Ob aber ausgerechnet die erklärungsintensive Hana-Technologie mit den darauf laufenden komplexen Hadoop-Clustern sowie die ergänzenden Real-Time-Anwendungen SAPs neuen Slogan "Run Simple" unterstützen, muss sich erst noch zeigen.
Ein Rückblick auf die jüngste Sapphire, die am vergangenen Freitag in Orlando zu Ende ging, bestätigt die vorangegangenen Vermutungen: Einfachheit ist eine sehr komplizierte Angelegenheit! Zwar beschwor SAP-CEO Bill McDermott in seiner Keynote, dass man den eingeschlagenen Weg nach Vereinfachung bei den Angeboten und Lösungen konsequent weiter verfolgen will. Doch bei den Diskussionen um SAPs Produkte und Technologien wurde sehr schnell klar, dass vieles davon alles andere als einfach ist.
Das zeigt sich vor allem an der In-Memory-Technologie. Seit fast fünf Jahren versuchen die SAP-Manager und deren Technologie-Berater die Funktionsweisen und Vorzüge von Hana zu erklären. SAPs Aufsichtsratsvorsitzender und Hana-Vater, Hasso Plattner, hat in seinen letzten fünf Keynotes nahezu ausschließlich darüber gesprochen. Auch in der vergangenen Woche ging es ihm vor allem um Hana-Anwendungen, denn über die Technologie wollte er nicht mehr reden. Er meinte, dass diese inzwischen allgemein bekannt sei - und wer es noch immer nicht kapiert habe, der könnte es jetzt nachlesen. Zusammen mit dem SAP-Vorstandsmitglied Bernd Leukert hat er ein Buch darüber geschrieben (The In-Memory Revolution, How SAP Hana Enables Business of The Future, Springer Verlag). Darin benötigen die beiden 275 Seiten, um zu erklären, wie einfach Hana ist.
IoT - Siemens und SAP als Partner
Kompliziert ist auch die in Orlando angekündigte Partnerschaft mit Siemens im Bereich IoT. Danach will Siemens das Hana-System als Backbone für eine Reihe von Cloud-basierten Industrie-Lösungen einsetzen. Dazu gehören einerseits die eigenen Industrie-Lösungen Simatic, Sinumerik, Sinamics, Scalance und PCS7, sowie andererseits Industrie-spezifische Apps, OEM-Apps und Kunden-Apps. Allgemein wurde das so verstanden, dass SAP jetzt eine spezielle Hana-Version für IoT-Lösungen anbieten wird.
Doch dem ist nicht so. Hana eigne sich wegen seiner Performance für immense Online-Daten und die zugehörigen Analysen, und folglich auch für IoT-Lösungen, bestätigte SAPs Industrie-Verantwortlicher Nils Herzberg gegenüber der COMPUTERWOCHE. Das steuerungsrelevante Wissen wie die Technologie zur Anbindung der Industriemaschine komme jedoch komplett von Siemens.
Neue Geschäftsmodelle mit S/4 Hana
SAPs neuestes Produkt ist S/4 Hana, das bereits im Februar angekündigt wurde. Auf der Sapphire ging es jetzt vorwiegend darum, inwieweit sich die neue Technologie in Businessvorteile umsetzen lässt. Dazu gehört auch ein umfangreiches Cloud-Angebot für derzeit sechs Fachbereiche und für den On-Premise-Einsatz gibt es jetzt Lösungen für 25 Branchen - also für alle Bereiche, die SAP schon bislang unterstützt.
Eine Reihe an eindrucksvollen Beispielen bestätigten den ersten Eindruck von S/4: Es ist ein Powersystem, dessen Einsatzspektrum weit über die klassische ERP-Aufgaben hinaus reicht. Zu den beeindruckenden Anwendungsfällen gehört der Hamburger Hafen, der seine Umschlagkapazität deutlich erhöhen konnte, ohne die Hafen-Infrastruktur auszubauen. Hierzu nutzt man Hana, um die gesamte Logistik zu optimieren. Das heißt, alle Schiffe, LKWs, und Züge werden minutengenau gesteuert, sodass die Belegungszeit im engen Hafenbereich auf ein absolutes Minimum abgesenkt werden kann. Eine derart präzise Synchronisation erreicht man, in dem die erforderlichen Wartezeiten nicht mehr am Kai verbracht werden, sondern weit außerhalb der Hafenanlagen. Dort werden die jeweiligen Transportträger erst dann abgerufen, wenn alle an der Umladung Beteiligten eingetroffen sind. IT-technisch erfordert das den integrierten Einsatz von viel Telekommunikation, Echtzeit-Verarbeitung, Big Data und Predictive Analytics. Ein ideales Anwendungsspektrum also für Hana - aber ist es auch einfach?
Kritik an Lieferterminen
Bernd Laukert präsentierte in seiner Keynote die Vertreterin eines weiteren SAP-Kunden. Karenann Terrel ist CIO bei Wal-Mart, dem mit 2,2 Millionen Mitarbeitern und 485 Milliarden Dollar weltweit größten Handelskonzern. "Geschwindigkeit ist heute alles. Wer nicht schnell genug seine Transaktionen verarbeiten kann, wer sie nicht sofort umfassend analysiert und darauf aufbauend fundierte Entscheidungen treffen kann, der ist bald nicht mehr am Markt vertreten", gab sie als Begründung für die Zusammenarbeit mit SAP an. Doch sie war nicht nur des Lobes. "Ich hoffe, dass ich noch lebe, wenn Hana-Lieferung endlich eintrifft", war ihr deutlicher Seitenhieb an die SAP-Vertreter.
Kunden wollen noch nicht wechseln
Immerhin bestätigte Terrel, dass ein Hana-Einsatz auf Grund deutlich besserer Geschäftsvorteile sinnvoll sei. Ein Punkt, den viele SAP-Kunden derzeit noch anders sehen. In einer von Rimini-Street durchgeführten Befragung gaben 68 Prozent an, dass sie für S/4 Hana noch keine Geschäftsvorteile ausmachen können und folglich auch der Return-on-Investment unklar sei. Demzufolge sind auch die Pläne für einen Wechsel auf S/4 entsprechend dünn gesät. Nur 14 Prozent planen den Upgrade, 33 sagen ganz klar "Nein" und 52 Prozent sind unentschieden.
Zu denen, die sich aber definitiv auf einen Wechsel festgelegt haben, gehört die Daimler-Tochter Mercedes-AMG. Dort hat man vor anderthalb Jahren auf Wunsch der Muttergesellschaft das Hana-System installiert, und hat inzwischen viele gute Erfahrungen damit gemacht. "Die Performance ist beeindruckend. Sie erlaubt uns eine totale Datenintegrität mit einer zuvor unvorstellbaren Transparenz. Erstmals haben alle Mitarbeiter zu jeder Zeit dieselben Daten im Zugriff", schwärmt deren CIO Dirk Zeller. Sein Hana-Projekt wird derzeit von der Muttergesellschaft genauestens unter die Lupe genommen. "Es gibt zwar dort noch keine verbindliche Hana-Entscheidung, aber wir sind praktisch deren Test-Installation und das weitere Vorgehen wird stark davon abhängen, wie es bei uns läuft", sagt er über die weitreichende Bedeutung seiner Hana-Installation.
Praktikable Management-Informations-Systeme
Der von Zeller angesprochene Vorteil von einheitlichen Daten über alle Geschäftsbereiche hinweg, wird auch von Hasso Plattner gerne in den Mittelpunkt der Hana-Vorteile gerückt. So präsentierte er seine Vision einer Vorstandsrunde, bei der nicht mehr PowerPoint- und Excel-Dateien die Diskussionsgrundlagen bilden, sondern Echtzeitdaten, die von den Gesprächsteilnehmern je nach Bedarf gruppiert, aggregiert - oder auch wieder detailliert verfeinert werden können. "Es gibt in Zukunft keine Datenhierarchien mehr - alles ist in beliebiger Form direkt abrufbar", meint Plattner über die Zukunft der Vorstands-Sitzungen. Sollte er damit Recht behalten, würde der über 40 Jahre alte Traum eines praktikablen Management-Information-Systems doch noch endlich in Erfüllung gehen. (sh)