Keine Vorsorge im Katastrophenfall

Rechenzentren ohne Plan

07.07.2011 von Thomas Pelkmann
Den meisten Rechenzentrums-Managern fehlen Notfallpläne für Cyber-Angriffe. Statt langfristig vorzubeugen, handeln sie laut AFCOM-Umfrage situationsgetrieben.
Wenn der Bildschirm im Rechenzentrum mal schwarz bleibt: Nicht alle Unternehmen haben Szenarien für das Disaster Recovery.
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Erdbeben in Neuseeland, Überschwemmungen in Australien, Tsunami und Super-Gau in Japan: Katastrophen, aber auch politische Auseinandersetzungen wie in Libyen, Jemen oder Syrien zeigen, wie anfällig auch hoch entwickelte und scheinbar zivilisierte Kulturen für unvorhersehbare Ereignisse sind. Immer dann, wenn irgendwo in der Welt natürliche oder technisch bedingte Ausfälle drohen, springen die Krisenbewältigungsmechanismen an - oft zu spät, denn statt Vorsorge gegen das Unplanbare zu treffen, reagieren viele Unternehmen nur auf Vorkommen mit dem Ziel, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten oder möglichst schnell wiederherzustellen.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage der AFCOM, einer weltweiten Vereinigung von Managern und Administratoren aus dem Rechenzentrumsbetrieb. Eine strategische Katastrophenvorsorge, so die Umfrage, gibt es nur selten.

Die Ergebnisse im einzelnen:

Viele Rechenzentren sind nicht auf ein mögliches Disaster vorbereitet: Mehr als 15 Prozent der Mitwirkenden geben an, dass ihr Rechenzentrum keinen Plan für Daten-Backup und -Recovery hat. Die Hälfte hat keinen Schimmer, wie sie beschädigte Ausrüstung nach dem Schadensfall ersetzen kann, zwei Drittel gar haben weder einen Plan noch eine Liste mit Maßnahmen für einen Fall von Cyber-Kriminalität. Wo es Notfallpläne gibt, widmen die sich zu knapp 60 Prozent den Online- und mobilen Anwendungen des Unternehmens, zu 22,4 Prozent den Cloud-Services und zu 43,1 Prozent den Aktivitäten des Unternehmens und seiner Mitarbeiter in den sozialen Netzwerken des Internet.

Wachsende Einführung von Cloud-Services: Es gibt in den Rechenzentren ein signifikantes Wachstum von Cloud Computing. Im vergangenen Jahr waren nur 14,9 Prozent an die Wolke angeschlossen, heute beträgt die Connection-Rate bereits 36,6 Prozent. Weitere 35,1 Prozent der Befragten erwägen, solche Dienste einzuführen. Die AFCOM glaubt, dass diese Kurve auch in den kommenden fünf Jahren nach oben zeigen wird bis zu einem Zustand, wo 80 bis 90 Prozent aller Datencenter Cloud-Services nutzen werden.

Niedergang der Mainframes: Früher waren Mainframe-Rechner das Rückgrat für alle Mission-Critical-Anwendungen. Seit Jahren sinkt der Anteil der Großrechner aber kontinuierlich. AFCOM sagt aber dennoch nicht das vollständige Ableben voraus. Zwar werde der Anteil der Mainframes weiter sinken, aber für einige Anwendungen werde es weiter einen Bedarf an Großrechnern geben. In der Umfrage geben allerdings 58,8 Prozent der Befragten an, dass sich die Zahl der Mainframes in den vergangenen drei Jahren nicht verändert hat. Bei 32,5 Prozent hat sich die Zahl verringert, während immerhin 8,7 Prozent angeben, dass sie nun mehr Großrechner im Einsatz haben. Unterm Strich zeigen aber auch diese Zahlen ein deutliches Minus in der Bilanz der Mainframe-Architekturen.

Starke Ausbreitung von Web-Applikationen: In der AFCOM-Umfrage geben 86,6 Prozent der Befragten an, dass sie im Vergleich zu vor drei Jahren mit einer dramatisch gewachsenen Zahl von Web-Applikationen arbeiten.

Größer und besser: Sogar in Zeiten schwächelnder Weltwirtschaft haben viele Rechenzentren ihren Platzbedarf vergrößert: 44,2 Prozent der Administratoren geben an, dass sie nun mehr Raum für die Server benötigen als noch vor drei Jahren. Weitere 49,4 Prozent sind derzeit dabei, sich auszubreiten, oder planen das für die nächste Zukunft. Nur 16,4 Prozent haben raumtechnisch abgerüstet.

Die Zahl der Server wächst dramatisch

Auch die Anzahl der Server im Rechenzentrum wächst dramatisch. So geben fast drei Viertel (73,6 Prozent) an, dass sie mehr Server haben als vor drei Jahren, 19,1 Prozent sagen, dass es weniger sind, 7,3 Prozent berichten von einer gleichbleibenden Zahl. Leider lässt die Studie keine Rückschlüsse darüber zu, ob es sich bei den Servern um physische oder um virtuelle Einheiten handelt. Allerdings geben 47,1 Prozent an, im Rechenzentrum mit Speichervirtualisierung zu arbeiten, 77,3 Prozent nutzen Virtualisierung auch für die Serverlandschaft.

Der Bedarf an Speicherplatz wächst noch mehr an: Satte 90 Prozent geben zu Protokoll, dass sie mehr Disk-Speicher zur Verfügung stellen müssen, als noch vor drei Jahren, während gerade einmal 2,6 Prozent mit weniger Speicher auskommen.

Das Rechenzentrum begrünen: Obwohl gerade einmal 3,9 Prozent der Befragten Solarstrom in ihr Rechenzentrum lassen, macht die AFCOM dennoch einen Trend hin zum Gebrauch erneuerbarer Energien aus. Der, so die Organisation, werde dazu führen, dass auch die Rechenzentren nachhaltiger und energieeffizienter wirtschaften werden als bisher. Grün hin, grün her: Das beste Argument, mit Ökostrom anzufangen, weiß auch die AFCOM, ist der erwartete Spareffekt, der sich mit zunehmender Nutzung noch verstärken wird.

Verwendung von biometrischer Sicherheit: Die Angst vor Datendiebstahl und -verlust ist nach wie vor die größte Sorge der IT-Administratoren. Vielleicht sind biometrische Verfahren für Authorisierung und Zugriff auf sensible Daten eine Möglichkeit, diese Gefahr einzudämmen. Auf jeden Fall hat die AFCOM mit der Umfrage eine Zunahme dieser Verfahren erhoben. Bereits 25 Prozent, heißt es in der Studie, hätten entsprechende Technologien bereits eingeführt.

Ein uneinheitliches Bild ergibt die Frage nach der Zuständigkeit für die Sicherheit im Rechenzentrum. Während immerhin fast jedes vierte Unternehmen (23,9 Prozent) einen eigenen Sicherheitsbeauftragten oder gar eine eigene Abteilung damit beauftragt, ist in 36,9 Prozent der Fälle der RZ-Administrator neben anderen Dingen auch dafür verantwortlich. In 15 Prozent der Fälle kümmert sich der Facility Manager darum, in 24,2 Prozent teilt er sich das mit dem Admin.

Strategische Krisenplanung meist Luxus

"Beim Thema Disaster Recovery zeigt die Umfrage, dass Investitionen in Datensicherheit sehr stark situationsgetrieben und viel zu sehr auf eine kurzfristige Business Continuity ausgerichtet sind", kritisiert Richard Sawyer, HP-Manager und einer der Direktoren der AFCOM. "Eine strategische Planung scheint dagegen besonders in Krisenzeiten ein reiner Luxus zu sein." Allerdings, meint Sawyer, könnte sich das angesichts der jüngsten Katastrophen in Neuseeland, Australien und besonders Japan sowie der politischen Verwerfungen im Nahen Osten ändern: "Die Ereignisse erinnern uns daran, dass es eine absolute Notwendigkeit für das Management ist, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten."

Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Ein über dem Bassin eingezogener Stahlbau - hier noch ohne Abdichtung - dient als Rechenzentrumsfläche, das Becken selbst als Doppelboden für die Kabelführung und Kühlluftzuführung. Bild: Sysback AG
Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Martin Mast ist IT-Leiter des Bischöflichen Ordinariats der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Die Einhausungslösung des Rack-Spezialisten Schäfer mit dem zwischen den Schrankreihen leicht erhöhten Dach sorgt für eine optimale Kaltluftführung. Bild: Schäfer IT-Systems
Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Die Server und USVen in den Racks sind rundum abgedichtet, so dass die Kaltluft gezielt durch die zu kühlenden Geräte strömt. Bild: Schäfer IT-Systems
Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Durch die Nutzung der RZ-Abwärme für die Warmwasseraufbereitung im Tagungshaus mit Küche und Übernachtungszimmern spart sich die Diözese rund 8000 Liter Heizöl im Jahr. Bild: Sysback AG
Umwandlung eines Schwimmbads in ein Rechenzentrum
Michael Panno ist Leiter RZ-Infrastruktur. Foto: Sysback AG

An der Umfrage nahmen laut AFCOM 358 Rechenzentrumsmanager aus der ganzen Welt teil.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO.