Umstellungen von Papier zu elektronischen Dokumenten sollen in Firmen und Behörden Zeit- und Kostenvorteile bringen. Soweit im Alltag Papierdokumente zur Vorgangsbearbeitung benötigt werden, müssen diese bei einem Technologiewechsel digitalisiert werden. Dies betrifft sowohl laufende oder archivierte Vorgänge als auch Posteingänge.
Doch ist ein ersetzendes Scannen überhaupt rechtlich zulässig? Und welche technischen Rahmenbedingungen sind notwendig, um Rechtssicherheit zu erreichen? Projekte, die auf die elektronische Abwicklung von Geschäftsprozessen abzielen, sollten auf jeden Fall den rechtlichen Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit widmen.
Rechtliche Ausgangslage
Bei der rechtlichen Betrachtung ist im ersten Schritt zu klären, ob ein ersetzendes Scannen überhaupt zulässig ist. Ein Papierdokument kann gescannt und anschließend vernichtet werden, wenn keine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen für eine Aufbewahrung bestehen. Daneben ist zu prüfen, ob sich aus eigenen Interessen unabhängig von rechtlichen Verpflichtungen ein Aufbewahrungsbedürfnis ergibt.
1. Zivilrechtliche Erklärungen
Die Rechtswirksamkeit einer zivilrechtlichen Erklärung wird durch das Papierdokument begründet. Durch das Scannen eines Dokuments und dem Aufbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur geht die Rechtswirksamkeit nicht verloren, denn das elektronische Dokument weist auf die papiergebundene rechtswirksame Erklärung hin. Dies gilt auch für den Fall der gesetzlichen Schriftform. Durch das elektronisch archivierte Dokument mit der qualifizierten Signatur kann nachgewiesen werden, dass die Erklärung in Schriftform und damit rechtswirksam erfolgt ist.
Das Aufbewahren des gescannten Papierdokumentes, ist nicht erforderlich, da das elektronische Dokument ein Abbild der rechtswirksamen Erklärung ist. Damit kann das Papierdokument, das gescannt worden ist, aus zivilrechtlicher Sicht vernichtet werden. Die qualifizierte elektronische Signatur verbunden mit einer revisionssicheren Archivierung der Dokumente ist die Basis für eine rechtssichere digitale Aufbewahrung von Dokumenten.
2. Gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften
Gesetzliche Aufbewahrungsvorschriften finden sich in verschiedenen rechtlichen Regelungen. Dokumentation- und Aufbewahrungsvorschriften ergeben sich beispielsweise aus den §§ 238 ff. HGB und den dort festgelegten Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung. Auch die Abgabenordnung regelt Anforderungen in § 147 Abs. 3 und Abs. 4 AO. Medizinische Dokumentationspflichten und damit verbundene Aufbewahrungsvorschriften können sich aus den Berufsordnungen oder der Röntgenverordnung ergeben.
Werden Aufbewahrungspflichten verletzt, kann dies sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Aus diesem Grund empfiehlt sich bei Projekten zum ersetzenden Scannen die genaue Prüfung für die jeweiligen Dokumenten-Kategorien, inwieweit gesetzliche Regelungen einschlägig sind.
3. Beweiswert elektronischer Dokumente
Ein elektronisches Dokument ist keine Urkunde, da es in materialisierter Form von dem Aussteller nicht unterzeichnet ist. Damit ist ein elektronisches Dokument ein Objekt des Augenscheins, wie es im Zivilprozess heißt, und unterliegt der freien Beweiswürdigung des jeweiligen Gerichts. Die freie Beweiswürdigung wird insbesondere durch die Integrität und Authentizität eines Dokuments bestimmt. Wenn der Scanvorgang mit der qualifizierten elektronischen Signatur eine Integrität und Authentizität eines Dokuments revisionssicher sicherstellt, ergibt sich daraus eine hohe Beweisqualität. Das Dokument ist gegen Änderungen geschützt. Dies ist ein Weg um auf Papierdokumente, die gescannt worden sind, zu verzichten und diese zu vernichten.
Ausgestaltung des ersetzenden Scannens
Wenn die Rechtsfrage geklärt ist, ob aus vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen eine Aufbewahrung von Dokumenten notwendig ist, ist zu prüfen, ob besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Scannprozesses bestehen. Mit der organisatorischen Ausgestaltung des Scannprozesses soll sichergestellt werden, dass durch das ersetzende Scannen keine nachteiligen Folgen eintreten. Dabei ergeben sich verschiedene Bearbeitungsphasen.
Aus rechtlicher Sicht ist in der ersten Phase zu klären, ob das Papieroriginal echt ist. Anschließend muss sichergestellt sein, dass in der zweiten Phase eine korrekte Übertragung des Papierdokuments in elektronische Daten erfolgt. Insbesondere für rechtliche und gerichtliche Auseinandersetzung muss im Zweifel ein Nachweis erbracht werden, dass während des ersetzenden Scannens Veränderungen an den Dokumenten nicht möglich sind oder waren. In der dritten Phase ist sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente auffindbar sind und nicht verfälscht werden können (Revisionssicherheit).
Technische Richtlinie
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erstellt derzeit eine technische Richtlinie 03138 zum ersetzenden Scannen. Sie trägt das Kürzel "BSI TR RESISCAN - 03138". Unter dem Datum vom 9.10.2012 ist eine Version 0.90 vom BSI zur öffentlichen Kommentierung online gestellt worden. In dem Dokument werden unter anderem Hinweise für die Methodik, beispielsweise für eine Strukturanalyse, Schutzbedarfsanalyse oder Risikoanalyse gegeben. Weiterhin werden getrennt nach einem Basismodul und einem Aufbaumodul verschiedene Sicherheitsmaßnahmen beschrieben, die ein ersetzendes Scannen insgesamt rechtssicher ermöglichen sollen.
Das BSI betrachtet dabei den gesamten Workflow, vom Vorgang der elektronischen Erfassung von Papierdokumenten mit dem Ziel der elektronischen Weiterverarbeitung und Aufbewahrung bis hin zur späteren Vernichtung des papiergebunden Originals. Das BSI weist darauf hin, dass die technische Richtlinie nicht die Zulässigkeit des ersetzenden Scannens als solches regelt, sondern die technischen Anforderungen im Blick hat.
Digitalisierung in der Poststelle
In Projekten, die eine möglichst medienbruchfreie Gestaltung von Geschäftsvorfällen ermöglichen sollen, werden auch Fragen zur Digitalisierung von Papier-Posteingängen ein Thema sein. Ziel ist es, alle Posteingänge im Geschäftsprozess als elektronische Dokumente zur Verfügung zu stellen. Die organisatorische Herausforderung besteht darin, eingehende Post richtig zu klassifizieren und der jeweils angemessenen Vorgangsbearbeitung zuzuführen. Gerichtliche Titel, die im Original für die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen benötigt werden oder im Original unterschriebene Verträge dürfen nicht digitalisiert und anschließend vernichtet werden.
Auf der anderen Seite muss nicht jede Werbung, die per Post bei einer Verwaltung oder bei einem Unternehmen eingeht, rechtssicher in ein elektronisches Dokument verwandelt werden. In der Praxis werden dafür verschiedene Dokumente-Kategorien gebildet, für die im Einzelnen festgelegt wird, wie diese zu verarbeiten sind. Die tägliche Anwendung muss dann intensiv mit den Mitarbeitern geschult werden, um fehlerhafte Kategorisierung und/oder Vernichtung zu vermeiden.
Im Bereich der öffentlichen Verwaltung wird darüber hinaus die Einrichtung einer virtuellen Poststelle diskutiert. In Ergänzung zu der bestehenden Infrastruktur soll so eine Behörde die Möglichkeit haben, ausschließlich online zu kommunizieren. Verfolgt eine Behörde das Ziel, Geschäftsprozesse vollständig online abzuwickeln, um diese effektiv zu bearbeiten, bedarf es äquivalenter Lösungen zu den rechtsverbindlich papierbasierten Geschäftsabläufen.
Digitale Archivierung
Bei der digitalen Archivierung sind drei Elemente zu betrachten. Aufbewahrungsobjekt sind Daten, beispielsweise betriebswirtschaftliche Anwendungsdaten, Stamm und Bewegungsdaten aus geschäftlichen Aktivitäten. Daneben können Programme und auch Unterlagen in Form von aufbereiteten betriebswirtschaftlichen und steuernden Daten Gegenstand der Archivierung sein.
Sowohl kaufmännische als auch steuerliche Vorschriften sind bei der digitalen Archivierung zu beachten. Kaufleute haben gemäß den §§ 238, 257 HGB die Pflicht, Unterlagen einzelner Geschäftsvorfälle aufzubewahren. Die Abgabenordnung fordert in steuerlicher Hinsicht Ähnliches. Die Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) sind zu beachten.
§ 146 Abs. 1 AO fordert, dass die Buchung und die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen sind. Diese Grundsätze sind auf eine digitale Archivierung anzuwenden.
Wenn Unternehmen sich mit dem Gedanken tragen, steuerlich relevante Daten außerhalb von Deutschland zu archivieren, sollte dies vorab mit dem Finanzamt geklärt werden. Nach § 145 Abs. 2 AO sind Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen im Geltungsbereich der Abgabenordnung zu führen und aufzubewahren. Wer steuerlich relevante Daten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufbewahren möchte, muss dazu bei der zuständigen Finanzbehörde einen schriftlichen Antrag stellen und benötigt die Bewilligung der Finanzbehörden. Archivierungen von steuerlich relevanten Daten außerhalb der EU sind nach der Abgabenordnung unzulässig. Die Aufbewahrungsfrist beträgt überwiegend zehn Jahre, in einigen Fällen sechs Jahre.
Anforderungen an eine rechtskonforme Vernichtung
Die Vernichtung von Informationsträgern nach dem ersetzenden Scannen ist datenschutzgerecht durchzuführen. Einzelheiten werden in der DIN 32757 geregelt, die sich auf die Vernichtung personenbezogener Daten konzentriert. Für Schriftgut sind Sicherheitsstufen für die Aktenvernichtung festzulegen. Die Vernichtung der Originaldokumente trägt so den datenschutzrechtlichen Grundsätzen der Datenvermeidung und Datensparsamkeit Rechnung.