Raytheon wolle seine Expertise bei der Cyberabwehr unter anderem im Geschäft mit Banken und Handel einsetzen, berichtete das "Wall Street Journal" am Montag. Dafür kauft der Rüstungskonzern 80 Prozent von Websense von der Private-Equity-Firma Vista Partner. Raytheon, bekannt vor allem als Hersteller von Lenkwaffen und Raketenabwehrsystemen, stecke in den neuen eigenständigen Geschäftsbereich 1,7 Milliarden Dollar (umgerechnet knapp 1,58 Milliarden Euro).
Websense mit Sitz in Austin hat rund 21.000 Kunden im Bereich Datensicherheit, davon die Hälfte im Ausland. Es soll den Kern des neuen Cyber-Joint-Ventures von Raytheon bilden, das bereits in diesem Jahr 500 Millionen Dollar Umsatz machen und Renditen um die 20 Prozent erzielen soll. Der Kaufpreis liegt bei einem für die Rüstungsbranchen teuren Vier- bis Fünffachen der Websense-Jahreserlöse und ist der größte Zukauf eines Hauptlieferanten des Pentagon seit einem Jahrzehnt.
Im Geschäft mit zivilen Kunden haben sich die Rüstungsfirmen bislang zumeist eher schwergetan; auch weil das Verteidigungsministerium seinen Auftragnehmern zum Teil den Technologietransfer nach außerhalb des Militärs untersagt(e). Raytheon will mit dem Websense-Zukauf zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - es verschafft sich eine erfahrene kommerzielle Vertriebsmannschaft und findet gleichzeitig eine Möglichkeit, eigene und vom Pentagon genehmigte Intellectual Property über diese im zivilen Sektor anzubieten.
Von den großen US-Rüstungsfirmen ist Raytheon bislang diejenige, die sich am entschiedensten in den Cyber-Bereich vorgewagt hat. Seit 2007 hat die Firma aus Waltham, Massachusetts, in diesem Bereich insgesamt 14 Zukäufe getätigt, unter anderem für 420 Millionen Dollar im vergangenen November Blackbird Technologies mit Lösungen für Geheimdienste und Kommandoeinsätze. Die Marktbegleiter General Dynamics und Boeing haben kürzlich zivile Cyber-Zukäufe wieder abgestoßen, Lockheed Martin will zumindest weiter auch mit kommerzieller Cyber-Sicherheit Geschäfte machen.
Analysten von Sanford Bernstein schrieben unlängst in einem Branchenreport, die Übernahme von Websense und der damit verbundene Vorstoß in das Segment kommerzielle Cyber-Security bringe für Raytheon ein "signifikantes Risiko" mit sich. Websense-CEO John McCormack sehe das weniger problematisch, schreibt das "WSJ". Seine Firma wachse mit rund acht Prozent jährlich stärker als der weltweite kommerzielle Markt für Cyber-Sicherheit und liege in den Bereich Überwachung von Web-Gateways und Data-Loss Prevention unter den Top 10.
Der Markt habe sich verändert von Abwehr von Bedrohung hin zu Schadensbegrenzung, sagt der Branchenveteran, der auch die neue Raytheon-Sparte leiten soll. "Die Zeiten sind vorbei, in denen man ein Eindringen verhindern konnte", sagt McCormack. "Das schreit nach Automatisierung und Integration." (mit dpa-Material)