Selbstkritik pur auf dem Tech-Data-Forum 2003: Europa-Chef Dürst reißt das Ruder herum

15.05.2003
Bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen lud Broadliner Tech Data am 8. Mai wieder zum alljährlichen Tech-Data-Forum ein. Über 2.000 Kunden folgten dem Ruf des Broadliners nach München. Dieser stellte sich dem Unmut vieler kleinerer Kunden, versprach Besserung und schickte einige Neuerungen an den Start, die dem Distributor wieder den Spitzenplatz in Deutschland sichern sollen.

Auf dem Forum 2003 wurde deutlich, wie gezielt Tech Data wie-der die kleineren Kunden ansprechen will. So verkündete Andreas Dürst, Regional Senior Vice President Central Europe, in seiner Rede zur "neuen Tech Data": "Wir öffnen unsere Tore für kleine und mittelständische Händler. Und wir werden wieder die Nummer eins in Deutschland."

Die Tatsachen, dass Tech Data jüngst zum Beispiel die Bestellhotline für Basic Accounts wieder geöffnet hat oder dass die Grenze für den Mindermengenzuschlag von 250 auf 180 Euro gesenkt wurde, sprechen dafür, dass dies nicht nur leere Worte sind. Dennoch sind die Händler skeptisch. Viele, gerade kleinere Kunden, bestellen beim Mitbewerb und sehen keinen Grund, warum sie jetzt wieder wechseln sollten."Wir hätten jetzt schon ein akzeptables Volumen für Tech Data, aber warum sollten wir nach der arroganten Abfuhr von damals jetzt wieder zu denen wollen", beschwerte sich ein Händler im ComputerPartner-Onlineforum.

Es gibt aber auch Rückkehrer, wie die von Geschäftsführer Martin Furuseth und seinem Chef Andreas Dürst genannten Neukundenzuwächse zeigen. Gut 250 Prozent mehr Neukundenautorisierungen als im Januar und Februar habe man im April gehabt, wobei die Basis allerdings ein Geheimnis des Distributors bleibt. Der Neukunden-Counter auf der Cebit habe allein schon 250 Zugänge verzeichnen können. Einen solchen Counter gab es auch auf dem Münchener Forum. Er lockte zudem damit, dass die Autorisierung ab sofort nur mehr 24 Stunden und nicht mehr wie bisher fünf Tage braucht. Wie viele Anträge auf dem Forum abgegeben wurden, wurde von Tech Data nicht kommuniziert.

Klare Worte von Europa-Manager Dürst

Dürst ist sich im Klaren darüber, dass in der Vergangenheit nicht alles einwandfrei funktioniert hat. Dies hat er auch in seinem Vortrag auf dem Forum sehr deutlich gemacht. "Wir haben in der vergangenen Zeit die Orientierung im Markt verloren, weil wir uns zu viel mit internen Problemen beschäftigt haben", gab Dürst zu. Die Historie des Broadliners umschreibt Dürst folgendermaßen: Man sei Marktführer gewesen, aber zunehmend langsamer geworden - nach innen gerichtet, zufrieden. Außerdem habe Tech Data nicht immer den Preispunkt gefunden und sei zu kundenunfreundlich gewesen - zu sehr auf die Großkunden fokussiert.

Ab jetzt, so Dürst, werde alles besser. "Sie können wieder mit uns rechnen", erklärte er seinen Zuhörern. "In Zukunft stehen unsere Kommunikationswege auch all unseren Kunden offen", so Dürst und fügt ein weiteres Versprechen für die "neue Tech Data" an: "Wir hören wieder auf Sie." Dies unterstrich er mit dem Aufruf, die Kunden sollten sich ruhig an ihn persönlich wenden, wenn sie Schwachstellen zu vermelden hätten. Die harte Selbstkritik, die Dürst in seinem Vortrag an den Tag legte, kam jedoch nicht bei jedem gut an. Dies zeigte sich direkt nach dem Vortrag, als ihn ein Händler beim Wort nahm und ihn direkt ansprach: "Warum machen Sie Tech Data so schlecht?"

Offizieller Start von Tech Select auf dem Forum

Tech Data hatte neben vielen Entschuldigungen aber auch hand-feste Neuigkeiten zu berichten. Beispielsweise wird die HP-BTO-Fertigung zum 1. Juni wieder aufgenommen. Der Distributor hatte sich im Oktober 2001 davon verabschiedet und das Feld eine Zeit lang Actebis überlassen. Die individuelle Zusammenstellung der HP-Rechner erfolgt über den Top-Config-Online-Konfigurator, der ebenfalls ab Juni online geht. "Wir haben heute einen ganz anderen Ansatz und fangen nicht wieder da an, wo wir damals aufgehört haben", erklärt Deutschland-Geschäftsführer Furuseth den erneuten Einstieg. Beispielsweise fertige Tech Data heute nicht mehr selbst, sondern im Werk von HP in Grenoble.

Auch andere Online-Tools werden in den nächsten Wochen verbessert beziehungsweise durch neue ergänzt. Neben dem HP-Top-Config-Tool werden in den nächsten Wochen FSC-PC-Ar-chitect-Schnittstellen, Erma, EDI/XML, Eshop und Lion "ausgerollt", wie Dürst ankündigte.

Ein großes Thema auf dem Tech-Data-Forum war die SMB-Kampagne Tech Select. Im März wurde sie angekündigt, mit dem Forum ging sie offiziell an den Start (siehe ComputerPartner 11/03, Seite 14). Mittlerweile hat der Distributor fast alle Verträge mit den teilnehmenden Herstellern unter Dach und Fach: AVM, Belkin, Cisco, Fujitsu Siemens, Lexmark, Logitec, Samsung, Symantec und Toshiba. Nur ein Hersteller fehlt noch. Wer dies ist, wollte Tech Data noch nicht verraten.

Auch auf der Kundenseite sind bereits alle teilnehmenden Vertriebspartner an Bord. "Zunächst werden 450 Vertriebspartner in das Programm aufgenommen. Rund 700 weitere potenzielle Kunden haben ihr Interesse bekundet", erklärt Furuseth. Dass Tech Data mit dieser Exklusivität von 450 Händlern schon wieder einige Türchen vor zahlreichen Partnern zuschlägt, sieht Furuseth absolut nicht so. "Man kann nicht gleich im großen Stil anfangen", winkt er ab. Die Anzahl der teilnehmenden Partner müsse begrenzt werden, da ansonsten die Exklusivität und der Beratungsfokus nicht gegeben seien. Bis Ende des Jahres werden man auch bei den 450 Partnern bleiben. "Wir schließen aber nicht aus, dass andere Händler nachrücken, wenn einige ihre Ziele nicht erreichen", sagt Furuseth. Unglücklich ist nur, dass anscheinend noch nicht alle der 700 Interessenten darüber informiert wurden, dass sie erst einmal kein Tech-Select-Partner werden.

30 Prozent Umsatzzuwachs erste Partnerpflicht

Ein Ziel, das die Programmteilnehmer erreichen müssen, sind 30 Prozent Umsatzzuwachs zusammen mit Tech Data. Um dies zu schaffen, bekommen die Partner beispielsweise qualifizierte Leads. Schon jetzt stehen rund 200 Leads im Online-Tool bereit. Furuseth erklärt: "Das sind Endkunden, die tatsächlich kaufen wollen, also handelt es sich um hochqualifizierte Leads." Laut Tech Data entsprechen sie etwa einem Umsatzvolumen von 450.000 Euro. Die Verteilung der Endkundenkontakte geschieht über Online-Tracking. Der Partner, der sich in Region und Qualifikation am besten für den potenziellen Kunden eignet, bekommt den Zuschlag. Wie sehr die Händler momentan über Tech Data auch schimpfen mögen, über Besuchermangel konnte sich der Distributor beim Forum 2003 nicht beklagen. Mehr als 2.000 Kunden hatten den Weg zu der alten Fabrikhalle der ehemaligen Deckel-Werke in München gefunden. Dass mit rund 70 Ausstellern weniger Hersteller beim Forum vertreten waren als beim Mitbewerb, ist für Furuseth kein Drama. "Wir haben ja insgesamt nur etwa 120 gelistete Hersteller. Diese sind aber dafür auch aktiv. Mit den hier anwesenden Ausstellern generieren wir mehr als 80 Prozent unserer Umsätze", führte er aus.

Neben der Ausstellung konnten die Kunden zudem den ganzen Tag aus verschiedenen Herstellervorträgen wählen, darunter waren Workshops von IBM, Fujitsu Siemens, AVM oder Microsoft. Last, but not least hatte Tech Data den CDU-Politiker Heiner Geißler nach München geholt, der den Händlern Rede und Antwort zur wirtschaftlichen Situation in Deutschland stand. Den krönenden Abschluss bildete wie immer die Tech-Data-Party in der Münche-ner Disco Musikpalast. Schließ-lich hatte der Distributor ja auch noch einen runden Geburtstag zu feiern, denn die Gründung der ehemaligen Computer 2000 jährt sich in diesem Jahr zum 20. Mal (siehe Kasten).

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf Seite 10. (gn)

Meilensteine: von Computer 2000 bis Tech Data in 20 Jahren

1983: Computer 2000 wird von Jochen Tschunke, Axel Schulze und Udo Lichtenecker gegründet.

1984: Erste Auslandstochter in der Schweiz, Gründung der Software 2000

1985: Ableger in Österreich

1988: Computer 2000 geht an die Börse, Auslandstochter in Spanien, Gründungen: CAD Competence Center, Print 2000, Axxam GmbH

1989: Tochter in Belgien, Gründung der Workstation 2000

1990: Niederlassung in England; das erste C2000-Forum findet statt.

1991: Töchter in Italien, Skandinavien, Frankreich, Übernahme von Access/Agora, Walter von Szczytnicki im Vorstand von C2000.

1992: Der Umsatz überschreitet die magische Grenze von 1 Milliarde Mark; Frankreich, Ungarn.

1993: Übertragung des operativen Distributionsgeschäfts auf die neu gegründete Tochtergesellschaft Computer 2000 Deutschland GmbH.

1995: Start Logistikzentrum in Moers, Tschunke verlässt C 2000, Investition in Ameriquest und Einstieg in amerikanischen Markt, "Intouch" in der Version 3.1.

1998: Die Tech Data Corp., Clearwater, Florida, übernimmt die Aktienmehrheit der Computer 2000 AG.

1999: Logistikstandort Bischofsheim, Start Hewlett-Packard-Assemblierung, Gründung Business Unit "Telekommunikation".

2002: Offizieller Namenswechsel von Computer 2000 Deutschland zu Tech Data Deutschland. (gn)