"Warum müssen wir überhaupt etwas sagen, wenn wir angegriffen werden?", fragt Petra Schächtele-Philipp, seit über 20 Jahren Deutschlands Expertin für die elegante Schlagfertigkeit. "Überhören", so sagt sie, "kann bereits eine sehr gute Antwort sein. Der englischen Königin wie auch der deutschen Bundeskanzlerin wird nachgesagt, dass sie stets nur hören, was sie wirklich wollen. Selektiv hören war auch eine Methode, die unseren Vorfahren zur Zeit der Hörrohre unterstellt wurde."
Gemeinsam mit ihrem Stuttgarter Mitautoren Peter Kensok schrieb Petra Schächtele-Philipp das Buch "Einfach schlagfertig - Zehn Methoden, die jeder anwenden kann " (BusinessVillage-Verlag, Göttingen). Jeder kann die Methoden anwenden, und doch bremsen die Autoren im Hauptkapitel die Erwartung, dass es eine 100-prozentige Garantie gibt, schlagfertig jeden Angreifer niederringen zu können.
Eine Sache des Wohlbefindens
"Gelungene Schlagfertigkeit hat immer auch mit dem eigenen Wohlbefinden zu tun", sagt Petra Schächtele-Philipp. "Schon wenn wir uns nach einer eigentlich unangenehmen Begegnung noch immer gut fühlen, haben wir gewonnen. Schließlich hat der Angreifer sein Ziel nicht erreicht - und die Augenhöhe bleibt erhalten."
In diesem Sinn will auch das schlagfertige "Überhören" gelernt sein. Denn ein Angreifer merkt nur an unserer Reaktion, ob er mit einer Bemerkung ins Schwarze getroffen hat. "Bleiben Sie also aufrecht und halten Sie den Blickkontakt etwa drei Sekunden, ohne etwas zu sagen. Danach brechen Sie den Blickkontakt bewusst ab. Dem anderen zu lange in die Augen zu schauen, könnte ihn ansonsten ermuntern, noch etwas nachzulegen", sagt Peter Kensok. "Reagieren Sie entweder distanziert angemessen - oder sprechen Sie über etwas ganz anderes!"
Auf keinen Fall den Blickkontakt meiden!
Den Blick zu früh abzuwenden, davon raten die Stuttgarter Autoren ab. Diese Unterlegenheitsgeste bestätige den Angegriffenen als Opfer und könne sogar als Schuldgeständnis wirken. Wem es schwer fällt, in solchen Situationen den Blick zu halten, der übt dieses "beredte Schweigen" am besten mit einer Person seines Vertrauens. Petra Schächtele-Philipp: "Schon bald werden Sie in der Lage sein, auch ohne Worte klar auszudrücken, dass Sie gar nicht die Absicht haben, auf jeden Blödsinn hin ihre Worte zu verschwenden!"
Schlagfertige Schweiger sind übrigens in angenehmer Gesellschaft. Auf Amerikas legendären Präsidenten, Abraham Lincoln, geht dieses Zitat zurück: "Es ist besser zu schweigen und als Idiot verdächtigt zu werden, als zu reden und dadurch jeden Zweifel zu beseitigen."
Auch im Deutschen ist Schweigen schon immer goldiger als das Reden - sagt just der "Volksmund".
Pausen sind nach Ansicht der Autoren im Zusammenhang mit den zehn Methoden, die jeder anwenden kann, eine Möglichkeit gelungener Schlagfertigkeit. Sie wirken bedeutungsvoll, erhöhen den eigenen kommunikativen Status und helfen Zeit für eine mögliche Antwort zu gewinnen. Ob wir die dann auch aussprechen, hängt davon ab, ob wir das Spiel unseres Gegenübers überhaupt mitmachen möchten.
Die perfekte Antwort verhindert Schlagfertigkeit
"Oft blockiert uns die Suche nach einer perfekten Antwort, schlagfertig zu sein", sagt Peter Kensok. "Seien Sie also am Anfang zufrieden, überhaupt eine Antwort zu haben - selbst wenn Sie diese dann doch für sich behalten. Brillanz und Originalität brauchen Zeit und sind in Situationen für Schlagfertigkeit selten wirklich nötig."
Als Erste-Hilfe-Maßnahme bieten Petra Schächtele-Philipp und Peter Kensok in ihrem BusinessVillage-Buch Standardsätze als eine Methode der Schlagfertigkeit an: "Standards funktionieren in 95 Prozent aller Fälle. Durch Standards gewinnen Sie ähnlich Zeit wie durch >Überhören<. Sie haben damit jedoch immer einen Satz parat, falls Sie Ihren ganz natürlichen Antwortreflex noch nicht unter Kontrolle haben."
Als Standards bieten sich zum Beispiel an:
Das ist Ihre Sicht. Ich sehe das folgendermaßen …
Ich denke darüber nach und gebe Ihnen morgen Bescheid.
Wie darf ich Ihre Aussage verstehen?
Vorbereitung ist in der Schlagfertigkeit mehr als die halbe Miete. Sätze wie oben schaffen Distanz, ohne dass wir dazu den Raum verlassen müssten. "Sie verhelfen uns zu einer Aura der Wehrhaftigkeit, die Schlagfertigkeit am Ende sogar überflüssig macht", sagt Peter Kensok. "Gute Schlagfertige sind sich ihrer Gefährlichkeit bewusst und lassen sich nicht provozieren. Wie jahrelang trainierte Kampfsportler drücken sie durch ihre Präsenz aus, dass man besser die Finger von ihnen lassen soll. Wenn dann doch jemand die rote Linie überschreitet, darf er sich auch eine blutende Nase holen: Schlag! und Fertig!"
Mentaler Schutzschirm für die innere Distanz
Petra Schächtele-Philipp empfiehlt für die innere Distanz, sich zum Beispiel einen mentalen Schutzschirm zuzulegen, den Sie wie in einem Raumschiff aktivieren, sobald ein Meteoritensturm droht. "Was auch immer ihr Bild für Distanz und Unangreifbarkeit ist, erfüllt diesen Zweck. Sie können eine Panzerglasscheibe aus dem Boden fahren lassen, plötzlich die dicke Haut eines Elefanten haben oder wie ein Ritter das Visier herunterklappen. Auch ein vorgestelltes Bad in Drachenblut kann Sie unverwundbar machen."
Das Buch zum Thema:
Petra Schächtele, Peter Kensok: Einfach schlagfertig. 10 Strategien, die jeder anwenden kann, BusinessVillage 2015, ISBN: 978-3-86980-290-9, 21,80 Euro
Petra Schächtele-Philipp ist Deutschlands "Expertin für die elegante Schlagfertigkeit". Wie Schlagfertigkeit einfach geht, vermittelt sie in Trainings, Vorträgen und als Bloggerin. Die studierte Informatikerin, Rhetorikerin, Soziologin und Autorin lebt in Stuttgart.
Peter Kensok ist Kommunikationstrainer und Coach. Er entwickelte unter anderem ein Verfahren zum Werte-Management für Einzelpersonen und Unternehmen, das er international unterrichtet. Der gelernte Journalist lebt in Stuttgart.