Lange war Red Hat vor allem für seine Linux-Distributionen bekannt. Inzwischen hat der Open-Source-Spezialist auch sein Portfolio für Virtualisierung und Cloud Computing massiv ausgebaut.
von Thomas Drilling (Computerwoche)
Schon auf dem hauseigenen Red Hat Summit im Juni 2012 hatte der Anbieter eine Reihe von Lösungen vorgestellt, die das Cloud-Portfolio deutlich erweitern. Mithilfe der seit Dezember 2012 auch offiziell verfügbaren Cloud-Kreationen Red Hat Hybrid Infrastructure-as-a-Service (IaaS), dem Red Hat Cloud with Virtualization-Bundle und dem Open IaaS Architecture Service erhalten Unternehmen umfassende Unterstützung beim Aufbau eigener privater und/oder öffentlicher (hybrider) Clouds. Seit November 2012 ist zudem Red Hats PaaS-Plattform OpenShift in einer Enterprise-Edition als kommerzielles Produkt verfügbar und erlaubt RZ-Betreibern, Red Hats PaaS-Dienst in die eigene Infrastruktur zu integrieren. Mit Blick auf Red Hats jüngste Akquisition, der Ende Dezember verkündeten Übernahme des amerikanischen Cloud-Spezialisten Managed IQ, verdichtet sich Red Hats Cloud-Strategie zum Gesamtbild einer auf Open-Source-Systemen basierenden Cloud-Lösung.
Für einen schnellen Überblick sorgt unsere Bilderstrecke:
CloudForms und Delta-Cloud-API
Das Management-Framework für hybride Clouds CloudForms ist der "sichtbare" Kulminationspunkt in Red Hats Cloud-Stack. Hier finden sich alle zum Aufbau eigener Cloud-Lösungen benötigten Komponenten aus Red Hats Produktbaukasten wieder.
Mit CloudForms können Unternehmen mit entsprechendem Know How eigene Hybrid-Clouds erstellen, die sich auf die gesamte Infrastruktur des Unternehmens erstrecken. Damit ermöglicht CloudForms das Verwalten von Cloud-Anwendungen ohne Bindung an einen bestimmten Cloud-Anbieter. Die technische Produktbeschreibung der Version 1.0 gibt einen guten Überblick der in Red Hats Cloud-Stack enthaltenen Komponenten. Für den Aufbau eigener Red-Hat-Clouds sind neben CloudForms auch der als Appliance konzipierte Storage Server, Red Hat Enterprise Virtualization (RHEV), JBoss Middleware und Red Hat Enterprise Linux (RHEL) von Bedeutung. Ebenfalls eine wichtige Rolle in Red Hats Vision herstellerunabhängiger hybrider Clouds spielt das im Jahr 2009 ins Leben gerufene und 2011 der Apache Software Foundation übergebene Deltacloud-API .
Deltacloud wurde entwickelt, um die von den verschiedenen Cloud-Providern verwendeten Protokolle, Storage-Formate und Virtualisierungstechnologien soweit zu abstrahieren, dass sich etwa mit CloudForms herstellerunabhängige Clouds aufbauen lassen. Die seit August 2012 verfügbare Deltacloud-Version 1.0 unterstützt eine große Zahl von Cloud-Anbietern und Cloud-Infrastruktur-Lösungen (Stacks), neben Red Hats RHEV-M auch Amazon EC2, IBM SBC, VMware vSphere, Rackspace und die drei momentan bedeutsamen Open-Source-Cloud-Stacks. Neben dem von Red Hat für künftige RHEL-Versionen favorisierten Open Stack 2.0 (Folsom) sind das auch das ebenfalls von RHEL unterstützte Eucalyptus und OpenNebula. Red Hat hat seine in Verbindung mit Open Stack stehende Strategie auf dem Red Hat Summit erläutert. Alle zum Jahresende 2012 vorgestellten neuen Produktkreationen "Red Hat Hybrid Infrastructure-as-a-Service" (IaaS), "Red Hat Cloud mit Virtualization Bundle", "OpenShift Enterprise" (PaaS) und "Open IaaS Architecture Service" sind eine Kombination der nachfolgend erläuterten Basiskomponenten.
CloudForms 1.1
CloudForms ist eine offene Cloud- und System-Management-Plattform. Mit CoudForms können Unternehmen mithilfe verschiedener Infrastruktur-Bausteine private und öffentliche Clouds, die ihrerseits unterschiedliche Virtualisierungstechnologien einsetzen, aufbauen und einen solchen Cloud-Mix effizient verwalten. Die seit dem Summit 2012 verfügbare Version 1.1 soll künftig auch Red Hats Red Hat Network Satellite beerben.
Red Hat Enterprise Virtualization 3.1
Seit Dezember 2012 ist die aktuelle Version 3.1 von Red Hats Virtualisierungsplattform Red Hat Enterprise Virtualization (RHEV) für Server und Desktops erhältlich. Sie hat jetzt einen Status erlangt, der das Produkt auch konzeptionell in die Liga der Enterprise-Lösungen von VMware, Citrix und Microsoft befördert. Technologisch ist RHEV 3.1 mit der Unterstützung von bis zu 160 CPUs in virtuellen Maschinen und bis zu 2 TB Speicher sogar erheblich weiter. Dass das größtenteils 2008 aus der Übernahme des israelischen Unternehmens Qumranet hervorgegangene Produkt erst jetzt auch einem konzeptionellen Vergleich standhält liegt daran, dass die Red-Hat-Entwickler über die Jahre proprietäre Code-Bestandteile (C#) durch Open-Source-Code ersetzen mussten. Ein typisches "RHEV-Setup" besteht aus einem (oder mehreren) Hypervisor-Hosts (RHEV-H) und dem Management-System (RHEV-M). Die unangenehme Folge des Deals aus 2008 bestand bis einschließlich RHEV 3.0 darin, dass das Management-System (Administrationskonsole) zum Verwalten der Wirtssysteme nur auf einer Windows-Maschine lief, weil es zwingend IE7, .Net und ein Active Directory voraussetzte. RHEV 3.1 dagegen enthält eine komplett neu geschriebene, auf Java basierende Web-Anwendung, die keine Abhängigkeiten zu Microsoft-Komponenten mehr aufweist. Wie das aussieht, lässt sich mit Hilfe von Fedora 17/18 mit Installieren des Ovirt-Frameworks gut verifizieren.
Red Hat Enterprise Virtualization 3.1 enthält darüber hinaus weitere Verbesserungen, etwa bei der Skalierbarkeit, der Benutzerverwaltung, den unterstützten Speichertechnologien und bei der Funktionalität virtueller Desktops. Der KVM-Hypervisor, seit Linux 2.6.20 offizieller Bestandteil des Kernels, unterstützt inzwischen auch neueste x86-Prozessoren. RHEV 3.1 unterstützt sogar die "Live-Migration von Speicher", mit der es möglich ist, die virtuellen Festplatten der VMs zwischen verschiedenen Speichersystemen (SAN, iSCSI, NFS) zu migrieren, ohne die Maschine herunterzufahren. Die Funktion hat allerdings noch den Status "Technologie Preview", wird also von Red Hat noch nicht supported. Die ebenfalls seit Juni 2012 verfügbare Version 2.0 des auf GlusterFS basierenden Red Hat Storage Servers lässt sich jetzt mit Red Hat Enterprise Virtualization kombinieren, sodass RHEV 3.1 den vom Storage Server zur Verfügung gestellten Speicherplatz nutzen kann.
Hybrid Infrastructure-as-a-Service (IaaS)
Red Hat Hybrid Infrastructure-as-a-Service (IaaS) soll die Komplexität beim Aufbau hybrider Cloud-Umgebungen erheblich reduzieren. Das Produkt schnürt die benötigten Software-Komponenten RHEV, das CloudForms-Framework und RHEL als Gast-Betriebssystem zu einem Bundle. Dazu gehört auch die Möglichkeit, bei Bedarf zusätzliche Cloud-Computing-Ressourcen "on-demand" von einem Red Hat Certified Public Cloud Provider einzubinden.
Cloud mit Virtualization Bundle
Red Hat Cloud mit Virtualization Bundle ist ebenfalls ein Paket aus RHEV-Version 3.1 und CloudForms 1.1. Das Bundle erleichtert den Einstieg in Cloud Computing durch das Kombinieren von Clouds und Virtualisierung. Unternehmen, die beides planen, ermöglicht das Paket eine schnellere Projektdurchführung mit geringerer TCO, weil es die Schritte Virtualisierung und Cloud in einem Projektzyklus zusammenfasst. Die Lösung beinhaltet sämtliche Software-Komponenten, die zum Aufbau und für das Verwalten eigener Clouds und Virtualisierungsplattformen erforderlich sind. Das Produkt deckt die Bereiche "Management virtueller Maschinen", "Systemmanagement" und "Application Lifecycle Management" ab.
OpenShift - die PaaS von Red Hat
Die von Red Hat erstmals im Mai 2012 vorgestellte Cloud-Anwendungsplattform "OpenShift" hat im November 2012 offiziell die Beta-Phase hinter sich gelassen und ist seitdem auch unter der Bezeichnung OpenShift Enterprise als kommerzielles Produkt verfügbar.
OpenShift ist Red Hats Platform-as-a-Service-Dienst (PaaS). Er stellt Entwicklern Werkzeuge in der Cloud zur Verfügung, sodass diese keine eigenen Umgebungen für ihre Software-Projekte aufzusetzen müssen. Allgemein können Betreiber von Rechenzentren mit OpenShift Enterprise PaaS-Dienste relativ einfach in ihre Struktur integrieren und ihren Kunden so Entwicklungsinstanzen zuweisen. Entwickler können so beispielsweise Software einfacher und schneller entwickeln und testen. OpenShift setzt ebenfalls auf viele Red-Hat-Technologien auf, wie Red Hat Enterprise Linux, der JBoss Enterprise Application Plattform als Java-Applikationsserver und der Open-Source-Variante "OpenShift Origin". Gegenüber der beinhaltet OpenShift Enterprise neben der Webconsole auch Zugang über Developer IDEs, REST API und Kommandozeilen-Tools. Momentan unterstützt OpenShift Enterprise die Programmiersprachen Java EE, PHP, Python, Ruby und Perl. Der PaaS-Dienst stellt zudem zahlreiche Frameworks für verschiedene Programmiersprachen zur Verfügung, welche die Software-Entwicklung beschleunigen, darunter Spring, Seam, Java EE, Rails, Rack, Symfony, Zend, Django und Twisted. Ferner unterstützt OpenShift alle wichtigen Datenbanksysteme, darunter MySQL, SQLite und MongoDB.
Open Source Clouds
Möchte man Red Hats Technologien und Produkte im Vergleich zu kommerziellen Lösungen bewerten, spielt RHEV als Virtualisierungs-Management-Plattform in der gleichen Liga wie VMware vCenter, Microsoft Microsoft Hyper-V Server 2012 und Citrix XenServer. Mit dem von Red Hat initiierten Open-Source-Projekt Ovirt lässt sich eine leistungsfähige Datacenter-Management-Lösung auch mit einem beliebigen Setup von Linux-Maschinen, vorzugsweise mit RHEL oder Fedora, aufsetzen. Im Cloud-Segment selbst fällt ein Vergleich mit kommerziellen Lösungen wie Microsoft System Center oder VMware vCloud-Suite schwerer. Red Hats "Red Hat Hybrid Infrastructure-as-a-Service" und das "Cloud with Virtualization Bundle" enthalten sämtliche Komponenten zum Aufbauen und Verwalten von Clouds, angefangen von den elementaren Virtualisierungstechnologien bis hin zu den Werkzeugen zur "Orchestrierung" (CloudForms). Vergleiche dieser Art werden den Red-Hat-Produkten aber kaum gerecht, weil diese ausschließlich auf quelloffener Software und offenen Standards basieren. So ist CloudForms die derzeit einzige Managementplattform für offene hybride Clouds. Zusammen mit Deltacloud hat Red Hats Open-Source-Cloud-Stack durchaus Chancen, sich als herstellerübergreifender Standard durchzusetzen.
Fazit
Red Hats generelle Strategie, selbst entwickelte oder durch strategische Übernahmen erworbene Technologien nach Abschluss der Testphase oder dem Beseitigen von proprietären Bestandteilen in Open-Source-Projekte zu überführen, zahlt sich aus. Der durch das Einbinden externer Entwickler mögliche Know-How-Transfer und eine herstellerunabhängige Verständigung über Protokolle und Schnittstellen erhöhen die Chancen, Red-Hat-Produkte als Standards zu etablieren.
Viele der genannten Technologien sind bei Red Hat aus strategischen Akquisitionen hervorgegangen. Populärster Deal war die Übernahme des israelischen Unternehmens Qumranet im Jahr 2008. Aus diesem sind der inzwischen im Linux-Kernel enthaltene KVM-Hypervisor sowie große Teile der in RHEV verbauten Komponenten inklusive der auf dem Ovirt-Framework und dem Spice-Protokoll basierenden Desktop-Virtualisierung, hervorgegangen.
Die Ende 2012 bekanntgegebene Akquisition von Managed IQ ist im Hinblick auf die Erweiterung von Red Hats Cloud-Portfolio und damit für die langfristige Cloud-Strategie ebenfalls bedeutsam. Die US-Firma ist Spezialist für Lösungen zum Verwalten, Überwachen und Automatisieren von Cloud-Systemen. Das bezieht sich auch auf virtualisierte Infrastrukturen und virtuelle Desktops und verschafft Red Hat so weiteres Know-How. Die Integration der "Hybrid Cloud Operations Management Tools" von Managed IQ ins eigene Portfolio bringt den Linux-Spezialisten seiner langfristigen Cloud-Strategie ein Stück näher. Schon jetzt ist CloudForms die einzige offene Management-Plattform für hybride Clouds; zusammen mit Deltacloud ist Red-Hats-Cloud-Stack auf einem guten Weg zu einer plattformunabhängigen Hybrid-Cloud, mit der sich neben RHEV langfristig auch die Cloud-Lösungen von Amazon, Microsoft und VMware unter einer einheitlichen Oberfläche verwalten lassen.
(Der Beitrag wurde von der CP-Schwesterpublikation Computerwoche übernommen / rb)