Cloud Computing wird oftmals in Verbindung mit Großunternehmen und der Erneuerung von Rechenzentren assoziiert. Die Cloud-Techniken sind aber auch für mittlere und kleine Unternehmen von Interesse. Wir erörtern die Gründe dafür und geben Hilfestellung beim Aufbau einer eigenen Private Cloud.
von Johann Baumeister
Die Virtualisierung von Serversystemen hat sich etabliert und gehört zum Alltag in der IT. Nach neuesten Untersuchungen von Marktforschern von IDC oder Gartner ist mittlerweile circa über die Hälfte aller Server virtualisiert, Tendenz weiter steigend. Nunmehr gehen die Unternehmen dazu über, ihre virtuellen Strukturen an den Cloud-Anforderungen auszurichten. Doch die Technik ist mitnichten nur auf Server und Rechenzentren beschränkt. Sie lässt sich ebenso auf andere Bereiche der IT-Nutzung ausdehnen, um dort zu mehr Effizienz zu verhelfen. Dies gilt auch für den Mittelstand und kleinere Unternehmen. In diesem Beitrag wollen wir uns auf Nutzung, Aufbau und Betrieb einer Private Cloud für den Mittelstand beschränken. Die Verwendung von Diensten aus der Public Cloud ist dabei zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht Bestandteil dieser Betrachtungen.
Einsatzszenarien von Cloud-Lösungen für den Mittelstand
Worin liegen nun die möglichen Einsatzszenarien für eine Cloud-Lösung im eigenen Unternehmen? Insbesondere im Mittelstand finden sich viele Systeme, die eigentlich nicht ausgelastet sind. Wenn beispielsweise spezielle Abrechnungsprogramme oder Statistik-Tools nur gelegentlich, wie etwa am Monatsende, benötigt werden, so besteht keine Notwendigkeit, diese fortwährend bereitzuhalten. Viele dieser Programme fordern außerdem eigene Datenbanken, die nicht immer mit anderen Anwendungssystemen verträglich sind.
Oder aber zwei Programme benötigen unterschiedliche Bibliotheken und Betriebssystemumgebungen. Windows-Serverapplikationen sind kaum mit Linux-Anwendungen verträglich. Dies setzt sich über alle Softwareebenen fort. Windows-Anwendungen bauen oftmals auf den Microsoft SQL Server, Linux aber wird gerne mit MySQL-Datenbank gekoppelt. In der Vergangenheit ist man daher dazu übergegangen, für jede dieser Anwendungen einen eigenen Rechner bereitzustellen. Als Resultat erhält man so beispielweise eine Maschine mit dem E-Mail-System, eine mit dem Abrechnungssystem, einen Dateiserver und so weiter.
Hinzu kommt: Jedes zusätzliche Programm verlangt oftmals nach einer eigenen Laufzeitumgebung und nach speziellen Betriebssystemen mit entsprechenden Service-Packs. Doch dabei müssen nicht zwingend eigenständige physische Rechner zum Einsatz kommen. Durch die Virtualisierung werden mehrere ehemals physische Systeme zu einem zusammengefasst. Dies gilt auch heute bereits und ist im Einsatz. Die Virtualisierung aber ist die Grundlage für alle Cloud-Modelle. Damit ist technologisch der erste Schritt hin zum Cloud Computing vollzogen.
Besonderheiten der Mittelstands-Cloud
Beim Aufbau und Betrieb einer Cloud, die speziell kleine und mittlere Unternehmen adressiert, gibt es einige Besonderheiten, die im Folgenden dargestellt werden:
Gerade im Mittelstand werden Verwaltungsfunktionen oftmals auf weniger Schultern verteilt. Statt einen dedizierten Administrator für Server, Netzwerke, die Datenbank oder das Mail-System zu haben, müssen hier Allrounder mehrere Aufgaben gleichzeitig übernehmen. Infolgedessen haben sie sich auch mit weitaus mehr Tools und Prozessen auseinanderzusetzen. Dies macht die Arbeit für den IT-Verwalter nicht einfach. Daher sind Werkzeuge gefordert, die den Aufbau und die Verwaltung der Cloud möglichst unkompliziert gestalten. Wochenlange Einarbeitung in Tools und Prozesse scheidet da häufig aus. Dies gilt auch für mache Automatismen. Doch auch hier gilt es aufzupassen, welche Cloud-Funktionen sinnvoll sind und welche eher weggelassen werden sollten.
Insbesondere Funktionen, die oftmals den Bereichen des Servicemanagements zugeordnet werden, sind für ein kleines Unternehmen meist eine Nummer zu groß. Wenn die Firma keinen zentralen Helpdesk unterhält, wird auch kein Tool zu dessen Verwaltung benötigt.
Ähnlich verhält es sich mit manchen automatisierten Prozessen. In Großunternehmen mögen sich monatelange Definitionen von Workflows und automatisierten Prozessen aufgrund der Menge der anfallenden Tätigkeiten durchaus rechnen. In kleineren Unternehmen und im Mittelstand gilt das nicht immer. Hier heißt es aufpassen, denn auch die Automatismen müssen sich rechnen.
Allerdings fallen durch die Bündelung mehrerer Funktionen in einer Person aber auch "Prozessschnittstellen" weg. Wenn beispielsweise der Serveradministrator gleichzeitig das Netzwerk verwaltet, wird er kaum eine "formale Anforderung" an die "Netzwerkverwaltung" stellen, wenn am Netzwerk Änderungen vorgenommen werden sollen. Die Folge ist, dass insbesondere all jene Tools und Hilfen, die der Prozessoptimierung zwischen mehreren Personen dienen, für den Mittelstand kaum erste Priorität haben werden.
Die Wege in die Cloud
In jedem Fall bedeutet die Hinwendung zur Cloud auch für mittlere bis kleine Unternehmen eine Änderung in den Betriebsmodellen. Wie aber wird eine Cloud aufgebaut, und was sind die notwendigen Schritte dazu? Zu den wichtigsten Aufgaben und Änderungen beim Aufbau einer Cloud gehören die folgenden Funktionsblöcke:
• Bündelung der IT-Ressourcen in Pools: Hierbei wird oftmals vom virtuellen Datacenter gesprochen. Aus diesen Pools bedient sich das Programm zur Laufzeit, wenn es Ressourcen benötigt. Die virtuellen Dienste greifen auf die Ressourcen in den Pools zu, wenn sie Server oder Storage beanspruchen. Die Bündelung der IT-Ressourcen in Clouds wird daher auch für den Mittelstand zur zwingenden Anforderung.
• Kapselung der Applikationen in Services: An die Stelle der bekannten Anwendungen wie etwa Exchange oder einer Datenbank treten nunmehr die Dienste, beispielsweise ein E-Mail-Dienst oder ein Data-Provider. Dabei werden die bestehenden und bekannten "Serverfunktionen" in einen Service gekapselt. Auch das sollte man im Vorfeld beachten.
• Aufbau von Service-Templates um einen Service: Will man beispielsweise einen E-Mail-Dienst nicht jedes Mal gänzlich neu aufzusetzen, nutzt man Vorlagen. Diese vereinfachen die Inbetriebnahme eines Dienstes enorm. Ob Service-Templates sich für den Mittelstand rechnen, hängt von der Menge der benötigten Services ab.
• Publizierung der Services in Katalogen. Der Nutzer der Dienste sucht sich seinen benötigten Dienst aus dem Katalog, der sogenannten Bibliothek, aus. Um den Dienst nutzen zu können, muss dieser außerdem um die notwendigen Laufzeitparameter ergänzt werden.
• Automatische Provisionierung der Dienste auf den virtuellen Servern: Hierbei werden die virtuellen Maschinen und Applikationen aus den Vorgaben der Templates automatisch generiert. Dazu gibt es eine Menge an Tools, die den Prozess vereinfachen.
• Weitere Zusatzfunktionen: Verwaltungs-Tools zur Kapazitätsplanung, zur Überwachung von SLAs, eine aufwandsgerechte Verrechnung, ein Cashback und die Abrechnung der verbrauchten Ressourcen ergänzen schließlich den benötigten Werkzeugsatz.
Auswirkungen der Cloud auf die IT-Verwaltung
Alle bereits erwähnten Änderungen in der IT bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Aufgaben der IT-Administration. Die anstehenden Veränderungen betreffen die Server, die Netzwerke und die Infrastruktur des Rechenzentrums gleichermaßen. Von der Beschaffung der Geräte über die Installation bis hin zur Überwachung der IT-Systeme sind alle Verwaltungsaufgaben von den Änderungen betroffen.
Bestehende Prozesse und Werkzeuge werden dabei von neuen Verfahren und Tools abgelöst. Bei der Nutzung einer Cloud treten neue Aufgaben auf, die durch die IT-Verwaltung bewältigt werden müssen. Der Einkauf der physischen Server beispielsweise wird in der Regel anhand der aktuellen Modellpalette des Herstellers vorgenommen. Virtuelle Server in der Cloud aber werden auf bestehenden Systemen eingerichtet. Hierzu ist im Vorfeld die nötige Systemauslastung zu ermitteln, um mögliche Leistungsengpässe zu vermeiden.
Service-Templates statt Deployment-Tools
Die Aufgaben beim Setup eines physischen Servers umfassen das Einrichten des Betriebssystems, der Service Packs, der Patches und weiterer Softwarebausteine. Die benötigten Softwaremodule werden entweder von einer CD/DVD, einem ISO-Image oder einem zentralen Imageserver bereitgestellt. Die Setups können manuell oder automatisiert erfolgen. Letzteres reduziert den Zeitaufwand für den Administrator.
Beim Einsatz einer Cloud ergaben sich neue Anforderungen. Zwar lassen sich auch virtuelle Server der Private Cloud nach dem gleichen herkömmlichen Verfahren einrichten, doch dabei verschenkt man einige der Vorteile der Virtualisierungstechnologie. Die Techniken der Servervirtualisierung sehen in der Regel Templates oder Image-Pools vor. Diese Templates müssen in ersten Schritt aufgebaut werden. Aus ihnen werden dann die individuellen Serverinstanzen abgeleitet. Die bei physischen Servern oftmals verwendeten Server-Deployment-Tools mit ihren Skripten zur Automatisierung entfallen hingegen bei Cloud-Strukturen oder erhalten einen anderen Stellenwert.
Überwachung der Cloud-Services ist Pflicht
Zur Laufzeitoptimierung der Cloud-Services bietet der Markt eine Vielzahl an Monitoring-Tools. Diese reichen vom einfachen "Ping" bis hin zu komplexen Überwachungs-Suiten für die angebotenen Dienste. Diese Monitoring-Tools arbeiten häufig mit lokalen Agenten auf den zu überwachenden Servern. Alternativ ist dank SNMP auch eine agentenlose Überwachung der Server möglich.
Beim End-To-End-Monitoring erfolgt die Leistungsmessung aus der Sicht des Benutzers. Dazu sind aber komplexere Monitoring-Hilfen notwendig. All die Werkzeuge und Techniken zur Serverüberwachung lassen sich prinzipiell auch für Cloud-Strukturen einsetzen. Beachten sollte man aber: Die Virtualisierung der Server sorgt für eine hohe Auslastung der Hosts, was unter Umständen zu Problemen führen kann.
Ein zu 90 Prozent ausgelasteter Host wird dadurch produktiver als ein mit 20 Prozent dahindümpelnder Server. Vom Standpunkt der Serverauslastung aus ist dies positiv zu werten und auch gewünscht. Gleichzeitig reduzieren sich damit auch die möglichen Reserven für Zeiten mit hoher Lastanforderung. Ferner konkurrieren die virtuellen Maschinen um die Leistung des Hosts. Die laufende Überwachung der Systeme wird damit essentiell.
Datensicherung und Wiederherstellung
Neu überdenken muss der IT-Verantwortliche auch die Konzepte der Datensicherung. Physische Server mit angeschlossen Platten weisen oft lokale Daten auf, die in den Sicherungsläufen auf Bänder oder Platten geschrieben werden. Hierzu setzt man in der Regel Backup-Agenten auf den Servern ein. Der Agent muss auf das zu sichernde System abgestimmt sein. Ferner muss er genügend Ressourcen erhalten, um die Sicherung auch in der vorgegebenen Zeit durchführen zu können.
Um den Tagesbetrieb nicht zu sehr zu stören, erfolgt die Sicherung meistens nachts in den speziell dafür reservierten Zeiträumen - dem Backup-Fenster. Zwar lassen sich prinzipiell auch die virtuellen Server der Cloud durch diese Verfahren sichern, doch das führt schnell zum Engpass. Wenn alle virtuellen Gäste gleichzeitig die Datensicherung durchführen, so wird der Host schnell überlastet. Hier gilt es, Rücksicht zu nehmen und das Backup zu verteilen.
Alternativ bieten virtuelle Infrastrukturen auch eine Sicherung der virtuellen Maschinen durch den Host oder das Speichersystem. Beim Einsatz von virtuellen Systemen sind daher die Sicherungskonzepte zu überdenken und in der Regel auch anzupassen. Dies gilt gleichermaßen für den Einsatz von Speichersubsystemen, die ebenfalls speziell an virtualisierte Umgebungen angepasst sein müssen.
Fazit
Cloud Computing ist nicht auf Rechenzentren und Großunternehmen beschränkt. Es lässt sich auch für kleine und mittelständische Unternehmen nutzbringend einsetzen. Dennoch gibt es einige gravierende Unterschiede, die man zwingend beachten sollte.
Die Basistechniken des Cloud Computings mit den Komponenten wie der Virtualisierung, das Deployment von Diensten oder der Leistungsoptimierung kann auch eine mittelständische Firma verwenden. Allerdings wenn es um dedizierte Workflows oder ausgefeilte Serviceprozesse, die mangels IT-Kompetenz kaum genutzt werden, eigenen sich für eine Auslagerung in die Cloud hingegen kaum.
In jedem Fall aber gilt: Die Verwaltung und Überwachung einer Cloud-Struktur hat mit dem traditionellen Servermanagement nur wenig gemeinsam. Die über Jahre praktizierten Arbeitsabläufe, die Techniken und die verwendeten Werkzeuge werden sich somit anpassen müssen, denn Cloud Computing erfordert dedizierte Verwaltungs-Tools und entsprechenden Prozesse. Diese gilt es neu zu definieren, um die Anwendungen beziehungsweise Workflows in der Cloud optimal in die Unternehmensinfrastruktur zu integrieren.
Dieser Artikel stammt von unserer Schwesterpublikation TecChannel. (kv)