Zwei Jahre ist es her, dass der Hersteller Research in Motion mit dem "Blackberry Storm" seine ersten Touchscreen-Versuche machte – und dabei gewaltig auf die Nase fiel. Inzwischen verzichtet RIM selbst beim aktuellen Storm 2 auf die stark kritisierte Surepress-Technik, beim Torch kamen die Kanadier zusätzlich von der alleinigen Bedienung via Touchscreen ab und bieten zusätzlich eine ausziehbare Volltastatur an.
Komplettiert wird die Bedienung durch das optische Trackpad und die typischen vier Blackberry-Buttons unterhalb des Bildschirms. Das Ergebnis ist ein von der Form her verdächtig an das Palm Pre erinnernder Slider – der allerdings bei den Abmessungen (111 x 62 x 14 Millimeter) etwas größer ausgefallen ist.
Auch vom Gewicht her hat es der Torch mit 160 Gramm in sich – der "Bold 9700" wiegt vergleichsweise leichte 122 Gramm. Immerhin hat RIM an auffallenden Stellen Metall verwendet, um das Gerät besonders wertig anmuten zu lassen. Bei unserem Testgerät wurde dieser Eindruck allerdings durch den etwas klapprigen Schiebemechanismus nicht unbedingt bestätigt.
Die Hardware
Geht es um die Hardwareausstattung, ist der Business-Slider im Vergleich zur Konkurrenz allerdings nur Mittelmaß. So sind die videofähige 5 Megapixel-Kamera mit Blitz und die verbauten 512 MB RAM und 4 GB Speicher (immerhin per microSD-Karte um bis zu 32 GB erweiterbar) inzwischen maximal Standard, auch der 624-MHz-Prozessor und der Multitouch-fähige Display mit etwas mickrigen 360 mal 480 Pixeln Auflösung werden bei Technikverliebten kaum für Begeisterungsstürme sorgen.
Der Korrektheit halber muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich Anwender selten aufgrund der Hardwarespezifikationen für ein Blackberry-Gerät entscheiden (eher dagegen). Ob es RIM gefällt oder nicht - hier stehen innere Werte wie die Business-Tauglichkeit und der sichere E-Mail-Verkehr im Vordergrund, Features wie GPS, Lagesensor oder eine hochauflösende Kamera werden als selbstverständlich in Kauf genommen und natürlich gern genutzt.
Umso schwerwiegender ist es, wenn die verbaute Hardware Mängel aufweist. So fand der Torch im Test nur die Hälfte der auf einem parallel genutzten "Nokia N8" angezeigten Wireless-Netze - Pech, wenn dabei gerade das gesuchte WLAN fehlt. Eine fast schon absehbare Folge des Drangs, es mit dem Torch allen recht machen zu wollen, ist außerdem die zu klein geratene Volltastatur: Gerade Nutzer mit großen Finger haben Schwierigkeiten, auf dem Keyboard die richtigen Tasten zu treffen und sind mit der virtuellen Tastatur – trotz fehlenden haptischen Feedbacks – besser bedient.
Etwas zu klein bemessen ist mit 1300 Milliamperestunden (mAh) auch der eingebaute Akku - dem Blackberry-Bruder Bold, der ohne energieraubenden Touchscreen auskommt, wurde zum Vergleich eine dickere 1500 mAh-Batterie spendiert. Die zu magere Bestückung hat zur Folge, dass der Torch bereits nach einem etwas intensiveren Arbeitstag mit 3G- und WLAN-Nutzung abends an die Ladestation muss - in der Regel kein Beinbruch, RIM verspielt damit aber einen häufig gegenüber der Konkurrenz angeführten Trumpf.
Die Software
Einen deutlich besseren Eindruck als die Hardware macht die installierte Software, insbesondere das neue Blackberry OS 6: Anders als Microsoft mit Windows Phone 7 hat es RIM geschafft, seinen in die Jahre gekommenen Mobile-Ansatz neues Leben einzuhauchen, ohne gleich alle Brücken einzureißen – die bekannten und bewährten Features bleiben erhalten, Anwendungen für ältere Blackberry-OS-Versionen können weiter verwendet werden.
Um seinem Blackberry-Betriebssystem einen zweiten Frühling zu bescheren, nahm RIM bei Version 6 etliche Anleihen bei anderen mobilen Plattformen. Dazu zählt sicher die – von Palm WebOS stammende – Universalsuche, sobald man ein Wort eintippt, durchsucht das Blackberry OS 6 alle gespeicherten Informationen einschließlich E-Mails nach dem jeweiligen Begriff.
Zumindest von Google Android "inspiriert" wurde RIM bei dem am unteren Bildschirmrand versteckten, transparenten Menü – ein Glücksgriff, denn dieses wertet das System nicht nur optisch auf, dank der Aufteilung in Bereiche "Alle", "Favoriten", "Medienzugriff", "Downloads" und "Häufig" wird zudem die Bedienung und das Auffinden von einzelnen Menüpunkten deutlich vereinfacht.
Ein weiteres Highlight der Benutzerführung sind die so genannten Action Menüs, die durch Klicken und Halten das Trackpads oder längeres Drücken auf dem Touchscreen aufpoppen. Summa summarum stellt RIM dem Nutzer somit eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten bereit, um schnell zum gewünschten Ziel zu kommen. Ein Ablegen häufig genutzter Anwendungen auf dem Homescreen mit den bekannten Vor- und Nachteilen ist dagegen nicht möglich.
Fokus auf Multimedia und Messaging
Durchgehend brauchbar ist auch die neue Social-Feeds-Applikation, die das Verwalten von RSS-Feeds und sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter) sowie die Nutzung verschiedener Messaging-Clients erleichtert. Eine neue Textnachrichten-Anwendung erlaubt außerdem die Anzeige von SMS und MMS als Diskussionsstränge und unterstützt Gruppen-Chats oder das Teilen von Inhalten.
Auch die Multimedia-Anwendungen wurden überarbeitet, so dass sich der Torch gut als Musik- und Video-Player nutzen lässt. Positiv tut sich zudem der nun Webkit-basierende Browser hervor, der unter anderem Tabbed Browsing unterstützt - für ein ungestörtes Surfvergnügen ist aber leider das Display zu klein.
Für den Empfang von E-Mails lässt sich das Gerät über den Blackberry Internet Service (BIS) mit bis zu zehn Imap- oder POP3-E-Mail-Konten verknüpfen. Außerdem kann der Torch über den Blackberry Enterprise Server (BES) oder dessen kostenlose Express-Version (BESX) verwaltet werden. Unterstützt wird dabei Microsoft Exchange, beim BES auch IBM Lotus Domino und Novell GroupWise.
Die wichtigsten Business-Anwendungen sind mit "Word to Go", "Sheet to Go" und "Slideshow to Go" von Dataviz – inzwischen von RIM übernommen – bereits vorinstalliert. Außerdem finden sich auf dem Torch mit "Blackberry Maps" eine Navigations-Software sowie ein paar Spiele. Weitere Anwendungen bietet die Blackberry App World - RIMs kleines, aber feines Pendant zu Apples App Store.
Fazit
Mit dem Torch hat es RIM geschafft, den Anschluss zu den aktuellen Smartphone-Trends zu halten, ohne seine Business-Werte aufs Spiel zu setzen: Nicht mehr nur als langweilige E-Mail-Maschine ausgelegt, unterstützt das Blackberry-Gerät den Nutzer bei seinen Social-Media-Aktivitäten, beim Browsen im Internet oder beim Konsum von Videos und Musik. Von diesen Features profitieren allerdings in erster Linie die treuen Blackberry-Fans – iPhone- oder Android-Nutzer werden sich allein aus diesen Gründen wohl kaum einen Torch anschaffen.
Summa summarum ist der schicke Slider eine Spur zu sehr auf Kompromisse ausgelegt, um das ideale Smartphone darzustellen. Dank der durchaus gelungenen Mischung aus Business- und Social-Media/Multimedia-Gerät dürfte der Torch aber der derzeit beste verfügbare Blackberry darstellen – zumindest für Nutzer, die dank kleiner Finger auch die physische Tastatur einsetzen können. (Computerwoche/haf)