Zunächst zur Begriffsklärung: "Videoüberwachung" ist ein wertender Begriff, der ein technisches Instrument ("Video") angibt, das für einen bestimmten Zweck ("Überwachung") eingesetzt wird.
Mit "Video" wird meist eine "Videokamera" bezeichnet, also eine Kamera, die bewegte Bilder aufnimmt und in elektrische/elektronische Signale umwandelt. Normalerweise geht der Sprachgebrauch davon aus, dass die Bilder auch aufgezeichnet werden (Videorekorder). Sofern die Bilddaten digital vorhanden sind, können sie entsprechend weiterverarbeitet werden.
Der Begriff ist unscharf
Die Verknüpfung des Begriffs "Video" mit dem Begriff "Überwachung" führt zu Assoziationen wie "Heimlichkeit", "Überwachungsstaat", "gläserner Bürger" usw. Damit ist jede Diskussion, die sich noch anschließen kann, negativ geprägt. Von diesem begrifflichen Vorgehen sind auch gesetzliche Regelungen nicht frei. So verwendet etwa § 6b Abs. 1 BDSG zunächst sehr exakt
anstelle des Begriffs "Video" die präzisere Bezeichnung "optisch-elektronische Einrichtung" und
spricht anstatt von "Überwachung" zunächst von "Beobachtung".
Dann jedoch definiert die Bestimmung durch einen Klammerzusatz, dass "die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen" als "Videoüberwachung" anzusehen ist. Damit erhalten entsprechende Aktivitäten von vornherein eine negative Vorprägung. Der Begriff ist zudem technisch gesehen nicht exakt, da er verschiedenste Aktivitäten einschließt, die höchst unterschiedliche Interessen der Beteiligten berühren. Diese Unterschiede werden im Folgenden skizziert.
Videoüberwachung und Datenschutz
Der Einsatz von Systemen zur Videoüberwachung ist aus Sicht von Datenschutzexperten nicht unproblematisch. So warnt etwa der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auf seiner Webseite davor, dass durch Videoüberwachung einerseits nicht mehr die Kontrolle über das eigene Bild gegeben ist. Andererseits würden auch unverdächtige Personen "ihr Verahlten vorauseilend ändern". Darin sieht er einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Bürger.
Daher seien hohe rechtliche Anforderungen an die Überwachung per Video zu stellen. Insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) seien hier zu beachten. Der Bundesbeauftragte weist in diesem Zusammenhang auch auf neuere technische entwicklungen wie Dash-Cams in Fahrzeugen und Drohnen hin. Häufig würden "dauerhaft, wahllos sowie unbegrenzt aufgezeichnet und gespeichert, ohne darauf zu achten, ob dies wirklich notwendig ist". Zudem seien "Hinweise auf die Aufzeichnung entweder kaum erkennbar oder erst gar nicht vorhanden".
Eine Arbeitsgruppe des Europäischen Datenschutzausschusses hat vor kurzem eine Leitlinie zur Videoüberwachung nach der DSGVO (PDF) ausgearbeitet. In ihr gibt die Arbeitsgruppe einen Überblick zu wichtigen datenschutzrechtlichen Aspekten und behandelt zudem auch aktuelle Formen der Videoüberwachung.
Technische Möglichkeiten
Reine Fernbeobachtung
Beispiel 1: Um die Liefereinfahrt nicht mit einem eigenen Pförtner besetzen zu müssen, wird dort eine Beobachtungskamera angebracht. Ihre Aufnahmen sind 1:1 auf einem Bildschirm in der Hauptpforte zu sehen. Bildaufzeichnungen finden nicht statt.
Dieses System ist lediglich eine Art "verlängertes Auge" des Pförtners. Die etwaige Beeinträchtigung von Interessen Betroffener kann
in der Tatsache der Beobachtung als solcher und
in der Heimlichkeit einer solchen Beobachtung
liegen.
Fernbeobachtung plus Zoom-Funktion
Beispiel 2: Um die Kennzeichen von Lieferantenfahrzeugen besser erkennen zu können, wird die oben angesprochene Kamera mit einer "Zoom-Funktion" ausgestattet.
Darin liegt eine mögliche zusätzliche Beeinträchtigung der Betroffenen, denn jetzt ist – vor allem, wenn sich im unmittelbar von der Kamera erfassten Bereich Personen bewegen – die Beobachtung von Details möglich.
Anfertigung von Aufzeichnungen
Beispiel 3: Um im Nachhinein feststellen zu können, wer sich wann auf dem Gelände befunden hat, werden die Aufnahmen aufgezeichnet.
Darin liegt eine möglicherweise erhebliche zusätzliche Beeinträchtigung der Betroffenen. Während eine Beobachtung automatisch dann endet, wenn der Betroffene den von der Kamera erfassten Bereich verlässt, kann sie hier jederzeit erneut wiedergegeben und das Ergebnis auch an Dritte weitergegeben werden.
Durchführen von Bildabgleichen
Beispiel 4: Um "unliebsamen" Besuchern den Zugang verwehren zu können, wird in einer Datenbank eine "schwarze Liste" geführt. Wenn ein Fahrzeug vorfährt, wird das Kennzeichen von der Kamera erfasst, mit einer Bilderkennungssoftware eingelesen und mit der schwarzen Liste abgeglichen. Liegt ein Treffer vor, bekommt der Pförtner einen entsprechenden Hinweis.
Die mögliche Beeinträchtigung geht hier deutlich über die Aufnahme an sich hinaus. Der Betroffene sieht sich zusätzlichen Maßnahmen ausgesetzt, etwa einer Verweigerung des Zugangs.
Mit den heute verfügbaren Techniken können Kfz-Kennzeichen – wie auch viele andere Objekte in Bildern – auch unter ungünstigen Umständen (Dämmerlicht, Nieselregen usw.) zuverlässig erkannt werden.
Unterschied zwischen "1:1-Vergleich" und "1:n-Vergleich"
Beispiel 5: Die deutschen Reisepässe enthalten einen Chip, auf dem das Bild des Passinhabers als Zahlenformel (nicht als fotografisches Bild) gespeichert ist. Bei einer Kontrolle wird ein Bild des Passinhabers angefertigt, "verformelt" und mit der Bildformel auf dem Chip verglichen. Weil beide Formeln nicht übereinstimmen, nimmt die Polizei den Betroffenen mit zur Wache, um seine Identität aufzuklären.
Dieses (in § 16a PassG geregelte) Verfahren stellt einen "1:1-Vergleich" dar, weil es ohne Rückgriff auf eine Referenzdatenbank auskommt. Es bildet deshalb einen weniger belastenden Eingriff als das oben geschilderte Beispiel Nr. 4, wo – rein vorbeugend – eine Referenzdatenbank angelegt ist. Besteht die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten, ist der "1:1-Vergleich" vorzugswürdig.
Es wiederholt sich hier die Problematik, die sich generell beim Einsatz biometrischer Systeme stellt. Sofern ein Videosystem zum Bildabgleich benutzt wird, wird es zu Zwecken der Biometrie eingesetzt.
Überblick zu den anwendbaren Rechtsregeln
Öffentliche Stellen
Sofern öffentliche Stellen Beobachtungen und Aufnahmen durchführen, kann eine Vielzahl von Rechtsregeln ins Spiel kommen:
Sofern die Polizei Kameras anbringt, um Straftaten vorzubeugen ("präventives Handeln"), etwa an öffentlichen Plätzen, ist auf die Rechtsgrundlagen in den Polizeigesetzen zurückzugreifen, und zwar bei der Polizei eines Landes auf das jeweilige Landespolizeigesetz, bei der Bundespolizei auf das Bundespolizeigesetz.
Bringt die Polizei eine Kamera an, um eine Straftat aufzuklären ("repressive Tätigkeit"), ist auf entsprechende Regelungen der Strafprozessordnung zurückzugreifen (siehe etwa § 100f StPO).
Für Aktivitäten sonstiger Behörden ist bei Landesbehörden das jeweilige Landesdatenschutzgesetz maßgeblich, bei Bundesbehörden § 6b BDSG.
Nicht-öffentliche Stellen
Sofern private Stellen aktiv werden, richtet sich der Blick meist sofort auf § 6b BDSG. Dabei wird oft übersehen, dass § 6b BDSG nur die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume regelt, nicht dagegen die Beobachtung anderer Räume. Insoweit ist auf die allgemeinen Regelungen zurückzugreifen, die für Datenerhebungen gelten, vor allem auf § 28 BDSG.
Öffentliche Wiedergabe von Aufzeichnungen
Bisweilen sind in Fernsehsendungen Aufzeichnungen zu sehen, die aus Videoüberwachungen stammen und mehr oder weniger lustige Szenen zeigen. Sie stammen durchweg aus dem Ausland, so gut wie niemals aus Deutschland. Das liegt daran, dass bei solchen Wiedergaben die Regelungen für das Recht am eigenen Bild zu beachten sind. Sie sind in im Kunsturheberechtsgesetz enthalten und lassen eine öffentliche Wiedergabe im Regelfall nur mit Einwilligung des Betroffenen zu. Siehe dazu das Stichwort Recht am eigenen Bild.
Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume
Das Gesetz definiert nicht selbst, was es unter "öffentlich zugänglich" versteht. Abgehoben wird in der Literatur entweder darauf,
dass die Zugänglichkeit nach allgemeinen Merkmalen bestimmt wird, die von jedermann erfüllt werden können oder darauf
dass die Räume nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann betreten werden dürfen.
Das Ergebnis ist bei beiden Definitionen normalerweise identisch.
Typische Beispiele:
Frei zugängliche Verkaufsräume (nicht dagegen z. B. die Verkaufsräume eines Juweliers, zu denen man erst Zugang erhält, wenn man läutet und dann eingelassen wird oder auch nicht).
Treppenhäuser (nicht jedoch, wenn die Zugangstür erst mit einem Schlüssel geöffnet werden muss).
Hotellobby (es sei denn, man muss erst einen Portier passieren, so dass eine Art Zugangskontrolle besteht).
Auch die freie Natur ist öffentlich zugänglicher Raum. Das ist von Bedeutung beim Einsatz von "Wildkameras" durch Jäger usw.
Der Begriff "Raum" ist im Sinn von "Bereich" verwendet. Er muss also nicht überdacht sein.
Beispiel: Ein Vorplatz, der umzäunt ist, bei dem das Tor aber offen steht, ist ein Raum in diesem Sinn.
Ein Raum kann seinen rechtlichen Charakter wandeln, wenn sich die Umstände ändern.
Beispiel: Bei Ladenschluss werden die Verkaufsräume für das Publikum geschlossen. Folge: aus dem öffentlichen wird ein nicht-öffentlicher Raum. Eine Videoüberwachung ist zulässig, § 6b BDSG nicht anwendbar.
Durchführung einer "Videoüberwachung" und Einsatz von Attrappen
Dieses Merkmal wird dann problematisch, wenn mit Kameraattrappen gearbeitet wird. Meist wird argumentiert, dass auch eine Attrappe als Videoüberwachung anzusehen ist, da der Betroffene unter demselben Überwachungsdruck stehe wie bei einer echten Kamera. Das hört sich sehr konsequent an. Es führt aber zu Problemen bei der Hinweispflicht. Dennoch ist dieser Auffassung zu folgen.
Zu Problemen kann es führen, wenn eine Attrappe eingesetzt wird, dies dem Betroffenen aber verborgen bleibt und durch die Attrappe eine besondere Sicherheit suggeriert wird, die gar nicht besteht.
Beispiel: Ein Hotelparkplatz wird mit einer Kameraattrappe "überwacht". Als das Auto eines Hotelgastes beschädigt wird, bittet er um die Aufnahmen, um mit ihrer Hilfe den Täter überführen zu können. Er hat gute Chancen, den Schaden vom Hotel ersetzt zu bekommen. Letztlich ist er vom Hotel getäuscht worden, was den Vertrag verletzt, den er mit ihm geschlossen hat.
Unerheblich ist für § 6b BDSG, ob Bilder gespeichert werden oder nicht. Auch insoweit greift das Argument des Überwachungsdrucks.
Rechtfertigung der Überwachung durch einen gesetzlichen Grund
Jede Videoüberwachung eines öffentlich zugänglichen Raums setzt voraus, dass einer der im Gesetz vorgesehenen drei Rechtfertigungsgründe für eine solche Überwachung vorliegt.
Der in § 6b Abs. 1 Nr. 1 BDSG genannte Grund der "Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen" ist dabei naturgemäß nur für solche Stellen bedeutsam, nicht dagegen für Privatunternehmen. Das wäre allenfalls denkbar, wenn Privatunternehmen im Auftrag einer öffentlichen Stelle handeln. Dann wären die Besonderheiten der Auftragsdatenverarbeitung (§ 11 BDSG) zu beachten.
Wahrnehmung des Hausrechts durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen
Für private Stellen ist vor allem § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG bedeutsam, die Wahrnehmung des Hausrechts. Der Begriff ist im BDSG nicht eigens geregelt. Zurückzugreifen ist daher auf den Inhalt, den der Begriff in der Regelung des "Hausfriedensbruchs" hat (siehe dazu § 123 StGB).
§ 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG kann nur angewandt werden, wenn bezüglich eines bestimmten Bereichs tatsächlich ein "Hausrecht" in diesem Sinn besteht. Dazu ist es vor allem erforderlich, dass ein nach außen erkennbar abgegrenzter Bereich vorliegt.
Beispiele: Der Parkplatz eines Unternehmens ist durch Randsteine von 10 cm Höhe zur Wiese, die daneben liegt, abgegrenzt. - Es liegt ein erkennbar abgegrenzter Bereich vor, obwohl das "Hindernis", das ihn von der Umgebung trennt, leicht zu überwinden ist. Eine Berufung auf das Hausrecht ist möglich.
Ein Jäger will wissen, was sich nachts in der Tierwelt seines Jagdreviers abspielt. Dazu installiert er mitten im Wald eine Videokamera. Das Waldstück ist von allen Seiten frei zugänglich, wenn es auch keine gekennzeichneten Wege gibt, die dort durchführen. Es liegt kein erkennbar abgegrenzter Bereich vor. Eine Berufung auf das Hausrecht kommt hier nicht in Betracht.
Der Besitzer eines Wochenendhauses mitten im Wald ist immer wieder mit Sachbeschädigungen konfrontiert. Das Hausgrundstück ist umzäunt. Er installiert eine Videokamera, die nur das eigene Grundstück mit dem Haus erfasst. - Es liegt ein abgegrenzter Bereich vor. Eine Berufung auf das Hausrecht ist möglich, obwohl sich der Hausbesitzer möglicherweise nur sehr selten in dem Anwesen aufhält.
Der Wunsch zu wissen, was im eigenen Bereich geschieht, genügt als Rechtfertigung für eine Videoüberwachung im Rahmen des Hausrechts. Es ist also nicht erforderlich, dass es schon zu unerwünschten Zwischenfällen kam usw. Dies wird allerdings von manchen Datenschutzaufsichtsbehörden strenger gesehen.
Wahrnehmung berechtigter Interessen durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen
Eher selten wird man auf § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG als Rechtfertigungsgrund zurückgreifen müssen ("Wahrnehmung berech tigter Interessen"), da das Hausrecht schon sehr weit geht. In jedem Fall wäre aber das Argument der Sicherheit für Gäste, Mitarbeiter oder Eigentum ein berechtigtes Interesse. Wo die rechtlichen Grenzen verlaufen, zeigen eher exotische Fallkonstellationen, die das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht beschrieben hat:
Beispiel: Ein Jäger bringt auf einer frei zugänglichen Privat-Waldfläche neben einem Waldweg eine Videokamera an, um das Wild in diesem Bereich zu beobachten. Dies ist unzulässig. Maßgebend ist die Vorschrift des § 6b BDSG, da es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum handelt, die Interessen des Jägers an einer Überwachung eher allgemeiner Art sind und Spaziergänger usw. nicht damit rechnen müssen, dass sie mitten im Wald gefilmt werden.
Der Jäger bringt die Kamera in einem Bereich an, der kaum zu betreten ist. Es handelt sich um ein Dornendickicht, durch das auch kein Weg führt. Interessen von Spaziergänger usw. können hier kaum berührt sein. Deshalb genügt in einem solchen Bereich auch das allgemeine Interesse an der Wildbeobachtung, um eine Überwachung zu rechtfertigen.
Der Jäger bringt die Kamera direkt neben einem stark frequentierten Waldweg an, sie ist jedoch so eingestellt, dass beispielsweise nur der Eingang zu einer Dachshöhle erfasst wird, der recht versteckt was direkt neben dem Waldweg liegt. Bei dieser Konstellation ist nicht damit zu rechnen, dass personenbezogene Daten erfasst werden. Deshalb ist ein solches Vorgehen zulässig.
Der Jäger muss immer wieder erleben, dass ein Hochsitz angesägt wird, der fast direkt neben einem Waldweg liegt. In diesem Fall überwiegen seine Interessen, nicht zu Schaden zu kommen und es ist gerechtfertigt, wenn er eine Kameras so anbringt, dass nur der gefährdete Bereich des Hochsitzes erfasst wird - und zwar auch dann, wenn es dadurch zu Aufnahmen von Personen kommt.
Zu schwierigen Konstellationen führt es, wenn Fahrzeuge und ähnliche Objekte überwacht werden sollen, die dem Überwachenden gehören, aber auf öffentlichen Flächen stehen, die sich nicht in seinem Eigentum befinden.
Beispiel: Ein Stalker nimmt am Fahrzeug seines Opfers, das auf einer öffentlichen Straße vor dem Haus des Opfers geparkt ist, immer wieder Manipulationen vor. Das Opfer weiß ich nicht mehr anders zu helfen als von seinem Haus aus Videoaufnahmen des Fahrzeugs anzufertigen. Dabei ist es unvermeidlich, dass in geringem Umfang auch öffentlicher Straßenraum ins Bild gerät. Als das Opfer die Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht präsentiert, argumentiert der Täter, die Aufzeichnungen seien unzulässig gewesen und dürften deshalb nicht als Beweismittel verwendet werden.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Beschluss vom 27.10.2010 - 9 UF 73/10) sah dies jedoch anders. Es war der Auffassung, dass in einem solchen Fall der "Beweisnot" die Interessen des Opfers überwiegen.
Verwendung aufgezeichneter Bilder
Hier sind die Beschränkungen des § 6b Abs. 3 BDSG zu beachten: Verwendung der aufgezeichneten Bilder nur für den bei der Aufzeichnung verfolgten Zweck.
Beispiel: Ein Wirt überwacht die Geschehnisse in seinem Biergarten per Kamera. Er dürfte die Aufzeichnungen auswerten, um z. B. Sachbeschädigungen aufzuklären.
Nicht erlaubt wäre es dagegen, dass er die Aufnahmen als "Aktuelle Webcam" ins Internet stellt. Dies würde gegen das Recht am eigenen Bild gemäß Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) verstoßen.
Lösung für die Praxis: Auflösung oder Entfernung der Kamera zu Personen werden so verändert, dass niemand mehr individuell erkennbar ist. Dann fehlt der Personenbezug, der eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 6b BDSG insgesamt darstellt.
Hinweispflicht
§ 6b Abs. 2 BDSG schreibt vor, dass erkennbar zu machen sind:
der Umstand (also die Tatsache) der Beobachtung und
die dafür verantwortliche Stelle.
Hierfür gibt es ein DIN-Piktogramm (DIN 33450). Bei ihm muss allerdings noch die verantwortliche Stelle ergänzt werden.
Falls nur eine Kameraattrappe verwendet wird, ist der Hinweis auf eine Beobachtung objektiv gesehen falsch, da ja gerade nicht beobachtet wird. Dennoch ist er nötig, da ja auch in diesem Fall ein Überwachungsdruck empfunden wird. Der Sinn des Hinweises besteht darin, dass der Betroffene den überwachten Raum meiden kann, wenn er die Beobachtung nicht akzeptiert.
Vorsicht ist bei dem Argument geboten, die Angabe der verantwortlichen Stelle sei entbehrlich, wenn sie den Umständen nach ohnehin klar sei (etwa in einer Bank). Angesichts der heute üblichen verschachtelten Rechtsstrukturen von Unternehmen ist fast nichts mehr alleine aufgrund irgendwelcher (welcher?) Umstände klar. Auf diese Angabe sollte also generell nicht verzichtet werden.
Löschungspflicht
Die Dauer einer Speicherung von Aufnahmen ist durch den Zweck begrenzt, für den sie erstellt wurden (§ 6b Abs. 5 BDSG).
Beispiel: Tankstellen zeichnen Tankvorgänge auf, um Betrüger zu überführen. Da solche Betrügereien beim täglichen Kassenschluss auffallen, genügt eine Speicherung von maximal vier bis fünf Arbeitstagen. Danach sind die Aufnahmen zum Beispiel zu überschreiben ("Endlosschlaufe").
Wird ein Vorfall festgestellt, können sie natürlich länger (bis zur Klärung der Sache) aufbewahrt werden.
Beobachtung nicht-öffentlich zugänglicher Räume
Gerade in Unternehmen gibt es zahlreiche nicht-öffentliche Bereiche, bei denen der Zutritt den "eigenen Leuten" vorbehalten ist: Büros, Werkstätten, Lagerräume. Es ist stark umstritten, welche Rechtsvorschriften bei einer Videoüberwachung solcher Bereiche anwendbar sind. Folgende Positionen bestehen:
Position 1: Keine Anwendbarkeit von § 6b BDSG, dafür Rückgriff auf § 28 BDSG (Datenerhebung, -verarbeitung oder Nutzung für eigene Zwecke).
Diese Position hat den Vorteil, dass der Wortlaut des § 6b BDSG ("öffentlich zugängliche Räume) respektiert wird und in Gestalt von § 28 BDSG ein gesetzlicher Maßstab vorhanden ist.
Position 2: Anwendung weder von § 6b BDSG noch von § 28 BDSG
Dies ist die Auffassung des Innenministeriums Baden-Württemberg als Datenschutzaufsichtsbehörde. Die Begründung dieser auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehenden Position lautet wie folgt:
§ 6b BDSG gilt für die Überwachung von Arbeitnehmern nur, wenn diese in "öffentlich zugänglichen Räumen" stattfindet. Öffentlich zugänglich sind nur solche Räume, die ihrem Zweck nach dazu bestimmt sind, von einer unbestimmten Zahl oder nach nur allgemeinen Merkmalen bestimmten Personen betreten und genutzt zu werden. Dazu zählen beispielsweise Ausstellungsräume eines Museums, Verkaufsräume oder Schalter hallen. Nicht öffentlich zugänglich sind hingegen Räume, die nur von einem bestimmten Personenkreis betreten werden dürfen.
Eine analoge Anwendung des § 6b BDSG auf nicht öffentlich zugängliche Räume scheidet nach dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aus. § 28 BDSG ist auf solche Fälle ebenfalls nicht anwendbar, weil der Gesetzgeber mit § 6b BDSG erkennbar eine eigenständige, anderen Vorschriften des BDSG vorgehende Regelung für die Videoüberwachung schaffen wollte und zwar unabhängig davon, ob es sich um öffentlich zugängliche Räume handelt oder nicht.
Das Ergebnis beider Positionen liegt allerdings nicht so weit auseinander, wie man zunächst vermuten könnte:
Wendet man § 28 BDSG an (so Position 1), dann stellt sich die Frage, mit welchen Kriterien man bei der Interessenabwägung arbeitet, die diese Vorschrift vorsieht.
Wendet man dagegen weder § 6 BDSG noch § 28 BDSG an, muss eine Streitigkeit nach irgendwelchen anderen Maßstäben entschieden werden.
Im Ergebnis greifen beide Meinungen auf Grundsätze zurück, die das Bundesarbeitsgericht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern entwickelt hat. Sie unterscheiden danach, ob die Videoüberwachung offen oder verdeckt erfolgt.
Rolle von Paragraph 32 BDSG
Angesichts der im Jahr 2009 neu eingeführten Vorschrift des § 32 BDSG (Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) ist ergänzend für diese Diskussion noch Folgendes zu beachten:
§ 28 BDSG ist seit Einführung des § 32 BDSG auf Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr anwendbar; stattdessen ist auf § 32 BDSG zurückzugreifen. Inhaltlich andere Ergebnisse wollte der Gesetzgeber dadurch ausdrücklich nicht herbeiführen. Dennoch muss stets überprüft werden, ob es im konkreten Fall nicht doch zu Abweichungen kommt. Auch bleibt abzuwarten, ob sich wegen der leicht abweichenden Formulierung nicht doch im Einzelfall die Ergebnisse der Rechtsprechung ändern.
Ergänzende strafrechtliche Vorschriften
Strafrechtliche Risiken bestehen, wenn Räume überwacht werden, die gegen Beobachtung von außen besonders geschützt sind. Im betrieblichen Bereich wären dies zum Beispiel Toilettenkabine oder Räume zum Umziehen. In solchen Fällen kommt eine Strafbarkeit nach § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs durch Bildaufnahmen) in Betracht.
Die Anwendbarkeit dieser Strafvorschrift hängt nicht davon ab, welche datenschutzrechtliche Vorschrift im Übrigen anwendbar ist. Entscheidend ist der in der Strafvorschrift selbst für sie definierte Anwendungsbereich.
Offene und verdeckte Videoüberwachung
Offene Videoüberwachung
"Leitentscheidung" ist hier der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29.6.2004 - 1 ABR 21/03. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Beispiel: Da in einem Briefverteilungszentrum täglich von 2,5 Millionen Briefsendungen etwa 300 verloren gingen (Ursache unbekannt), wollte der Arbeitgeber das Briefzentrum durch Kameras überwachen (50 Stunden pro Woche ohne Ankündigung).
Das Gericht sah dafür keine Rechtsgrundlage: § 6b BDSG ist nicht anwendbar, da das Zentrum keinen öffentlich zugänglichen Raum darstellt.
§ 28 BDSG (jetzt: § 32 BDSG) ist wohl ebenfalls gar nicht anwendbar. Zumindest sind aber seine Voraussetzungen nicht erfüllt. Die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer, gegen die sich keinerlei konkreter Verdacht richtet, werden zu stark beeinträchtigt. Sie müssen sich ständig überwacht fühlen. Eine besondere Gefährdungslage ist nicht dargelegt.
Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
Verdeckte Videoüberwachung
"Leitentscheidung" ist hier das Urteil vom 27.3.2003 - 2 AZR 51/02. Dabei ging es um folgenden Sachverhalt:
Beispiel: Es geht um eine Kündigung wegen Unterschlagungen an der Kasse eines Getränkemarkts. Als Beweis wurden dem Gericht heimliche Videoaufnahmen vorgelegt.
Gestritten wird darum, ob sie als Beweismittel verwendet werden dürfen. Das Gericht hat das bejaht, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
Es muss ein erheblicher Verdacht vorliegen. Hier ergab er sich aus beträchtlichen Kassendifferenzen.
Der Verdacht muss sich auf eine bestimmte Person konzentriert haben.
Andere effektive Überwachungsmaßnahmen dürfen nicht möglich sein. Ein Argument ist hier insbesondere die Heimlichkeit der Tat, um die es geht.
Die Überwachung muss zeitlich auf das notwendige Maß begrenzt sein (keine Dauereinrichtung).
Sofern sich der Verdacht nicht bestätigt, sind die Aufnahmen zu löschen. Strittig ist, ob der Betroffene nach einer erfolglosen Überwachung darüber informiert werden muss. Gerichtliche Entscheidungen dazu gibt es noch nicht. Rechtlicher Ansatzpunkt wäre die Fürsorgepflicht.
Rechtsfolgen unzulässiger Überwachungsmaßnahmen und Checkliste
Sofern eine Videoüberwachung unzulässig ist, haben Betroffene (auch potenziell Betroffene) einen Unterlassungsanspruch. Er wird rechtlich unterschiedlich abgeleitet (sei es aus einer entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB, sei es direkt aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht am eigenen Bild, sei es aus einer Kombination von beidem), doch ist es unstreitig, dass dann ein solcher Anspruch existiert.
Anspruch auf Schadensersatz
Auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist denkbar. Entsprechende Gerichtsverfahren kommen in der Praxis durchaus vor:
Beispiel: Ein Arbeitgeber installierte in dem Büro, in dem die beiden Klägerinnen arbeiteten, eine deutlich sichtbare Videokamera. Dadurch wollte er den Besprechungsbereich und den Eingangsbereich des Büros überwachen. Die Zoom-Funktion ließ sich jedoch auch so bedienen, dass die Arbeitsplätze der Klägerin erfasst wurden. Wenn eine Aufnahme erfolgte, leuchtete an der Kamera eine Lampe. Die Klägerinnen konnten jedoch nie wissen, ob die Kamera dann auch auf ihre Arbeitsplätze gerichtet war. Besondere Gründe für eine solche Überwachungsmaßnahme konnte der Arbeitgeber nicht nennen. Die beiden Klägerinnen verhängten die Kamera mit einem Tuch. Daraufhin stellte sie der Personalchef zur Rede und bot ihnen einen Aufhebungsvertrag an. Die Klägerinnen fordern Schadensersatz wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts.
Das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 25.10.2010 - 7 Sa 1586/09) hielt ein Schmerzensgeld von 7.000 € für jede der Klägerinnen für angemessen. Es bejahte eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts, da für die Klägerinnen ein ständiger Überwachungsdruck bestanden habe.
Strafrechtliche Konsequenzen
In Betracht kommt vor allem eine Strafbarkeit nach § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs durch Bildaufnahmen).
Beispiel: Flugdrohnen, die in relativ geringer Höhe fliegen und mit denen Videoaufnahmen möglich sind, die dann auf ein Handy übertragen werden, sind inzwischen für wenige 100 € allgemein erhältlich. Sofern sie dazu benutzt werden, um beispielsweise Personen auf einer öffentlich nicht zugänglichen Terrasse zu filmen, liegt eine Verletzung des höchstpersönlichen Bereichs durch Bildaufnahmen vor. Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe ist möglich.
Checkliste Videoüberwachung
Für die Interessen der Beteiligten macht es einen Unterschied, ob "nur" beobachtet oder auch "aufgezeichnet" wird.
Für nicht-öffentliche Stellen ist § 6b BDSG die zentrale Vorschrift, wenn es um die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume geht.
Daneben ist für Räume, die nur bestimmten Personen (etwa den eigenen Arbeitnehmern) zugänglich sind, § 28 BDSG zu beachten.
Auf eine Videoüberwachung muss hingewiesen werden.
Heimliche Aufnahmen kommen bei Arbeitnehmern in Betracht, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht und andere Aufklärungsmittel ausscheiden. (tö)