Platform as a Service

SAP will seine Cloud mit Service Marktplatz aufwerten

22.03.2016 von Martin Bayer
SAP baut weiter an seiner Cloud-Plattform. Kunden und Partner sollen auf der HANA Cloud Platform (HCP) Erweiterungen und Add-ons für bestehende SAP-Systeme entwickeln können. Aber auch andere Softwareanbieter will SAP-Vorstand Bernd Leukert einladen, in die SAP-Cloud zu wechseln.

So ganz können SAP-Anwenderunternehmen offensichtlich nicht von alten liebgewonnenen Gewohnheiten lassen. Nach wie vor besteht vielfach der Wunsch, SAP-Systeme kundenspezifisch anzupassen. Kunden wünschten sich, dass SAPihre Implementierungspartner ausbildet und in die Lage versetzt, Erweiterungen auf der SAP HANA Cloud Plattform zu bauen, berichtet der für Produkte und Innovation zuständige SAP-Vorstand Bernd Leukert. "Hier investieren wir derzeit massiv."

Das ist allerdings kein Selbstläufer, wie der SAP-Manager durchblicken lässt. "Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es die Implementierungspartner aus eigenem Antrieb angehen", sagt Leukert. Mittlerweile sei jedoch zu erkennen, dass sich die Partner nicht so recht aus ihrem bekannten Rahmenmodell und ihrer Komfortzone heraustrauen. "Bei der SAP HANA Cloud-Plattform muss man neu dazulernen", konstatiert der SAP-Vorstand.

Leukert geht allerdings nicht davon aus, dass der Grad der Anpassungen auf der neuen Plattform die gleiche Dimension erreichen wird, wie in der Vergangenheit. Implementierungspartner hätten früher mit R3 und ERP die Gelegenheit genutzt, tausende von Modifikationen und Veränderungen in die Systeme einzubauen. Heute nutzten Unternehmen dagegen die Chance, kundenspezifisch angepasste Systeme zu entschlacken. "Wenn Best Practices von SAP nicht mehr ausreichen, brauchen Bereichsleiter eine Genehmigung, um davon abzuweichen", berichtet der SAP-Manager aus der Praxis.

SAP denkt über Service-Marktplatz nach

Die SAP-Verantwortlichen denken außerdem darüber nach, auf ihrerCloud-Plattform einen Katalog verschiedenster Web Services anzubieten. Leukert nennt als Beispiele gängige Formate wie Landkarten oder Wetterdaten. "Daten, die man sich sonst als Partner oder Kunde selbst zusammensuchen muss", sagt der SAP-Mann. An dieser Stelle wünschten sich die Kunden, dass SAP einen solchen Servicekatalog zur Verfügung stelle.

Damit steht SAP allerdings erst am Anfang. "Hier müssen wir noch Erfahrungen sammeln", räumt Leukert ein. Es gibt unterschiedliche Modelle, diese Services an die Kunden weiterzureichen. SAP könnte ein Geschäftsmodell vordefinieren oder eine Flat Fee anbieten. Als Beispiel nennt Leukert Landkarten: Kunden müssten dann beispielsweise der SAP für eine bestimmte Zahl von Aufrufen einen Betrag X zahlen, beschreibt der SAP-Manager das Geschäftsmodell. SAP könnte aber auch als reiner Kataloganbieter auftreten und nur die APIs zur Verfügung stellen.

Das eigentliche Geschäft werde dann zwischen dem Kunden und dem Partner vereinbart. In diesem Modell ließen sich jedoch keine Skaleneffekte erzielen, sagt Leukert. "Wenn wir für mehrere Tausend Kunden sprechen, ist das natürlich eine andere Verhandlungsbasis, als wenn jeder Kunde einzeln seine Verhandlungen führt."

Das Marktplatzgeschäft in der Cloud ist nicht einfach. Erst kürzlich musste die mit großen Ambitionen gestartete Deutsche Börse Cloud Exchange nach nur wenigen Monaten ihren Betrieb einstellen. Hier müsse man erst dazulernen, sagt Leukert, deshalb sei SAP an dieser Stelle sehr vorsichtig.

SAP Hana Cloud soll keine reine SAP-Cloud bleiben

SAP will ihre SAP HANA Cloud Platform ganz klar als Platform as a Service (PaaS) im Markt positionieren. "Wir wollen nicht in den IaaS-Bereich, wo sich Microsoft mit Azure und AWS tummeln", stellt Leukert klar. SAP verfolge das Ziel, auch andere Softwarehersteller mit ihren Lösungen für die SAP-Cloud zu gewinnen. Leukert berichtet, dass bereits erste Salesforce-Partner Interesse gezeigt hätten. Der Grund: Die Geschäftspraktiken von Salesforce würden so manche Partner abschrecken und vergraulen. Der US-amerikanische SaaS-Spezialist locke Partner an, und baue - wenn deren Modell gut funktioniere - vergleichbare Angebote auf. Damit trete Salesforce in Wettbewerb mit seinen Partnern.

Das will SAP anders machen. "Wir teilen unsere Entwicklungsplanung und machen sie nach bestem Wissen und Gewissen transparent", verspricht Leukert. SAP sei auch bereit, mit potenziellen Partnern über eine Face-out Period zu sprechen. Damit garantiere SAP dem Partner für eine bestimmte Periode sein Business nicht anzugreifen. "In einer fairen Partnerschaft, die langfristig und nachhaltig sein soll, braucht man einen Ehrenkodex", sagt der SAP-Vorstand.

Während sich SAP hinsichtlich zusätzlicher Services für sein Cloud-Angebot offen zeigt, bleibt der größte deutsche Softwarehersteller an anderer Stelle unbeweglich. Zuletzt hatten Vertreter der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) wiederholt darauf gedrängt, die neue Business Suite S/4HANA auch für andere Datenbankplattformen zu öffnen. Viele bestehende SAP-Installationen laufen auf Datenbanken von IBM, Microsoft und vor allem von Oracle. "Wir haben den Wunsch wahrgenommen", sagt Leukert.

S/4HANA wird es nur für HANA geben

Das Statement der SAP bleibe aber ganz klar: "S/4HANA wurde für SAP HANA gebaut und designt. Und es wird auch nur für die HANA-Plattform freigegeben." Man habe bewusst die Entscheidung getroffen, mit S4/HANA ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, um Vorteile hinsichtlich der Geschwindigkeit zu erzielen, und auch durch die integrierten Business Libraries zu nutzen, begründet der SAP-Manager seine Strategie. Die Vereinfachung des Datenmodells in den Applikationen sei nur gelungen, indem Business Suite und S/4 getrennt wurden. Die Integration von Planungs-, Simulations- und Analysemöglichkeiten funktioniere nur, weil Predictive Libraries aus der HANA-Plattform genutzt würden. SAP werde noch einmal mit dem DSAG-Vorstand in Dialog treten und diesen Sachverhalt noch einmal erklären, kündigte Leukert an.

Das sei aber keine bewusste Entscheidung gegen etwas, erläutert Leukert. SAP habe jahrzehntelang datenbank-agnostisch entwickelt. Dabei hätte der Softwarehersteller das eine oder andere Mal an der SQL-Schnittstelle auf plattformspezifische Vorteile verzichtet. Diese hätten jeweils kundenspezifisch entwickelt werden müssen. "Das haben wir mit S/4HANA aufgegeben", sagt der SAP-Vorstand. "Wir sagen ganz klar: S/4HANA wird es nur für HANA geben."

Kunden mit der Business Suite verspricht Leukert, dass SAP zu seinen Zusagen stehe, dass alle Releases und neue Funktionen auch weiterhin alle gängigen Datenbankplattformen im Markt unterstützen werden. SAP will die Business Suite bis 2025 weiter unterstützen. Die langfristige Wartungszusage über zehn Jahre habe SAP bewusst gegeben, um den Kunden Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Die Interpretation, SAP werde die Business Suite dann 2025 vom Markt nehmen, sei jedoch falsch. "Diese Aussage haben wir so nie gemacht", stellt Leukert klar. Noch ist offenbar nicht entschieden, was danach passieren wird. SAP zufolge wäre es angesichts der rasanten Veränderungen im Markt verantwortungslos, jetzt schon verbindliche Zusagen zu geben, was über 2025 hinaus geschehe.

SAP will Technologie-Lieferant bleiben

"Die Geschwindigkeit zurzeit ist derart hoch, wie ich es in der Vergangenheit noch bei keiner Veränderung erlebt habe", berichtet der SAP-Manager. Die spannende Frage im Zuge der Digitalisierung ist aus Leukerts Sicht, ob die Unternehmen bereit sind, ihre Kompetenzen klar auf den Tisch zu legen und Partnerschaften einzugehen - auch industrieübergreifend, um solche Industrie-4.0- und IoT-Geschäftsmodelle zu etablieren. Aus Sicht des SAP-Vorstands sollten sich die Unternehmen, die mit dieser rasanten Geschwindigkeit mithalten wollen, starke Partner suchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Es sind Technologie- und Industriekompetenz erforderlich, um in dieser neuen Welt erfolgreich zu sein."

SAP versteht sich dabei als Technologielieferant. Leukert zufolge werde die Wertschöpfung vom Brand der Industrie kommen. "Jeder, der einen Service von Siemens nutzt, wird auch die Marke Siemens sehen." Die Technologieunternehmen würden die Kernkomponenten zur Verfügung stellen. "Ich glaube nicht, dass man Erfolg hat, wenn man das Geschäftsmodell der führenden großen Industrieanbieter herausfordert", sagt Leukert. Es sei denn, die Industrie ist nicht bereit, in die digitale Welt einzusteigen. Dann werde es über Startups und Wettbewerber möglich sein, diesen Markt disruptiv zu verändern.

Wer allerdings bereit sei, seine eigenen Geschäftsmodelle disruptiv zu hinterfragen, werde nach wie vor Erfolg haben. Leukert zufolge werde es aber kaum möglich sein, ein Unternehmen aus der Fertigung oder den Financial Services innerhalb weniger Jahre zu einem digitalen Unternehmen mit massiver Softwarekompetenz zu machen. "Wir werden also in eine Phase eintreten, in der Partnerschaften industrieübergreifend und sogar zwischen Wettbewerbern notwendig werden."