Die Business Suite auf HANA wird Konflikte zwischen SAP und Oracle und Co. aufwerfen. Allzu schnelle Wechsel der Anwender erwarten Analysten allerdings nicht.
von Andreas Schaffry
SAP-Kunden können ab sofort die transaktionalen Kernanwendungen der SAP Business Suite auf SAP HANA betreiben und somit Transaktionsdaten quasi in Echtzeit auf der In-Memory-Plattform erfassen, verarbeiten und auswerten. Das hat SAP jetzt auf drei Pressekonferenzen angekündigt, die zeitgleich im kalifornischen Palo Alto, in New York und in Frankfurt am Main stattfanden.
SAP zündet nächste Ausbaustufe bei HANA
"Das bedeutet strategisch nichts anderes als den zweiten revolutionären Architektur-Wechsel in der Geschichte von SAP - vergleichbar mit dem Schritt von R/2 nach R/3", kommentiert das Analysten-Trio Wolfgang Schwab, Jürgen Weiß und Andreas Zilch von der Experton Group die Nachricht.
IDC-Analyst Rüdiger Spies sieht darin einen konsequenten weiteren Schritt im Rahmen der Roadmap von SAP HANA. "Bereits seit dem Frühjahr 2012 können SAP-Kunden ihr Business Warehouse vollständig auf der In-Memory-Plattform betreiben und jetzt auch das ERP-, CRM- und SCM-System aus der SAP Business Suite."
Transaktionale Geschäftsprozesse können somit direkt in der Datenbankschicht und dadurch mit deutlich mehr Tempo abgearbeitet werden als mit konventioneller Datenbanktechnologie. Das beschleunigt selbst komplexe ERP-Prozesse mit großen Datenmengen wie Materialbedarfsplanungsläufe (MRP), Kapazitätsplanungen oder Simulationen, die bisher im Batch-Modus laufen, massiv.
OLTP und OLAP auf einer Plattform
Ein Analystenquintett des Marktforschers Ovum um Principal Analyst Tony Baer sieht in der schnellen Datenverarbeitung in den Geschäftsprozessen allein nicht den Hauptnutzen der Business Suite on HANA. Viel wichtiger sei, dass mithilfe der In-Memory-Architektur bestimmte Sichtweisen auf Geschäftsdaten sowie Auswertungen gleichsam "on-the-fly" möglich sind.
"Wenn künftig OLTP- und OLAP-Systeme in einer einzigen Umgebung laufen, können die Endanwender Analysen und Abfragen beliebiger Granularität, Aggregation und Dimension in Echtzeit direkt bis hinunter auf den einzelnen Datensatz durchführen", erklärt Rüdiger Spies. Zugleich wird die Komplexität bisheriger IT-Architekturen reduziert, wenn Transaktionssysteme und OLAP-basierte Business Warehouses in nur einer IT-Infrastrukturumgebung betrieben werden können.
HANA-Umstieg erfolgt auf Raten
Laut den Ovum-Analysten wird der Betrieb von Applikationen der SAP Business Suite direkt auf SAP HANA den Markt für Enterprise Software verändern. Allerdings werde es sich dabei um einen längeren Transformationsprozess handeln.
Keine Firma werde ihre bisher eingesetzten Datenbanken quasi über Nacht auswechseln, sondern erst einmal die bestehenden ERP-Investitionen schützen. "Der Umstieg auf SAP HANA wird gleitend erfolgen", bestätigt auch Rüdiger Spies. "Für eine komplette Migration fehlt derzeit sowohl den internen IT-Organisationen als auch externen Beratungen noch das nötige Know-how."
Zunächst werden Firmen, so Rüdiger Spies, vor allem neue SAP-Anwendungen auf Basis von SAP HANA auf der In-Memory-Plattform betreiben. Zwar lasse SAP den Anwendern auch künftig die Wahl in Bezug auf Datenbanktechnologien und deren Hersteller, doch die Geschwindigkeitsvorteile werden sich nur mit der HANA-Datenbank vollständig nutzen lassen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Rüdiger Spies, dass SAP mit der HANA-Plattform nun als Anbieter in den Datenbankmarkt eintritt. "Das dürfte zu Spannungen mit den etablierten Datenbankanbietern führen." Ähnlich beurteilen dies die Analysten der Experton Group. Sie sehen insbesondere Konflikte mit der Datenbankplattform von Oracle, auf der heute die Mehrzahl der SAP-Installationen läuft.
Weniger als sechs Monate für In-Memory-Migration
Laut den Experton-Analysten sollte sich jeder SAP-Anwender mit dem Thema beschäftigen und die bestehenden Alternativen für sich selbst, sein Umfeld und insbesondere seine zukünftigen Business-Ziele überprüfen. Bestandskunden, die auf die SAP-HANA-Plattform migrieren wollen, können dies mittels eines Erweiterungspakets tun.
Ebenso will SAP im ersten Quartal 2013 eine spezielle Rapid-Deployment-Lösung auf den Markt bringen, die den Live-Betrieb der Business Suite auf HANA in weniger als sechs Monaten ermöglichen soll. Das Festpreispaket hat einen fest definierten Umfang und besteht aus vorkonfigurierter Software, Implementierungsservices, Inhalten und Trainings.
Dabei scheint das Preismodell für den Umstieg zu passen. Die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) äußert sich jedenfalls zufrieden. "Die Datenbank für die Business Suite on HANA kostet damit lizenzseitig für Bestandskunden praktisch genauso viel wie herkömmliche Datenbanken", so DSAG-Vorstandsmitglied Andreas Oczko.
Pilotanwender Ferrero: Schnellere Planung mit SAP ERP auf HANA
Laut SAP haben erste Pilotanwender wie der Landmaschinenhersteller John Deere oder der Süßwarenkonzern Ferrero positive Erfahrungen mit der Umstellung ihre transaktionalen SAP-Systeme auf HANA gemacht. Der Traktorhersteller kann Prozesse wie die Materialplanung nun in Echtzeit durchführen. "Zudem stehen uns ganz neue Bereiche wie eine vorbeugende Wartung zur Verfügung", sagt Derek Dyer, Director Global SAP Services bei Deere and Company.
Der Schokoladenkonzern wiederum erwartet durch den Betrieb des zentralen SAP-ERP-Systems auf SAP HANA bessere Simulationen und eine schnellere Planung, die zu klaren Vorteilen bei Verkaufsförderungen und in der Lieferkette führen soll. "Für die Zukunft", so Enzo Bertolini, CIO der Ferrero Group, "stellen wir uns die Verbindung von mobilen Technologien mit Big Data vor. Dies wird die Art und Weise, wie wir Entscheidungen treffen und unsere Prozesse steuern, verändern."
(Der Beitrag wurde von der CP-Schwesterpublikation CIO übernommen / rb)