Viele Fach- und Einzelhändler stehen unter einem enormen Existenzdruck. Denn aufgrund des sich immer stärker etablierenden Online-Handels verlieren sie massiv Kunden. Zudem sinken ihre Margen.
Auf diese Marktsituation reagieren die meisten stationären Händler mit folgenden zwei Strategien:
Strategie 1:
Sie senken ihre (Lohn-)Kosten und setzen in ihren Stores weniger sowie günstigeres, oft ungelerntes Personal ein - unter anderem, um mit den Preisen der Online-Händler einigermaßen konkurrieren zu können.
Strategie 2:
Sie versuchen sich als Marken- oder Premiumanbieter zu profilieren, die durch eine geschickte Inszenierung, eine attraktive Sortiments- und Preisstruktur sowie eine gute Beratung ihren Kunden positive Kauferlebnisse vermitteln und diese so an sich binden.
Beide Strategien können kurzfristig zielführend sein. Mittel- bis langfristig hat Strategie 1 gegenüber Strategie 2 jedoch den Nachteil: Die Händler lassen sich auf einen Preiskampf mit dem Online-Handel ein - einen Kampf, den die stationären Händler letztendlich nur verlieren können. Denn sie benötigen eine andere Infrastruktur als die Online-Händler und haben deshalb auch eine andere Kostenstruktur. Mittel- und langfristig erfolgversprechender ist Strategie 2 - obwohl sie schwieriger als "Kostensenkungsprogramme" zu realisieren ist.
Auf der nächsten Seite lesen, welches die Erfolgsfaktoren eines Erlebnis-Stores sind.
Die Erfolgsfaktoren eines Erlebnis-Stores
"In dieses Geschäft gehe ich öfter, denn da finde ich immer etwas für mich…" Oder: "…. da werde ich toll beraten." Oder: "…. da sind die Verkäufer super-nett." Das sagen oder denken Kunden, die ein tolles Einkaufserlebnis hatten. Doch wie verschaffen Händler ihren Kunden ein solches Erlebnis? Wie begeistern sie diese?
Ein erfolgreicher Store lebt vom optimalen Zusammenspiel folgender drei Komponenten:
1. Sortiment und Preis
Das Sortiment muss den Kunden ansprechen und ihm ein gutes Preis-/Leistungs-Verhältnis bieten. Dabei fließen in die Entscheidung, was für den Kunden ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis ist, viele Faktoren ein. Zum Beispiel die Frage: Wie einfach ist das Geschäft zu erreichen? Wie professionell werde ich dort beraten? Wie gut ist der (After-Sales-)Service? All diese Faktoren beeinflussen mit, ob ein Kunde einen Preis als "angemessen" empfindet und eventuell sogar bereit ist, für ein Produkt et-was mehr als bei einem Mitbewerber (im Internet) zu bezahlen.
2. Inszenierung
Ein guter Store lebt von einer Inszenierung, die auf seine Zielgruppe abgestimmt ist. Wie dies geht, demonstrieren der Textil-Einzelhändler Hollister und die Apple-Stores eindrucksvoll. Hier springt den Kunden die gelungene Markeninszenierung direkt an, und sie polarisiert die Kunden zu Fans und Anti-Fans. Auch für Fach- und Einzelhändler, die ihren Kunden keine hochpreisigen und beratungsintensiven Produkte offerieren, ist das Inszenieren einer Storebühne von Vorteil. Als Beispiel hierfür kann der Buchhandel dienen. Viele Personen lieben es, in Buchläden einfach so, ohne Beratung zu stöbern. Dabei ist nicht die Zahl der Bücher und Regale erfolgsentscheidend. Wichtiger ist, dass die Kunden sich im Laden wohl fühlen - zum Beispiel aufgrund der relaxten und kommunikativen Atmosphäre sowie der Leseecken, die zum Verweilen animieren.
3. Mitarbeiter
Doch auch für die beste Inszenierung gilt: Sie schafft nur den erforderlichen Rahmen. Letztlich sind es die Menschen "auf der Bühne", also die Verkäufer, die überzeugen und faszinieren müssen. Deshalb beschäftigen erfolgreiche Store-Ketten meist relativ wenig Mini-Jobber. Denn sie wissen: Wir brauchen gut geschultes und eingearbeitetes sowie hoch motiviertes Personal. Denn letztlich können wir nur mit einer Top-Beratung und einem Top-Service unsere Kunden begeistern und langfristig an uns binden.
Überzeugenden Auftritt der Mitarbeiter kreieren
Ein Top-Store braucht ein überzeugendes Sortiment und eine gute Inszenierung. Doch diese entfalten nur ihre Wirkung, wenn zugleich die Mitarbeiter mit Kundenkontakt Top Performer sind. Denn ein un-freundlicher oder unmotivierter Mitarbeiter macht die beste Inszenierung zunichte. Entsprechendes gilt für Verkäufer, die nicht über die vom Kunden gewünschte fachliche Kompetenz verfügen. Umgekehrt kann jedoch ein freundlicher und zuvorkommender sowie Herzlichkeit ausstrahlender Mitarbeiter durchaus gewisse Inszenierungsmängel ausgleichen. Das müssen die Mitarbeiter nicht nur verstehen - sie müssen es im Geschäftsalltag auch leben.
Deshalb sollten Storemanager zum Beispiel in Personalauswahlgesprächen darauf achten, ob die Bewerber die für den Verkauf in ihrem Store nötigen Grundvoraussetzungen mitbringen. Denn die Lust am Kontakt mit Menschen und die Freude daran, Dienstleister zu sein, lassen sich ebenso wie eine positive Lebenseinstellung und somit Ausstrahlung nur bedingt trainieren.
Die Mitarbeiter Schritt für Schritt entwickeln
Bei der Kompetenz von Verkäufern lassen sich drei Stufen unterscheiden: Grundkompetenz, Standardkompetenz und Topkompetenz.
Zur Grundkompetenz gehören:
- Herzlichkeit
- Höflichkeit-
- Grundkenntnisse des Sortiments
- Freude am "Dienen"
Zur Standardkompetenz zählen:
- Interesse am Bedarf des Kunden
- durch Fragen Bedarf wecken
- Zusatzverkäufe und weitere Empfehlungen
Zur Top-Kompetenz gehören:
- Blick für das Ganze im Store und beim Kunden
- höchste Kontaktfähigkeit mit dem Kunden
- Verkäufer steht im Mittelpunkt der Store-Bühne
- Markenwelt in Erlebniswelten übersetzen
Bis ein neuer Mitarbeiter die Topkompetenz-Stufe erreicht hat, vergeht Zeit. Und den Weg dorthin legen Mitarbeiter meist nur zurück, wenn sie im Arbeitsalltag spüren: Mein Vorgesetzter, also zum Beispiel der Storemanager oder Geschäftsführer, erwartet von mir nicht nur, dass ich diese Entwicklung durchlaufe, nein, er unterstützt mich hierbei auch.
Dabei gilt: Eine "solide" Grundkompetenz sowie die Standardkompetenz kann man Verkäufern durchaus in Verkaufstrainings vermitteln, beim Entwickeln der Topkompetenz helfen Schulungen und Seminare jedoch kaum. Denn hierdurch entsteht nicht die im Kundenkontakt nötige Verhaltenssicherheit.
Store-Mitarbeiter coachen, Kompetenz entwickeln
Was ist aber die Alternative zu Training und Schulung? Coaching durch den Storemanager im Verkaufsalltag! Das heißt, die Storemanager müssen ihre Rolle neu definieren. Sie müssen einerseits Führungskräfte und Vorbilder für ihre Mitarbeiter sein, und andererseits "Storecoachs", die ihren Mitarbeitern eine Rückmeldung über ihr Verhalten im Kundenkontakt geben und deren Kompetenz gezielt entwickeln.
Storecoach sein, bedeutet: Die Storeleiter spielen nicht selbst die Hauptrolle in ihrem Store. Sie treten bewusst als Regisseure der Inszenierung in den Hintergrund und bringen stattdessen ihre Mitarbeiter in die Hauptrolle. Das erfordert eine veränderte Aufgabenverteilung in den Stores und ein verändertes Zeitmanagement bei den Storeleitern - damit sie mehr Zeit für das Coachen ihrer Mitarbeiter haben.
Storecoaching geht davon aus: Die Mitarbeiter bringen die erforderlichen Potenziale mit, um die Top-Kompetenz-Stufe zu erreichen. Und der Storemanager als Coach? Er unterstützt die Mitarbeiter aktiv dabei, diese Potenziale freizulegen. So wie die Kunden im Verkaufsgespräch im Mittelpunkt stehen, so stehen die Mitarbeiter beim Storecoaching im Zentrum der Aufmerksamkeit - was an sich schon motivierend wirkt und die Mitarbeiter bindet.
Die Kompetenz gezielt entwickeln
Beim Storecoaching sollten Führungskräfte die drei Kompetenzstufen im Blick haben, damit sie
- die richtigen Mitarbeiter auswählen und (be-)fördern,
- neue Mitarbeiter gut integrieren und
- die erfahrenen Mitarbeiter entwickeln.
Bei der Personalauswahl stellt sich ein Storecoach, um zu ermitteln, ob ein Bewerber über die gewünschte Grundkompetenz verfügt, unter anderem folgende Fragen:
- Welche innere Haltung zeigt der Kandidat?
- Welches Verhältnis hat er zum "Dienstleister-Sein" und "Dienen"?
- Wie authentisch ist seine Körpersprache?
- Wie klingt seine Stimme?
- Wie fachlich fit ist er bereits beziehungsweise inwieweit traue ich ihm zu, sich das nötige Wissen und Können anzueignen?
Beim Integrieren und Entwickeln neuer Mitarbeiter fragt sich ein Storecoach unter anderem:
- Wie gut kann der Mitarbeiter bereits die Beratungsgrundsätze unseres Stores umsetzen?
- Wie präzise schätzt er Kundenwünsche ein?
- Inwieweit reagiert er gelassen auf Stress im Store und wie serviceorientiert bleibt er in solchen Situationen?
- Beherrscht er das Wechselspiel zwischen Loslassen und Aktiv-beraten?
- Wie geht er mit kritischen Situationen um?
- Erkennt er, wenn er Hilfe benötigt, und holt er sich diese?
- Wie fragt er und hört er aktiv zu?
Beim Entwickeln von erfahrenen Mitarbeitern zu Top-Verkäufern fragt sich ein Storecoach unter anderem:
- Wie gelassen geht der Mitarbeiter in die Beratung mit Kunden?
- Schafft er es, "Magnet" auf der Bühne zu werden?
- Kann er Kunden durch "Zielfragen" zum Produktwunsch führen?
- Kann er durch Auswirkungsfragen zusätzlichen Bedarf fördern?
- Kann er Kunden ein kritisches und wertschätzendes Feedback geben?
- Übernimmt er Verantwortung für die Inszenierung im Store?
Aufgrund seiner Beobachtungen entwickelt der Storemanager beziehungsweise -coach mit seinem Mitarbeiter dann einen individuellen Lösungs- und Entwicklungsplan. Außerdem unterstützt er ihn mit gezielten Coaching-Interventionen beim Umsetzen der einzelnen Entwicklungsschritte.
Storecoaching kann man lernen
Storeleiter, die ihre Mitarbeiter coachen und deren Kompetenz sukzessiv entwickeln, entwickeln damit zugleich einen langfristigen Wettbewerbsvorteil für ihren Store. Und das Schöne daran ist: Storecoaching kann man lernen, und es macht Spaß. Und die Freude der Mitarbeiter und der Führungskräfte an ihrer täglichen Arbeit im Store überträgt sich direkt auf die Kunden und deren Kaufverhalten. (oe)
Der Autor Klaus Kissel ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm - Institut für Salesmanagement, Urbar (bei Koblenz), das unter anderem offene und firmeninterne Weiterbildungen zum Sales-Coach durchführt. Er ist Autor der Bücher "Sales Coaching: Wirksam führen im Vertrieb" und "Das Prinzip der minimalen Führung: Effektives Führen darf auch leicht sein!"
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