Regionale Unterschiede in der Linux-Landschaft

03.11.2006
Durch die Analyse der Datenbasis aus zahlreichen Umfragen, die das Marktforschungsunternehmen TechConsult im eigenen CallCenter in den letzten Monaten bei IT-Entscheidern in deutschen Unternehmen durchgeführt haben, lässt sich die regionale Entwicklung von Linux - das mit Abstand stärkste Zugpferd der Open-Source-Bewegung - aufzeigen

Durch die Analyse der Datenbasis aus zahlreichen Umfragen, die das Marktforschungsunternehmen TechConsult im eigenen CallCenter in den letzten Monaten bei IT-Entscheidern in deutschen Unternehmen durchgeführt haben, lässt sich die regionale Entwicklung von Linux - das mit Abstand stärkste Zugpferd der Open-Source-Bewegung - aufzeigen. Dabei fallen durchaus Unterschiede auf, z.B. was den Einsatzgrad von Linux auf Serversystemen betrifft. Referenzinstallationen spiegeln hier nicht unbedingt die Gesamtsituation der jeweiligen Region wider.

Linux-Einsatz auf Server nach Bundesländern

Bundesweit ist das freie Betriebssystem auf ca. 33% der Server von Unternehmen und Behörden installiert. Die aktuelle Analyse der TechConsult zur "Linux-Landscape" zeigt, dass besonders Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit Einsatzgraden von rund 37% bzw. 35% über dem Schnitt liegen. Linux-Hochburgen sind die in diesen Bundesländern gelegenen freien Hansestädte Hamburg und Bremen.

Auch im Saarland und Nordrhein-Westfalen herrscht eine überdurchschnittliche Affinität für Open Source Software auf Servern. Hier beträgt der Grad des Einsatzes von Linux etwa 42% bzw. 35%.

Rheinland-Pfalz (ca. 27%) und Baden-Würtemberg (31%) hingegen zeigen einen unterdurchschnittlichen Einsatzgrad des quelloffenen Systems auf Servern vor. Bayern liegt knapp unter dem bundesweiten Durchschnittswert.

Dem Anschein nach haben die in den Medien oft herausgehobenen Referenzinstallationen der öffentlichen Verwaltungen in München und Schwäbisch-Hall keine besonderen Auswirkungen auf die eigenen und nahe liegenden Regionen. Zwar gehörte es zumindest in den Kommunen Süddeutschlands in den letzten Jahren und auch bis heute fast schon zum guten Ton, sich zumindest einmal Gedanken über den Umstieg auf Linux zu machen. Doch in der aktuellen Untersuchung wird deutlich, dass der Einsatzgrad des freien Betriebssystems branchenübergreifend deutlich höher in Norddeutschland als jenseits des "Weißwurstäquators" ist.

Überregionaler Einfluss vs. regionale Ausrichtung

Der Leuchtturmcharakter der bereits 2003 begonnenen und oftmals erfolgreich umgesetzten Linux-Server-Projekte öffentlicher Institutionen in Süddeutschland findet durchaus überregional und sogar im angrenzenden Ausland Anklang. Die Stadt Paris orientierte sich an München und hat mittlerweile mehr als die Hälfte der 396 städtischen Server auf Linux umgestellt. Überregional hatten die süddeutschen Kommunen in Schwäbisch-Hall, Mannheim und Leonberg Einfluss auf die Migration bei der Polizei in Niedersachen und im Bundestag in Berlin.

Verbände wie die Linux Kommunale und die bwcon-Initiative BOSS (Baden-Württemberg Open Source LayerS) in Stuttgart oder der Linux Business Campus Nürnberg fördern ebenfalls aus Süddeutschland heraus die Entwicklung und den Einsatz von Open Source Software in Unternehmen und Behörden in ganz Deutschland.

Im Hinblick auf den regionalen Einfluss der Initiativen und Referenzen stellt sich jedoch die Frage, ob die an den Linux-Projekten beteiligten HW-Anbieter und Systemintegratoren ihre Kräfte nicht zu sehr auf die Reputation versprechenden Linux-Großbaustellen konzentrieren und im gleichen Zuge das in der direkten Umgebung vorhandene Potential vernachlässigen. Es wäre aus Anbietersicht zu überlegen, ob nicht eine stärkere Offensive auf den Mittelstand in ausgewählten Gebieten Erfolg versprechender ist - unter anderem auch weil Ressourcen kürzer gebunden wären - als die mittel- bis langfristige Verpflichtung bei einem der Großprojekte.

Einen Schritt in diese Richtung gehen die großen Linux-Infrastrukturanbieter wie IBM, HP und FSC bereits und bauen vermehrt Partnerschaften zu spezialisierten Open-Source-Dienstleistern mit regionaler Kompetenz auf.

Mittelstand in Ostdeutschland mit Potenzial

Mit Blick auf Unternehmensgrößenklassen haben besonders der Mittelstand und die vielen Kleinunternehmen in Deutschland oftmals noch nicht die Möglichkeiten von Linux und anderer Open Source Software in Gänze und Breite erkannt. Wo das Open-Source-Geschäft im Enterprise-Bereich bereits den Software Stack von der Linux-Plattform hoch zu den Datenbanken und Application Servern gewandert ist, weiß das KMU-Umfeld häufig noch gar nicht bzw. nicht ausreichend ob der Möglichkeiten des Einsatzes von quelloffener Software auf Betriebssystemebene. Hier finden Anbieter einen Markt vor, der gerade unter regionalen Gesichtspunkten - wie Partnerbindung, lokale Ansprechpartner usw. - anzugehen ist.

Besonders der ostdeutsche Markt weist großes Potential für das Geschäft mit Open Source auf. Die Analysen zeigen, dass hier ein hoher Planungsgrad von Linux auf Servern vorzufinden ist. Anbieter von Hardware und Services können im Osten Deutschlands speziell mit dem Kostenargument punkten und häufig veraltete Server-Plattformen auf das freie Betriebssystem migrieren. Das Anschlussgeschäft mit entsprechender Middleware und auch Anwendungen kann in vielen Fällen der Lohn für die regionale Ausrichtung auf Märkte und Partner sein. (TechConsult, Kassel - Denis Mrksa)