Hinterbliebenenrente von der Berufsgenossenschaft

Selbstmord wegen Mobbing - Arbeitsunfall

05.02.2009
Auch ein Suizid kann ein Arbeitsunfall sein, befand das Bayerische LSG und konkretisierte, unter welchen Umständen die Unfallversicherung auch bei Freitod des Versicherten leisten muss.

Wie die Haufe-Online-Redaktion (www.haufe.de) mitteilt, wählte ein gesetzlich unfallversicherter Arbeitnehmer den Freitod. Sein dramatischer Abschiedsbrief enthielt einen Hinweis, dass die berufliche Situation ein wesentliches Motiv seiner Handlung war. Die Witwe stellte daraufhin bei der Berufsgenossenschaft (BG) Antrag auf Hinterbliebenenleistungen.

Ihr Ehemann habe sich wegen "Mobbings am Arbeitsplatz" getötet. Die BG lehnte daraufhin die Leistungsgewährung ab. Dagegen klagte die Witwe - mit Erfolg.

Die Rechtslage: Definition eines Arbeitsunfalls

Die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) hat Leistungen zu erbringen, wenn der Tod des Versicherten auf einem Arbeitsunfall beruht. Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn ein Ereignis von außen auf den Körper einwirkt und nicht auf Freiwilligkeit beruht (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).

Grundsätzlich ist eine Selbsttötung als absichtliche Eigenverletzung kein Arbeitsunfall. Sie kann aber ausnahmsweise Folge eines betriebsbedingten Ereignisses sein und damit als Arbeitsunfall die Leistungspflicht der GUV begründen.

Die Entscheidung des LSG: BG zahlt Witwenrente

Die Entscheidung: Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat der Witwe Hinterbliebenenleistungen der GUV zugesprochen (Urteil v. 29.04.2008, L 18 U 272/04). Als Unfallereignis hat das LSG nicht die Selbsttötung angesehen sondern auf Einwirkungen auf den Versicherten im Betrieb abgestellt. Diese Einwirkung sei ein Arbeitsunfall, wenn sie zeitlich auf eine Arbeitsschicht begrenzt sei (ständige Rechtsprechung).

Für die Annahme eines Arbeitsunfalls reicht es daher nicht aus, dass die Situation am Arbeitsplatz erst über einen längeren Zeitraum hinweg in ihrer Gesamtheit zum Freitod-Entschluss führt. Mach diesen Maßstäben dürfte Mobbing kein Arbeitsunfall nach dem Recht der GUV sein, da das entsprechende Verhalten regelmäßig nicht auf eine Arbeitsschicht begrenzt ist.

Unfallereignis: Betriebliche Einwirkung auf einen Arbeitstag begrenzt

Findet dagegen eine betriebliche Einwirkung statt, die auf einen Arbeitstag begrenzt ist, z.B. ein Personalgespräch, polizeiliche Ermittlung, tätliche Auseinandersetzung usw., kann ein Unfallereignis vorliegen. Im konkreten Fall hat das LSG angenommen, die psychische Belastung "eines" Personalgespräches habe beim Versicherten einen psychischen Schock ausgelöst und zu einer mentalen Störung von Krankheitswert (Depression) geführt. Als Arbeitsunfall sei das Personalgespräch anzusehen, der Freitod selbst wäre nach dieser Entscheidung eine unfreiwillig eingetretene Unfallfolge.

Fazit: Unterscheidung von Ursache und Wirkung

Die Selbsttötung ist als Folge eines Arbeitsunfalls zu entschädigen, wenn ein Unfall im Sinne einer massiven psychischen Einwirkung auf den Versicherten im Rahmen seiner Tätigkeit vorliegt, der einen psychischen Ausnahmezustand und schließlich die Selbsttötung kausal herbeiführt.

Fortgang des Verfahrens noch offen

Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat, wird das Urteil rechtskräftig, wenn die BG keine Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG einlegt (§§ 160, 160a SGG).Die Erfolgsaussichten dieses Rechtsmittels sind statistisch eher gering. Auch inhaltlich dürfte sich das BSG nicht von Vorgaben des BSG nicht unzulässig weit entfernt haben. (Bayerisches LSG, Urteil v. 29.04.2008, L 18 U 272/04) (oe)

Quelle: Haufe-Online-Redaktion, www.haufe.de