Mit RHEV 3.0 will Red Hat den Durchbruch im Virtualisierungs-Markt schaffen. Zumindest bei den Linux-Kunden. Beim Vertrieb setzt der OpenSource-Spezialist weiter auf den Channel. Es ist der zweite Anlauf nach einer langen Durststrecke.
Seit Ende Januar ist die KVM-Hypervisor basierte Virtualisierungslösung Red Hat Enterprise Virtualization 3.0 (RHEV) verfügbar. Stark macht sich der OpenSource-Spezialist damit vor allem für Reseller, die im Linux-Umfeld aktiv sind, und für Berater. Ohnehin setzt der Anbieter bereits seit Jahren auf den Channel-Vertrieb, gerade im Mittelstand.
"RHEV 3.0 soll Meilenstein werden", sagt Werner Knoblich, General Manager EMEA bei Red Hat. Ein Blick zurück erklärt, weshalb Red Hat dem Launch von RHEV 3.0 eine derart herausragende Bedeutung beimisst.
Zähes Ringen um die Unabhängigkeit
Die ersten Fühler im Virtualisierungs-Markt streckte Red Hat bereits 2007 mit der ersten Version von RHEV (2.0) aus, damals war der Hypervisor noch Xen-basiert. Die Übernahme von XenSource durch Citrix Ende 2007 brachte den OpenSource-Anbieter jedoch technologisch in Zugzwang: Denn die Entwicklergemeinde wandte sich zunehmend von Xen ab, mit der Begründung, Citrix gebe Weiterentwicklungen nicht mehr komplett an die Community zurück, und favorisierte statt dessen die Kernel-based Virtual Machine (KVM) des israelischen Herstellers Qumranet. KVM war 2007 bereits in den Linux-Kernel integriert.
Im Herbst 2009 schließlich setzte Red Hat mit KVM den ersten Meilenstein: der Hypervisor basierte nicht mehr auf Xen, sondern auf KVM. Gleichzeitig brachte der Hersteller zwei Management-Konsolen für virtuelle Server und Desktops auf den Markt. Offenheit war angesichts der gegenseitigen Zertifizierung auch gegenüber Microsoft gewahrt, die Management-Tools basierten teilweise auf Microsoft-Technologie.
Bei den Hardware-Anbietern - von Intel über IBM bis hin zu Cisco und Netapp, lief Red Hat offene Türen ein. Obendrein hatte der damalige Vertriebs- und heutige Deutschland-Chef Rainer Liedtke auch hausintern die Grundlagen geschaffen, um Distributoren und Resellern einen festen Platz in der Vertriebsstrategie zu geben. Zehn Mitarbeiter umfasst das Channel-Team aktuell.
Red Hat sah sich selbst also bestens präpariert, die OpenSource-basierten Lösungen im wachsenden Virtualisierungsmarkt zu etablieren. Doch der Start wollte nicht so recht glücken, das Geschäft lief nur schleppend an.
Der Teufel steckte in der Management-Konsole
"Wir haben den Widerwillen der OpenSource-Nutzer gegen jegliche Berührungspunkte mit Microsoft unterschätzt", zieht Werner Knoblich, General Manager EMEA bei Red Hat, rückblickend Bilanz. "Sie wollten einfach keine Management-Konsole, die auf Microsoft basiert."
Diese Hürde hat Red Hat mit dem Launch von RHEV 3.0 aus dem Weg geräumt. "Die Management-Tools sind jetzt komplett Microsoft-frei", so Knoblich.
Entwickelt wurde die Konsole im Rahmen des oVirt-Projekts, an dem sich zahlreiche Hersteller beteiligen, die sich in der Open Virtualization Alliance (OVA) zusammengeschlossen haben. Ihr Ziel ist es, offene Virtualisierungstechnologien wie KVM zu fördern und zu vertreiben, um Unternehmen eine größere Wahlfreiheit zu bieten. So beschäftigen sich allein bei IBM beispielsweise 60 Mitarbeiter ausschließlich mit der Entwicklung KVM-basierter Lösungen.
"Es wird auch künftig gemischte Umgebungen geben, einen Mix aus physischen, virtualisierten und Cloud-basierten Diensten, die auf unterschiedlichen Hypervisoren fußen. Und mit RHEV und oVirt lässt sich das alles plattformübergreifend managen", erklärt Aram Kananov, Product Marketing Manager EMEA bei Red Hat.
Derzeit arbeitet der OpenSource-Anbieter bereits an der nächsten Management-Generation "CloudForms". In ihr wird künftig der Satelite Server integriert sein, und es Anwendern erlauben, Public und Private-Cloud-Ressourcen zu managen, Applikationen zu verwalten und Workloads sowie virtuelle Maschinen zu verschieben. Hier kommen die Storage-Lösungen, die Red Hat mit der Übernahme von Gluster an Bord geholt hat, zum Zug. "Im Gegensatz zu anderen Anbietern behält der Kunde auch hier die Wahlfreiheit bei der Hardware, denn wir liefern im Storage-Bereich keine Appliances, sondern eine reine Software-Lösung", betont Kananov.
Bleibt die Frage, wo sich Red Hat in einem Marktsegment platzieren will, das - im Server-Bereich - bereits von VMware und zunehmend auch von Microsoft - beherrscht wird.
Wo Red Hat angreifen will
Aus dem Manko des Nachzüglers macht Knoblich auch gar keinen Hehl: "Das Gros unserer bestehenden RHEV-Kunden (84 Prozent) hat bereits VMware im Einsatz." Für Red Hat sei jedoch die entscheidende Frage, "wo VMware eingesetzt wird - und das ist unseren Erkenntnissen zufolge vor allem in Microsoft-Umgebungen. Hier sind die Server zu 50 bis 60 Prozent virtualisiert, in der Welt der Linux-Server nur zu knapp 20 Prozent", erklärt Knoblich. Vor allem in diesem Linux-Markt will sich Red Hat jetzt etablieren, zumal es " hier kaum zu einer Konkurrenz-Situation mit Microsoft kommen wird", schätzt der Red-Hat-Manager. "Mit Microsoft wird sich eher VMware eher im x86-Markt beschäftigen müssen, um die Pfründe zu verteidigen."
Abgrenzung zu VMware
Drei wesentliche Merkmale führt der EMEA-Chef ins Feld, an denen sich RHEV von VMware differenziere: So unterstützt RHEV eine unbegrenzte Anzahl an Gastsystemen und sorge so für eine hohe Performance, bei VMware ist diese Zahl begrenzt. Mehr Schubkraft erwartet sich Knoblich zudem von der großen OpenSource-Gemeinde, bei der Weiterentwicklung beispielsweise der Management-Konsolen (oVirt). Und nicht zuletzt könnten Kunden vom günstigeren Preis- bzw. Lizenzmodell profitieren: Während sich bei VMware der Preise nach dem tatsächlichen Gebrauch (Utility) bemisst, lizenziert Red Hat Socket-basiert. Komplett offen gelegte APIs erleichtern zudem die Einbindung von Drittlösungenn wie Speicher- oder Backup-Systemen.
Online-Marktplatz
Diese ergänzenden Lösungen können Endkunden jetzt über den Red Had MarketPlace selbst beziehen. Die im Marktplatz hinterlegten Tools zur Kapazitätsplanung helfen dem Kunden, die passende Lösung zu finden. "Der Kunde schließt den Vertrag dabei nicht mit dem jeweiligen Anbieter, sondern mit Red Hat. Das vereinfacht die Abwicklung zusätzlich", erklärt Knoblich.
"SMB ist Channel-Geschäft"
Nach wie vor gibt es bei Red Hat direkt betreute Enterprise-Kunden. "Die sind allerdings genau definiert, es gibt eine feste Liste, in der alle Direktkunden namentlich aufgeführt sind. Und auch hier werden zunehmend Partner mit eingebunden. Alle anderen Kunden werden nur von den Partnern betreut", betont Knoblich. "Das Mittelstandsgeschäft ist ausschließlich den Partnern vorbehalten - und das europaweit seit einem Jahr."
Der Anteil des Channel-Geschäfts liege inzwischen bei 65 Prozent und wachse pro Jahr durchschnittlich um zwei bis drei Prozent. "2013 wird es bei 70 Prozent liegen", so die Prognose des EMEA-Chefs.
Bremsen könnte sich das Unternehmen jetzt nur noch selbst: Wie die meisten OpenSource-Anbieter agiert auch Red Hat nach wie vor Technologie-getrieben. Partner klagen seit Jahren über mangelnde Marketing-Unterstützung.
(rb)