Weshalb der Trend zu Software as a Service (SaaS) auch den Umbau der Rechenzentren beflügelt, und welche Fragen Vertriebspartner klären müssen, die sich als SaaS-Anbieter aufstellen möchten, erläutert ADN-Geschäftsführer Hermann Ramacher im Interview mit ChannelPartner.
Welche Applikationen werden Anwender künftig vorrangig aus der Cloud beziehen?
Ramacher: Alle strategischen Applikationen, wie ERP, sowie Themen rund um die Datenspeicherung und Compliance, werden Unternehmen nicht in die Cloud verlagern. In allen Bereichen jedoch, in denen es keine zentralen Abhängigkeiten zu diesen strategischen Themen gibt, wird die Cloud erheblich relevant werden. Deshalb investieren derzeit viele Unternehmen massiv in die Modernisierung ihrer Rechenzentren, um die Voraussetzung zu schaffen, Cloud-basierte Dienste zu beziehen. Das ist ein Riesenthema - auch ein ganz physikalisches.
Inwiefern ist bei dieser Umrüstung der Rechenzentren nicht nur die Virtualisierung, sondern auch die Hardware-Erneuerung und Prozess-Definition ein großes Thema?
Ramacher: Die Modernisierung ist nicht nur auf Infrastruktur- oder Applikationsseite ein Riesenthema, sondern es geht generell um die effiziente Nutzung von IT-Systemen. Deshalb spielen neben Sicherheit, Hochverfügbarkeit, Backup- und Recovery auch Fragen der Energie-Effizienz und der Compliance - also die Frage, wer darf wann worauf zugreifen etc. - eine wesentliche Rolle. Es geht verstärkt darum zu klären, wie sich Prozesse automatisieren und zentral managen lassen. Gesetzliche Auflagen, wie die GdPdU beispielsweise, fördern obendrein den damit verbundenen Trend, Geschäftsprozesse klar zu definieren. Umgekehrt helfen diese neuen Cloud-Technologien enorm, diese gesetzlichen Auflagen in den Rechenzentren umzusetzen.
Welche Rolle werden Applikations-Marktplätze der Hersteller in diesem SaaS-Geschäft spielen?
Ramcher: Diese Marktplätze bündeln eher Standard-Angebote. Aber gerade SMB-Kunden benötigen immer eine Individualisierung, insbesondere bei ERP-Lösungen. Die Vergleichbarkeit von SaaS versus On-Premise-Angeboten, die jetzt möglich ist, fördert diesen Aspekt des Customizings. Und das ist ein Vorteil für Systemhäuser, speziell für die SPLA-Partner (Service Provider Licence Agreement). Denn die Anpassung von Software an die oft branchen-spezifischen Compliance-Richtlinen des Kunden kann nur der Partner leisten. Die Chance der Vertriebspartner liegt in dieser Anpassung von SPLA-Angeboten.
Was erfordert dieser Wandel in Richtung SaaS- bzw. SPLA-Anbieter ganz konkret vom Partner?
Ramacher: Der Partner muss sein Provisionsmodell für den Vertrieb komplett umbauen, wenn er in das SaaS-Geschäft einsteigen will: Die Abschlussquote muss hier mehr zählen als die Umsatzquote, denn letztere liegt ja bei SaaS anfangs erst einmal in homoöpathischen Dosen. Deshalb braucht ein Systemhaus ausgewiesene SPLA-Vertriebsmitarbeiter, die nach einem neuen Modell provisioniert werden. Das ist eine Aufgabe, derer sich die Unternehmensführung annehmen muss, denn damit verändert sich konsequenterweise auch die gesamte Gehaltsstruktur.
Gleichzeitig erfordern SPLA-Angebote auch den Aufbau eines eigenen Hosting-Centers, und damit eine weitere Investition.
Drittens benötigt der Partner ein enormes Know-how: Er muss eine durchgehend mandantenfähige Hosting-Struktur aufbauen - Server und Applikationen müssen deshalb komplett anders aufgesetzt werden. Er benötigt umfassendes Wissen rund um branchenspezifische Compliance-Aspekte und Datenschutzauflagen.
Security-Aspekte müssen einen weitaus höheren Stellenwert erhalten, weil man als Anbieter von Cloud-Diensten auch die Verantwortung für die Funktion und Verfügbarkeit der Dienste übernimmt. Damit einher geht eine Support-Bereitschaft von 7x24h, die ebenfalls entsprechende Anpassungen im Geschäftsmodell voraussetzt. Die Anspruchshaltung der Anwender gegenüber Cloud-Systemhäusern wächst zudem aufgrund der Consumerization.
Wie äußert sich diese aus dem Consumer-Bereich kommende Anspruchshaltung konkret?
Ramacher: Anwender übertragen ihre Erfahrungen, die sie im semi-professionellen oder privaten Bereich beispielsweise mit Apple Apps oder dem Bezug von Amazon-Ressourcen gemacht haben, auch auf Business-Anwendungen. Der Druck, der durch diese Konsumhaltung auf die Systemhäuser entstanden ist, ist enorm. Der Partner muss letztlich auch die Professionalität, die der Kunde beispielsweise von Apple bei der Bereitstellung von Diensten gewohnt ist, für jedes Cloud-Angebot leisten.
Wie unterstützen Sie Partner, diese Hürden zu meistern?
Ramacher: Wir bieten spezielle Seminare an, in denen wir Systemhäusern vermitteln, wie sie ihre Geschäftsprozesse künftig aufsetzen müssen, um sich erfolgreich als SaaS- bzw. SPLA-Anbieter zu etablieren. Weitere Seminare widmen sich der spezifischen Argumentation, die der Vertrieb im SaaS-Bereich benötigt.
Hinzu kommt, dass wir inzwischen belastbare Erfahrungswerte haben, wie lang es dauert, bis nach der Unterzeichnung eines SPLA-Vertrags die ersten Umsätze fließen. Das dauerte in der Vergangenheit häufig bis zu sechs Monaten. Dabei ist die Vorabinvestition, die der Partner leisten muss, erheblich, weil er beispielsweise schon im Vorfeld die Hardware-Voraussetzungen schaffen muss, um das Hosting zu starten. Wir können dem Partner helfen, diesen Sales-Zyklus massiv zu verkürzen, zumal wir sehen, dass Partner die einmal ins SPLA-Modell eingestiegen sind, dieses Geschäft sehr schnell exponentiell nach oben skalieren.
Was sind Ihrer Erfahrung nach bei Ihren Endkunden die klassischen Auslöser, um sich mit Cloud-basierten Modellen auseinanderzusetzen?
Ramacher: Der Wunsch, die IT-Infrastruktur verfügbarer, effizienter, dynamischer und kostengünstiger zu machen, war schon immer ein Motor für den Einsatz neuer Technologien. Er ist es auch heute. Denn allein die Aufrechterhaltung des bestehenden Betriebs bedeutet einen enormen Aufwand. Diesen Wunsch nach mehr Effizienz kann die Cloud heute weitaus besser bedienen als früher, weil einfach die Bandbreiten für performant gehostete Apps und Dienste verfügbar sind.
Das weckt natürlich Begehrlichkeiten bei den Unternehmen, vor allem im Hinblick auf die Frage: Was kostet mich eine Applikation pro Jahr On Premise versus Cloud-basiert? Dieser Vergleich lässt sich heute darstellen, einfach weil die Cloud-Dienste auch verfügbar und zuverlässig bereitgestellt werden können. Allerdings gibt es noch zwei ungelöste zentrale Fragen: Wie ist die Nutzung von Cloud-Diensten Compliance-konform abzubilden? Und was passiert, wenn ich den Anbieter wechseln will?
Je höher der Cloud-Anteil, desto geringer fallen in der ersten Phase gewöhnlich Umsätze mit Lizenzen oder Hardware aus. Diese Umsätze sind aber bei vielen Herstellern ein wichtiges Kriterium für die Einstufung des Partners. Inwiefern honorieren Hersteller das Engagement der Partner in Richtung Cloud also tatsächlich?
Ramacher: SaaS erfordert generell ein anderes Business-Modell vom Partner und damit eine andere Rabatt-Struktur vom Hersteller. Nicht alle Hersteller tragen diesem Wandel bereits Rechnung und honorieren eher die Abschlüsse als die Umsätze.
Gibt es Hersteller, die das Ihrer Ansicht nach bereits vorbildlich gelöst haben?
Ramacher: Microsoft hat das beispielsweise im SPLA-Bereich sehr gut umgesetzt, ebenso wie Commvault. Das Engagement der Partner wird hier gemäß seiner Kompetenzen sehr gezielt honoriert. Ein weiteres Beispiel wäre das SPLA-Modell von Citrix im Bereich Shared-Desktops.
Welche Betreibermodelle werden sich künftig etablieren: Private, Hybrid oder Public Cloud?
Ramacher: In den nächsten 12 Monaten werden vor allem hybride Clouds greifen, die stärkste Rolle wird jedoch die Private Cloud spielen. Ein Trend hin zur Nutzung von Public- Cloud-Angeboten ist im Unternehmensumfeld derzeit nicht erkennbar, auch nicht im Handelsbereich.
(rb)