternehmen eine hohe Anzahl an isolierten Kleinstapplikationen, häufig Individualentwicklungen, anzutreffen sind und von Abteilung zu Abteilung eigentlich gleiche Arbeitsabläufe sehr unterschiedlich prozessiert werden. Das Ergebnis: fehlende Prozess- und Datenintegrität, hohe Transaktions- und IT-Kosten, hinzukommen Probleme bei Betrieb, Wartung und Migration. Hier gibt es reichlich Potential, das Microsoft mit seiner SharePoint-Technik heben will.
Microsoft köderte mit WSS 3.0
SharePoint als Technik ist nicht neu. Mit dem Microsoft Office SharePoint Server 2007 (MOSS) sprach Microsoft selbst erstmals von einer umfassenden Technologieplattform. Zielten die beiden ersten Versionen überwiegend auf eine Web-basierende Dokumentenablage als Alternative zum File-Laufwerk ab, so stehen inzwischen weit reichende Funktionen bereit, mit denen strukturierte und unstrukturierte Informationsverarbeitungsprozesse unterstützt werden können.
Campana & Schott hat im Jahr 2009 im Rahmen einer Kundenanalyse festgestellt, dass hochgerechnet bei rund 70 Prozent der Großunternehmen MOSS bereits vorhanden und häufig auch im produktiven Einsatz war. Ein Grund hierfür war sicher die geschickte Vermarktungsstrategie von Microsoft. Der "kleine Bruder" des MOSS, die Windows SharePoint Services (WSS) 3.0, waren über den Windows Server bereits mit lizenziert. Die Anschaffungskosten gingen also - zumindest was den Cashflow betrifft - zunächst gegen null. In vielen Unternehmen wurden daher lokale Anwenderversuche gefördert oder zumindest toleriert. Die einfache Konfigurierbarkeit sowie der bereits mit den WSS erzielbare Nutzen für Teams oder Abteilungen im Rahmen der Zusammenarbeit weckten schnell Begehrlichkeiten nach mehr.
Andererseits wurde auch schnell ersichtlich, dass den WSS für einen weiterreichenden Einsatz Plattformeigenschaften wie professionelle Administrierbarkeit und Useability fehlten. Der Köder wirkte und die Unternehmen entschieden sich für die Nutzung (und kostenpflichtige Lizensierung) von MOSS. Erstaunlich dabei: Die anschließend realisierte Anwendungstiefe und -breite deckte nur einen geringen Teil dessen ab, was eigentlich mit der SharePoint-Technik möglich ist. Das Potential wurde oft noch nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft. Die vorgefundenen Einsatzszenarien beschränkten sich fast ausschließlich auf Altbekanntes wie den Web-basierenden Dokumentenaustausch. Unbeachtet blieben sehr oft die Möglichkeiten, sich aus Word, Excel & Co. heraus mit SharePoint in verschiedensten Business-Applikationen zu organisieren. Auch die Marktexperten von Microsoft selbst haben diesen Bereich lange vernachlässigt.
SharePoint ist zu einer Plattform gereift, mit der sich Applikationen für sämtliche Organisationsbereiche bereitstellen lassen. Überall dort, wo gemeinsame Informations- und Dokumentenbearbeitung (Kollaboration) sowie Beantragungs- und Freigabeprozesse IT-seitig unterstützt werden sollen, lohnt sich die Frage: Wie können die Prozesse noch effizienter gestaltet und Medienbrüche weiter reduziert werden? Die folgenden Beispiele sollen zeigen, wie allein durch die Anpassung und Umsetzung von reinen SharePoint-Standardfunktionen echte Geschäftsapplikationen entstehen.
Allgemeine SharePoint-Tipps
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Formulieren Sie eine eigene SharePoint-Vision, durchdenken Sie die Strukturen und verhindern Sie Informationssilos.
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Die ersten Anwendungen: Starten Sie mit bereits dokumentierten, zumindest aber schon gelebten Prozessen.
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Auch wenn sich SharePoint sehr für Rapid Prototyping eignet, ein Mindestmaß an fachlicher Konzeption ist erforderlich.
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Richtwert: Übersteigt der geplante Programmieraufwand 30 Prozent des gesamten Realisierungsaufwands, ist die technische Konzeption kritisch zu hinterfragen.
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Unterschätzen Sie nicht das Management of Change: SharePoint verändert die Arbeitsweise Ihrer Mitarbeiter (die Einführung einer SharePoint-Lösung ist nicht mit der technischen Bereitstellung zu Ende!)
Automatisierte Verträge mit Office Business Applications (OBA)
Beantragungs- und Freigabeprozesse im Office-Bereich folgen meist einem ähnlichen Muster: Nach telefonischen Vorabstimmungen wird der zu beantragende Inhalt, zum Beispiel eine Stellenplanung, als Excel-Formular per E-Mail zur Freigabe an die entsprechenden Stellen geleitet. Um eine Übersicht aller Anträge zu erlangen, werden die wichtigsten Daten aller Einzelanträge manuell in eine zentrale Excel-Datei überführt. Nach erfolgter Freigabe des einzelnen Antrags werden die Daten in ein Word-Dokument eingefügt, ausgedruckt und unterschrieben. Nicht selten werden Teile dieser Daten anschließend wieder digitalisiert und in ein ERP-System übertragen.
Klingt umständlich - und ist es auch. Dennoch existieren solche Prozesse in allen Unternehmen und sämtlichen Unternehmensbereichen. Ein Beispiel aus dem Bereich Human Resources (HR) zeigt, wie es effizienter ablaufen kann: Die Vertragsdefinition, -beantragung und Freigabe werden durch Web-basierende Formulare auf Basis von Microsoft InfoPath abgewickelt. Bewerberstammdaten wie Name und Adresse müssen dabei nicht manuell aus einer Bewerberdatenbank übernommen werden, sondern sind direkt im Formular enthalten. Alle Formulare werden in einer zentralen SharePoint-Bibliothek gespeichert. Übersichten wie die Anzahl der freigegebenen Verträge oder die durchschnittliche Gehaltshöhe je Vertragstyp sind per Knopfdruck verfügbar. Nach erfolgter Vertragsvergabe wird mittels Workflow automatisiert ein Word-Dokument erstellt, das die relevanten Bewerber- und Vertragsdaten im Vertragstext enthält. Ein manueller Übertrag ist somit nicht mehr notwendig.
Einsatz und Vorteile von OBA
Einsatzmöglichkeiten:
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Semistrukturierte Beantragungs- und Freigabeprozesse, wie Projektanträge, IT-Demands, Standortzutrittsberechtigungen;
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den ERP-Systemen vorgelagerte Informationsverarbeitungsprozesse, zum Beispiel Mitarbeiterstammdaten- und Skill-Verwaltung, Bestellanforderungen, Rechnungsfreigabe;
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Excel- und Word-Formulare, die heute per E-Mail-Attachments für Beantragungen und Freigaben versendet werden.
Vorteile:
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Bekannte Oberfläche und Umgebung für Endbenutzer (Office und Browser/Web);
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Reduzierung von Medienbrüchen in der Office-Welt;
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Senkung manueller Aufwände für Datenaggregation und deren Auswertung.
Wichtig für Teamarbeitsbereiche
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Eine eigene, einheitliche globale Navigation;
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die automatische Registrierung aller Arbeitsbereiche in einer zentralen Liste;
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eine eigene Site Collection pro Project Workspace für die Skalierbarkeit bei hohen Datenvolumen;
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die automatisierte Anlage von Arbeitsbereichen mittels gesondertem Workflow.
Teamarbeitsbereiche bereitstellen
Projektteams arbeiten heute überwiegend standort- und organisationsübergreifend. Um eine effiziente Zusammenarbeit in solchen Teams zu ermöglichen, ist es Aufgabe der IT, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen: Einen zentralen, standortunabhängig erreichbaren Projektarbeitsplatz, der Funktionen für ein modernes Dokumenten-Management ebenso liefert wie für die Aufgaben- und Terminverwaltung.
Ein Beispiel aus dem Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) zeigt den zukünftigen SharePoint-Arbeitsplatz. Früher wurden im Unternehmen die Entwicklungsprojekte über das File-Laufwerk bearbeitet. Das führte zu den typischen Problemen wie nicht standardisierte Strukturen sowie falsche Berechtigungen und fehlende Versionierungen. Umständlich war das Ganze auch: Nach der Initiierungsphase - dem Vertragsabschluss mit dem Kunden - wurden alle Projektdaten auf DVD gebrannt und dem Team der Realisierungsphase übergeben. Dieses legte dann einen neuen Ordner auf dem File-Laufwerk an, übertrug dahin die DVD-Daten und alles begann wieder von vorne.
Heute nutzt das Unternehmen für F&E-Projekte Teamarbeitsbereiche in SharePoint. Dies sind die Gründe:
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Deutlich weniger Administrationsaufwände;
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schnelle Anlage von Arbeitsbereichen, durch jeden Mitarbeiter im Projekt möglich;
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selbsterklärende Strukturen in einem ansprechenden Design;
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einheitliche Standards für das Dokumenten-, Aufgaben-, Issue- und Risiko-Management als Teil der Arbeitsbereiche (inklusive Versionierung);
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Arbeitsbereiche sind projektspezifisch erweiterbar und hochgradig skalierbar bei großen Datenmengen (zum Beispiel Engineering-Daten aus dem PDM);
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Abruf und Erstellung von Inhalten auch offline beziehungsweise ohne Netzzugang
Unterstützung für das Ideen-Management
Um Veränderungen schneller ins Unternehmen oder Innovationen schneller auf den Markt zu bringen, muss das Ideenpotential aller Mitarbeiter berücksichtigt werden. Das bedeutet: Jeder Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, neue Ideen und Vorschläge im Unternehmen zu kommunizieren.
Ein Beispiel aus dem Bereich Unternehmensentwicklung oder Organisationsabteilung (Betriebliches Vorschlagswesen beziehungsweise Ideen-Management) zeigt, wie SharePoint nicht nur die Erfassung, Bewertung und Weiterentwicklung von Ideen unterstützt. Zusammen mit Microsoft InfoPath ermöglicht die Plattform einen rollenbasierenden Prozess: Neue Ideen werden zunächst über einen Steckbrief (InfoPath) per Browser festgehalten. Kollegen, Gremien und Communities können dann diese Ideen Schritt für Schritt ergänzen, kommentieren und bewerten. Workflows für Vorgesetzte und Manager ermöglichen die Freigabe von Ideen, aus denen dann zum Schluss gesonderte Projekte entstehen.
Aktuelle Bedeutung gewinnt ein solches Vorgehen aus dem Ideen-Management bei der dezentralen Suche/Erfassung und zentralen Bewertung von Kosteneinsparmaßnahmen. Mittelpunkt ist wiederum ein SharePoint-Workspace, über den die Eingabeformulare eingereicht werden, und in dem abhängig von der jeweiligen Rolle die offenen Aufgaben beziehungsweise Informationen aufgelistet werden. Der besondere Mehrwert jedoch liegt in der Visualisierung durch Business-Intelligence-Komponenten.
BI-Komponenten in SharePoint
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Mittels Performance Point und ohne Programmierung lassen sich Management-Cockpits realisieren;
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Manager können über den Browser direkt auf Reports und Business-Intelligence-Funktionen zugreifen;
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eine Pipeline überwacht den jeweiligen Reifegrad der einzelnen Ideen;
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Gateway und Radar zeigen den Zustand des Portfolios an;
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hierarchische Reports visualisieren Abhängigkeiten.
Ausblick: Einsatzpotentiale richtig erkennen
SharePoint bietet bislang unerkannte, von vielen Unternehmen noch nicht realisierte Potentiale in der Automatisierung von Unternehmensabläufen. Dabei wirken vier zentrale Anwendungsaspekte zusammen:
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Funktionen für Dokumenten- und Content-Management;
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Unterstützung von Projekt- und Arbeitsgruppen;
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Integration von Geschäftsdaten aus ERP-Systemen etwa von SAP;
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automatisierte Büroabläufe über Formulare und Workflows.
In der täglichen Nutzung werden Microsofts Office-Produkte und SharePoint verschmelzen. Gemeinsam mit dem Webbrowser werden Word, Excel und unternehmensspezifische Formulare zum zentralen User Interface beziehungsweise Frontend für Geschäftsanwendungen. Auch wenn die Oberfläche vielen Anwendern bekannt ist, das Arbeiten mit SharePoint bedingt Veränderungen. An diese werden sich die Benutzer aber schnell gewöhnen. Zum Beispiel wird das Denken in Ordnern und File-Strukturen bald der Vergangenheit angehören.
Unterschiedliche, häufig selbst organisierte Initiativen und Lösungen einzelner Abteilungen oder Mitarbeitergruppen werden dabei zu einer schnellen Evolution führen - manche dieser Anwendungen werden sich schlagartig verbreiten, andere warten vielleicht etwas länger auf ihren Durchbruch. Doch schon jetzt können viele kleine Schritte die große Vision einer gemeinsamen, einheitlichen Plattform für die Zusammenarbeit aller realisieren. Die Rolle der zentralen IT ist dabei primär die Bereitstellung der Plattform und deren Governance durch entsprechende SharePoint-Guidelines. Den Rest erledigen zum großen Teil die Anwender.
Die "Prozesse zwischen den Schreibtischen" werden dadurch für die Mitarbeiter deutlich schneller - und für die Unternehmen deutlich kostengünstiger.
(Computerwoche / rb)
Zentrale SharePoint-Funktionsbereiche
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Collaboration: arbeitsteiliges Bearbeiten von Dokumenten, Aufgaben und Terminen;
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Content-Management: zentrales Verwalten und Bereitstellen von Informationen und Dokumenten;
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Enterprise Search: schnelles und einfaches Suchen beziehungsweise Finden von Informationen;
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Forms & Workflows: Modellierung und Automatisierung von Entscheidungs- und Geschäftsprozessen;
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Business Intelligence: Bereitstellung von Kennzahlen, Analysefunktionen und (Management-)Berichten;
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Portal: Zusammenführung aller Funktionen und Informationen in einer Browser-basierenden Oberfläche.