"Der Spiegel"

SAP ist Schauplatz eines "bizarren Wirtschaftskrimis"

07.09.2015 von Thomas Cloer
Ein ehemaliger interner Firmenprüfer behauptet einem Medienbericht zufolge, SAP habe sich für seine Software bei Ideen der Konkurrenz bedient. Der Walldorfer Konzern sieht sich indes als Opfer einer Erpressung.

SAP habe mit massiven Anschuldigungen zu kämpfen, schreibt "Spiegel Online". Ein ehemaliger Firmenprüfer werfe Europas führendem Softwarehersteller vor, sich an geistigem Eigentum von Wettbewerbern vergriffen zu haben. Der Konzern bestreite die Vorwürfe.

Zuletzt entwickelten sich die Geschäfte von Deutschlands einzigem Softwarehersteller von Weltrang, der aus Walldorf stammende SAP, positiv - auch dank des Erfolgs der Datenbanktechnologie Hana, die international rege Nachfrage findet. Schon mehr als 7200 Kunden weltweit nutzten die Technologie made in Germany in der ersten Jahreshälfte 2015 zur schnellen Datenanalyse, darunter Handelsketten wie Fressnapf, Logistik-Anbieter wie die Hamburger Port Authority und internationale Geheimdienste.

Hinter den Kulissen tobt um die Entwicklungsgeschichte des Erfolgsprodukts indes seit Jahren ein mit harten Bandagen geführter Streit, der mittlerweile auch Gerichte und Behörden in Deutschland und den USA beschäftigt, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" aktuell berichtet. Es beruft sich dabei auf interne SAP-Dokumente und Gerichtsunterlagen, die es gemeinsam mit dem ARD-Magazin "Fakt" auswerten konnte.

Ausgerechnet ein Mitarbeiter der internen SAP-Revision, der mit einer Untersuchung ("Audit") über den Entwicklungsprozess von Hana befasst war, wirft demnach dem Unternehmen vor, sich bei der Entwicklung eigener Produkte wie Hana am geistigen Eigentum von Wettbewerbern wie Oracle, IBM und Teradata bedient zu haben. Der Auditor, promovierter Jurist und US-Amerikaner, arbeitete seit Frühjahr 2011 bei dem Walldorfer Konzern, war auch in weitere sensible Prüfvorgänge eingebunden und seit Dezember 2012 krankgeschrieben.

Er ließ sich von seinem Vater, ebenfalls Jurist und Spezialist für geistiges Eigentum, in der Sache anwaltlich vertreten. Dieser konfrontierte im Frühjahr 2013 zunächst den damaligen Co-Vorstandssprecher Jim Hagemann Snabe und später die Compliance-Beauftragte von SAP mit den "massiven Anschuldigungen", die sich aus der Arbeit seines Sohnes ergeben hätten. Der Junior sei von Vorgesetzten aufgefordert worden, in vier seiner Revisionsberichte Tatsachen zu unterdrücken oder als weniger schwerwiegend darzustellen, heißt es weiter.

Von Snabes Compliance-Beauftragter nach längeren Verhandlungen um Ideen für eine gütliche Lösung gebeten, verlangte der Vater dann laut "Spiegel"-Bericht, das Unternehmen solle die Angelegenheit aus der Welt schaffen und seinem Sohn obendrein mehr als 25 Millionen Dollar bezahlen. SAP lehnte dies ab, kündigte dem Prüfer außerordentlich und erstattete Strafanzeige gegen ihn und seinen Vater.

Im Mai 2015 habe dann ein deutsches Gericht auf einen Strafbefehl gegen den Vater entschieden, der die Geldforderung erhoben hatte. Zuvor habe bereits ein Arbeitsgericht die Kündigung bestätigt, heißt es. Laut SAP geht der ehemalige Mitarbeiter allerdings beim US-Arbeitsministerium dagegen vor.

Die Geschichte von Oracle
Eine Zeitreise durch die Oracle-Geschichte
Oracle ist das Werk von Ellison, und es passt zu dem ehrgeizigen und charismatischen Gründer, dass er sein Hobby, das Segeln, professionalisiert. Mit Erfolg: Das Team gewann 2013 den America´s Cup.
Oktober 2015: Erster Oracle-Sparc kommt heraus
Auf der Kundenkonferenz OpenWorld stellt Larry Ellison mit dem M7 die erste Sparc-CPU vor, die komplett unter der Ägide Oracles geplant und gebaut wurde. Mit speziell für den Prozessor entwickelten und tief in der Hardware verankerten Security-Funktionen will der Hersteller die Sicherheit von Anwendungen und Daten verbessern - vor allem in Cloud-Umgebungen.
Februar 2015: Neuer Deutschlandchef
Frank Obermeier wird neuer Country Leader von Oracle in Deutschland. Obermeier kommt von Hewlett-Packard und löst Jürgen Kunz ab, der künftig als Senior Vice President Northern Europe die Geschäfte von Oracle in Nordeuropa verantwortet.
September 2014: Ellisons Paukenschlag
Nach 37 Jahren an der Spitze von Oracle gab Larry Ellison überraschend seinen Rücktritt als Konzernchef bekannt. Gründe nannte der 70-jährige nicht, Ellison will aber weiterhin als CTO für das Unternehmen wirken. Die bisherigen Stellvertreter Mark Hurd und Safra Catz sollen als Doppelspitze das Ruder übernehmen. Zugleich kündigte Oracle Aktienrückkäufe über 13 Milliarden Dollar an.
2011: Investition ins Cloud Computing
Hat Larry Ellison seine Spürnase für Erfolgstechnologien verloren? Ende 2011 hatte Oracle zwar den Cloud-CRM-Anbieter RightNow Technologies für 1,5 Milliarden Dollar gekauft, doch im Vergleich zu agileren Wettbewerbern wie Salesforce hängt das Unternehmen aus Redwood Shores hinterher. <br/><br/>Die „Computerwoche“ schreibt: „Nachdem Gründer und CEO Lawrence "Larry" Ellison noch vor wenigen Jahren über die IT-Wolke gelästert hatte und das Ganze als schnell vorübergehenden Hype abgetan hatte, muss er heute sehen, dass er nicht den Anschluss verliert“. Konkurrent SAP hatte sich 2011 für 3,4 Milliarden Dollar den Cloud-HR-Anbieter Successfactors einverleibt. Oracle legte mit der Übernahme von Successfactors-Wettbewerber Taleo an für 1,9 Milliarden Dollar nach.
2010: Mark Hurd wechselt von HP zu Oracle
Nur einen Monat nach seinem unrühmlichen Ausscheiden als CEO bei Hewlett-Packard (HP) kommt Mark Hurd zu Oracle. Ellison hatte zuvor Hurds Rauswurf heftig kritisiert "Das war die dümmste Personalentscheidung, seitdem die Idioten im Apple- Verwaltungsrat vor vielen Jahren Steve Jobs gefeuert haben." <br/><br/>In der Folge gab es einen erbitterten Streit zwischen den beiden Unternehmen, wobei es nur vordergründig um den Wechsel von Hurd ging: Oracle hatte die Unterstützung von Intels Itanium-Chips durch die eigene Software beendet und damit den Verkauf von HP-Server mit diesen Chips geschadet.
2009: Oracle kauft Sun Microsystems
Sun heißt jetzt Oracle. Der Datenbankspezialist hatte den Hardwarehersteller für 7,4 Milliarden Dollar eingekauft. Dabei ging es Ellison jedoch weniger um die etwas aus der Mode gekommene Hardware, sondern um die Software: Java und MySQL gehören jetzt Oracle.
2008: Übernahme von Bea Systems
Das Siebel On Demand CRM Release 15 kommt auf den Markt und Oracle kauft weiter ein, größter Brocken ist BEA Systems, ein Anbieter für Sercive-oriented Architecture, für 8,5 Milliarden Dollar. (Im Bild: Bea-CEO Alfred Chuang)
2007: Konsolidierung im BI-Markt
Der Markt für Business Intelligence ist auf Konsolidierungskurs, die großen Player werden geschluckt. Oracle macht im März den Anfang und kauft Hyperion für 3,3 Milliarden Dollar. Im Oktober schlägt SAP bei BusinessObjects zu und IBM im November bei Cognos. Der Kampf mit Rivale SAP spitzt sich zu: Oracle reicht in den USA eine Klage gegen wegen Urheberrechtsverletzung ein. Der Vorwurf: SAP habe Diebstahl geistigen Eigentums in großem Stil begangen und unerlaubt von einer Kundenbetreuungs-Web-Site „Tausende Softwareprodukte“ sowie anderes vertrauliches Material heruntergeladen. Erst in 2010 ist klar: SAP muss Oracle 1,3 Milliarden Dollar Schadensersatz zahlen.
2005: Siebel, die nächste Großakquisition
Kundenbeziehungs-Management wird immer wichtiger und Oracle schnappt sich den CRM-Marktführer Siebel Systems. Für rund 5,85 Milliarden Dollar wechseln Anfang 2006 die 5.500 Siebel-Mitarbeiter zu Oracle.
2004: Übernahme von Peoplesoft
Oracle übernimmt nach 18-monatigem erbitterten Widerstand Peoplesoft für 10,3 Milliarden Dollar und wird damit zum zweitgrößten Business-Software-Anbieter nach SAP. Erst 2003 hatte Peoplesoft den ERP-Hersteller J.D. Edwards für 1,7 Milliarden Dollar übernommen.
2000: Oracle entdeckt Linux
Die Open-Source-Bewegung nimmt Fahrt auf: “Im Jahr 2000 haben wir ein Linux-Engineering-Team gebildet. Dessen Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass Linux ein Betriebssystem wird, das sich für unsere Kunden im Rechenzentrum eignet”, erinnert sich Ed Screven, Chief Corporate Architect bei Oracle.
1998: Oracle Applications 11i
1998: Schon ein Jahr später geht der Hersteller in puncto Internet aufs Ganze: Oracle Applications 11i soll den Wandel von Client-Server- hin zu Internet-Computing einleiten, kurz darauf bekommt auch die Datenbank ein “i” für „Internet“ angehängt. “Wenn sich herausstellt, dass die Zukunft des Computings nicht im Internet liegt, sind wir erledigt. Aber wenn es die Zukunft ist, liegen wir goldrichtig“, sagte Ellison über die forsche Internet-Strategie von Oracle.
1997: Java kommt
1997 stellt Larry Ellison die neue Version Oracle8 der Datenbank vor, die mit dem Network-Computer (NC) arbeitet und die Daten an Thin-Clients liefert. Mit dem Application Server 4.0 stellt Oracle eine Lösung vor, die das Management von Business-Software zentralisiert und damit effizienter machen soll. Vor allem aber schlägt die Stunde der Programmiersprache Java. Der Hersteller kündigt mit Oracle Applications Release 10.7 NCA die weltweit erste Enterprise-Applications-Suite an, die auf offenen Standards basiert.
1995: Business Intelligence
1995 investiert der Datenbankriese in Business Intelligence und kauft die OLAP-Produktlinie (Express Server) von Information Resources Inc. für 100 Millionen Dollar. Außerdem beginnt das kalifornische Unternehmen nicht nur, seine Produkte über das Internet zu verteilen, sondern verkündet als einer der ersten Anbieter eine Internet-Strategie. Mit parallel queries lassen sich jetzt deutlich komplexere Datenbankabfragen gestalten.
1990: CFO Henley kommt an Bord
Nachdem sich bisher der Umsatz jedes Jahr verdoppelt hatte, geriet das Unternehmen 1990 das erste Mal in schwereres Fahrwasser. Oracle baute sein Management-Team um und ernannte Jeff Henley zum CFO. Henley brachte das Unternehmen wieder auf Spur und blieb bis 2004 CFO, danach wurde er Vorstandsvorsitzender. 1991 stellt Oracle eine Datenbank vor, die auf MPP (massively parallel processing) basiert und mit der sich deutlich schneller und billiger in Datenbeständen suchen lässt als mit dem Mainframe. 1993 kam Oracles Cooperative Development Environment (CDE) auf den Markt.
1989: Oracle zieht um
Neuer Firmensitz wird Redwood Shores. Ab jetzt unterstützt die Datenbank auch OLTP, Online Transaction Processing. Anders als zuvor bei der Batch-Verarbeitung ist die Echtzeit-Transaktionsverarbeitung Grundlage der modernen Geschäftsanwendungen, bei denen die Verarbeitung von Transaktionen direkt erfolgt. Zu sehen sind Bilder aus der Bauphase des Headquarters.
1987: Entwicklung von Applikationen
1987 beginnt Oracle, eigene Enterprise-Applikationen zu entwickeln, die auf der Datenbank basieren. In der Folge setzt der Datenbankhersteller jedoch auf Übernahmen im Bereich der Business-Software und konzentriert sich auf deren Adaption für die eigenen DBMS-Produkte. (Im Bild "Oracle Financials").
1986: Der Börsengang
Am 15. März 1986 ging Oracle an die Börse. 450 Leute arbeiten für den Datenbank-Hersteller. Auf dem Bild feiern unter anderem Ellison (Mitte) und Charles Phillips (damaliger Co-President, rechts) das 20-jährige Listing von Oracle an der Nasdaq.
1983: Die erste Datenbank
1982 benannte sich RSI nach seinem Produkt: Oracle. Ein Jahr später kam das neu in C programmierte Oracle V3 für Mainframes, Minicomputer und PCs auf den Markt. „Damals kamen die Datenbanken vom Hardware-Anbieter. Oracle bot als eines der ersten Unternehmen ein Datenbankmanagementsystem an, das auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen und Betriebssystemen laufen konnte“, sagt Ken Jacobs, Vice President Product Strategy bei Oracle über die Anfänge. Als erstes DBMS unterstützt die Version 5.1 von 1986 verteilte Abfragen und läuft in Client-Server-Umgebungen.
1977: Das erste Büro
Das allererste Büro hatte viel Ähnlichkeit mit Bill Gates Garage. 1979 benannte sich das Unternehmen kurz in Relational Software Inc. (RSI) um, Firmensitz wurde Menlo Park, Kalifornien. Zu den ersten Projekten gehörte eine Oracle-Datenbank für die Wright-Patterson Air Force Base. “Wenn du innovativ bist, musst du darauf vorbereitet sein, dass alle dir sagen, du spinnst”, sollte Larry Ellison später sagen.
1977: Die Gründung
Im August 1977 gründen Larry Ellison, Bob Miner und Ed Oates Software Development Laboratories (SDL). Ellison hatte sich zuvor durch eine theoretische Arbeit von Edgar F. Codd über relationale Datenbanken daran gemacht, ein zu IBMs System R Database kompatibles System zu schaffen. SDL schuf die allererste Version des Datenbanksystems Oracle. Auftraggeber: der Geheimdienst CIA. 1978 feiern die Gründer ihren ersten Firmengeburtstag. Von links nach rechts: Ed Oates, Bruce Scott, Bob Miner und Larry Ellison.

SAP musste in den vergangenen Jahren Wettbewerbern wie Oracle bereits Hunderte Millionen Dollar Schadenersatz überweisen. Sollten die Vorwürfe des Prüfers auch nur in Teilen zutreffen, könnten auf den Walldorfer Konzern weitere hohe Schadensersatzforderungen zukommen. Aus Kreisen von Teradata heißt es, man sei "gerade dabei, diese Angelegenheit gründlich zu untersuchen".

Das Unternehmen bestreitet aber alle Vorwürfe kategorisch. Man habe "den Sachverhalt sorgfältig geprüft und keine Belege dafür gefunden, dass SAP geistiges Eigentum verletzt hat". Im Übrigen vertraue das Unternehmen auf das deutsche und amerikanische Rechtssystem. Der Prüfer und seine Anwälte wollten sich gegenüber "Spiegel" und "Fakt" nicht äußern.