Wenn man derzeit mit Sicherheitsanbietern spricht, bekommt man meist Positives, aber auch Widersprüchliches zu hören. Eitel Freude herrscht bei vielen Antivirenherstellern - solange man sie nicht auf Microsoft anspricht. Die meisten weisen mögliche Auswirkungen zurück, die der Kauf der rumänischen Softwareschmiede GeCAD durch die Gates-Company vor etwa einem halben Jahr auf das eigene Geschäft haben könnte. Tacheles reden nur Anbieter, die nicht direkt betroffen sind.
"Man kann davon ausgehen, dass der Nachfolger von Windows XP mit einer Antiviruskomponente ausgestattet sein wird. Das wird natürlich eine große Auswirkung auf den Markt der privaten Endanwender haben", sagt beispielsweise Helmut Haslbeck, Managing Director bei Trend Micro Deutschland. Microsoft sei ja sehr geschickt darin, die Kunden zu binden. "Ich könnte mir gut einen 'Alfred Antivirus' vorstellen, der einem zuwinkt: 'Haaaallooooo, möchtest du nicht einen Viren-Pattern-Vertrag für zwölf Monate zur Sicherheit deines PCs abschließen?'" Etablierte Anbieter würden hier bald Gegenwind verspüren.
Aber vielleicht verträgt der boomende Markt auch einen weiteren Teilnehmer. Marktforscher wie Frost & Sullivan rechnen jedenfalls weiterhin mit starken Zuwächsen beim Verkauf von Antivirenlösungen. Von zwei Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr sollen sich die Umsätze bis 2004 auf vier Milliarden US-Dollar verdoppeln. Abzuwarten bleibt, wie groß das Stück des weltgrößten Softwareherstellers an dieser Sahnetorte sein wird.
Aber das ist aktuell nicht die größte Sorge. Die schlimmste Bedrohung für Unternehmen liegt nach Ansicht des Virenexperten Toralv Dirro, Security Lead SE bei Network Associates, in "Hacker-Würmern". "Angreifer haben erkannt, dass es Vorteile bringt, wenn sich Viren automatisch verbreiten. Auf der anderen Seite haben auch die Hacker gesehen, dass man mithilfe eines Wurms sehr schnell sehr viele Systeme kompromittieren kann", so Dirro. "Einige der Würmer aus der letzten Zeit kommen eindeutig aus der Hacker-Szene." Das vergangene Jahr habe gezeigt: "Antivirensignaturen müssen schneller verteilt werden!"
Appliances auf dem Vormarsch
Einen anderen Trend hat Jan Hichert, CEO von Astaro, verzeichnet: "Wir hatten gerade wieder eine Investitionsrunde mit neuem Venture Capital und sind in der glücklichen Lage, dass unser Low-Cost- und One-in-Only-Approach bei den Kunden gut ankommt, weil viele jetzt Linux ausprobieren wollen." Das Unternehmen stellt mit "Security Linux V4" ein "All-in-One-Sicherheits-Gateway" her, das Firewall, Remote-Access, Proxy, VPN, Anti-Spam, Antivirus und Content-Filtering umfasst. Allerdings sei das "mittlerweile kein Alleinstellungsmerkmal mehr, weil alle auf diesen Zug aufspringen", so Hichert.
Das Unternehmen bündelt unter einer Oberfläche ein ganzes Set aus verschiedenen Sicherheitslösungen aus der Open-Source-Szene und von Herstellern wie beispielsweise Cobion oder Solsoft. Hichert sieht darin den großen Vorteil: "Kunden kommen zu uns und sagen: 'Wir hatten einen Studenten, der hat uns eine super Linux-Firewall installiert, die läuft seit zwei Jahren an sieben Orten. Aber der ist nicht mehr da, wir haben keine Ahnung. Helft uns!' "
Neben den All-in-One-Geräten kommen auch immer mehr spezialisierte Sicherheitslösungen wie etwa die SSL-VPN-Appliance "EX-1500" von Aventail in Deutschland auf den Markt. Nach Aussage von Regional Director Jason Goode existiert die EX-1500 überhaupt erst seit Januar 2003 als eigenständiges Produkt. Das Stammgeschäft von Aventail in den Staaten ist das Angebot von Managed-SSL-VPN-Services. Goode will bis zum Ende des ersten Quartals 2004 etwa 10 bis 15 Fachhandelspartner gewinnen, die die EX-1500 anbieten wollen. Den SSL-VPN-Dienst werde man vorerst in Deutschland nicht aufbauen. "Ich bin darauf fokussiert, Geräte zu verkaufen", so Goode. Laut Frost & Sullivan lag der Marktanteil von Aventail bei SSL-VPN-Appliances bereits sechs Monate nach der Produkteinführung bei zehn Prozent.
Meinung des Redakteurs
Microsoft drängt in den Security-Markt, und kein Anbieter will davon betroffen sein? Das ist wenig glaubwürdig, auch wenn die Branche versichert: "Uns berührt das nicht, wir sind ja ganz anders aufgestellt." Im kommenden Jahr wird man allerdings sehen, was passiert, wenn Millionen Anwendern plötzlich ein "Alfred Antivirus" zuwinkt ... Dann werden sich wohl einige Antivirenhersteller warm anziehen müssen.