Neue Hardware zum gleichen Preis

Raspberry Pi 2 im Test

03.08.2015 von Stephan Lamprecht
Der Raspberry Pi ist der Überraschungserfolg der letzten Jahre. Wir verraten, ob der Raspberry Pi 2 ein würdiger Nachfolger ist.

Im Februar stellte die Raspberry Pi Foundation einen runderneuerten Nachfolger vor. Die Grundmerkmale sind eine deutlich stärkere CPU, doppelter Arbeitsspeicher und gleicher Preis (ab 38 Euro). Der Raspberry Pi 2 antwortet damit schlagkräftig auf die wachsende Konkurrenz der Minirechner, die auf der Erfolgswelle des Raspberry mitschwimmen und meist mit besserer Hardware ausgestattet sind (Banana Pi, Odroid, Pandaboard, Cubieboard u. v. a.). Damit schließt der Raspberry Hardware-technisch mindestens wieder zum Durchschnitt auf.

Software-technisch – und dies ein wesentlicher Grund seiner Beliebtheit – hat er sowieso die unangefochtene Spitzenposition: Bis ein eigenes Projekt steht, sind bei anderen Kleinstrechnern zum Teil tiefgreifende Kenntnisse nötig. Beim Raspberry Pi kann man sich unter einer breiten Palette entscheiden und das geeignete Betriebssystem einfach von der Projektseite laden.

Nach der Kopie auf eine SD-Karte steht sofort ein fertiger Linux-Computer zur Verfügung. Und mit Noobs gibt es sogar einen Installer mit Systemauswahl, der zugleich als Notfall- und Zweitsystem dient

Neue und bekannte Hardware

Mediencenter Open Elec oder XBMC: In der Rolle als Medien-Server kommt die leistungsstarke Hardware des Raspberry Pi 2 voll zur Geltung.

Die wesentlichsten Neuerungen betreffen CPU und RAM. Mit einem GB Arbeitsspeicher wurde die Kapazität des Vorgängers verdoppelt. Für heimische Server-Projekte ist diese Speichermenge luxuriös und verspricht ordentlich Reserven. Kleine Desktop-Systeme mit XFCE, LXDE oder E sind sicher auch realisierbar.

Die mit 900 MHz getaktete Quadcore ARM Cortex-A7 CPU bedeutet einen erheblichen Leistungsschub gegenüber dem bisherigen Einkern-Prozessor mit 700 MHz.

Rein rechnerisch ist diese CPU etwa sechsmal schneller als die des Vorgängers, was sich aber durch andere Faktoren relativiert (siehe unten).

Die übrige Hardware ist praktisch identisch mit dem Vorgänger: Die vier USB-Schnittstellen nach Standard USB 2.0 entsprechen dem B+-Vorgänger ebenso wie das Kartenformat Micro- SD und der Grafikchip. Schon dort wurde die programmierbare Schnittstelle mit GPIO-Pins auf 40 Pins erweitert, wobei die Belegung der ersten 26 genau jenen 26 der ersten Generation entspricht, damit bereits vorhandene Projekte weiterhin genutzt werden können. Gleich geblieben ist auch die Grundfläche der Platine, und die Anordnung der Schnittstellen folgt jener der Version B+ vom Ende 2014. Ein bisher genutztes Gehäuse der Version B+ kann somit auch für die neueste Version verwendet werden (die ältere Version B hatte hingegen eine andere Anordnung).

Mehr Leistung – mehr Möglichkeiten

Die neue Hardware beschleunigt den Raspberry signifikant: Schon die Initialisierung der SD-Karte verläuft schneller, obwohl hier die vielen Lese- und Schreibvorgänge den gesamten Vorgang etwas ausbremsen.

Richtig beeindruckend ist dann aber der eigentliche Startvorgang des Systems, etwa eines Raspbian. Die Entwickler sprechen von einer bis zu sechsfach höheren Arbeitsgeschwindigkeit, und erste Benchmarks bestätigen diese Aussage in Bezug auf die CPU. Im Gesamtpaket bremsen aber Lese- und Schreibvorgänge und Speicherzugriffe: Nach unserer Einschätzung ist insgesamt ein Leistungszuwachs um den Faktor 2 bis 2,5 realistisch. Wichtiger als Arithmetik sind unmittelbare Erfahrungen: Alle Programme starten schneller, und das Surfen im Internet wird auf dem Raspberry 2 zur flüssigen Angelegenheit.

Ein Tipp: Überprüfen Sie den zur Verfügung stehenden Speicher des Raspberry Pi 2, eventuell ist nämlich ein Kernel-Update notwendig. Der Befehl free -h sollte die hier angezeigte Kapazität melden.

Die großzügiger dimensionierte Hardware ermöglicht neue Systeme und Projekte: Auf dem Raspberry Pi 2 kann nun auch ein Snappy Ubuntu Core laufen, eine verkleinerte Ubuntu-Variante. Nach intensiven Gesprächen mit Microsoft wurde auch sichergestellt, dass Windows 10 für ARM-Architektur auf dem Pi 2 laufen wird – allerdings nicht in der Desktop-Variante für Endanwender, sondern in der Spezialedition für Embedded Devices.

Wer sich der (nicht unerheblichen) Mühe unterzieht, mit Retro Pie seine alten Konsolenspiele wiederzubeleben, wird von der jetzt erreichbaren Geschwindigkeit begeistert sein. Der kleine Rechner arbeitet flüssig und erlaubt damit Spielspaß, wie er mit der ersten Generation der 64 Bit-Konsolen Einzug ins Wohnzimmer hielt.

Beeindruckend zugelegt hat das Leistungsvermögen der Spezialausgabe des XBMC für den Raspberry (Open Elec). Zu einem Bruchteil der Energieund Anschaffungskosten eines größeren PCs stellen Sie damit Ihre Videofilme oder Musikdateien zentral im Haushalt zur Verfügung.

Wegen seines geringen Stromverbrauchs wird der Kleinstcomputer überwiegend als Server eingesetzt, sei es als Daten-Server für Backups oder als Webserver, um darauf Dienste wie Owncloud in den eigenen vier Wänden zu betreiben. Speziell Owncloud, nicht gerade ein Leichtgewicht in Sachen Ressourcenverbrauch, brachte einen bisherigen Raspberry Pi an seine Grenzen: Das neue Modell verkraftet den parallelen Zugriff mehrerer Nutzer deutlich besser.

Die höhere Leistung des Raspberry Pi 2 ist aber auch handgreiflich, denn der neue Pi produziert deutlich mehr Abwärme. Wer sich also nach einem Gehäuse umsieht, sollte auf gute Belüftung achten. Das gilt umso mehr bei voraussichtlich hoher Auslastung.

Raspberry Pi in der Praxis
Raspberry Pi in der Praxis
Exotische Projekte rund um den Raspberry Pi.
Raspberry Pi in der Praxis
Kano: Bis auf den Bildschirm umfasst das über Kickstarter finanzierte Einsteigerset alles, um einen Computer mit dem enthaltenen Raspberry Pi zusammenzusetzen. Der Preis liegt bei 99 US-Dollar.
Raspberry Pi in der Praxis
Raspberry Pi als Internet- Radio: Als Player für eine Liste von vorbereiteten Streaming-URLs dient MPD. Dieser kann in diesem Projekt auch über die beiden Taster Radiostationen wechseln.
Raspberry Pi in der Praxis
H2O IQ: Das grüne Gehäuse beherbergt Feuchtigkeitssensor, Funkmodul und servogesteuerertes Ventil zur Bewässerung Ein Raspberry Pi dient als zentraler Bewässerungscomputer.
Raspberry Pi in der Praxis
Ein Gehäuse als PDF einfach ausdrucken: Aus Pappe lässt sich diese Einfassung namens „Punnet“ für den Raspberry Pi anfertigen, um die Platine vorerst provisorisch zu verstauen.
Raspberry Pi in der Praxis
Per Kopfdruck scannen und verschicken: Diese Scanner-Steuerung über das Raspberry Pi nimmt Dokumente über den USB-Port entgegen und leitet sie per E-Mail weiter.
Raspberry Pi in der Praxis
Hobby-Brauerei: Ein Mikro-Controller behält die Sensoren der Fermentierung im Blick, und ein Raspberry Pi sorgt für die richtige Temperatur während des Brauens.
Raspberry Pi in der Praxis
Lego Mindstorms mit dem Raspberry Pi als Schaltzentrale: Das Modul Brickpi vereinigt die Robotik-Plattform von Lego über eine separate Aufsteck-Platine mit dem Raspberry Pi.
Raspberry Pi in der Praxis
Kameramodul aus einer USB-Webcam: Viele der Billigkameras verstehen sich auch mit dem Raspberry PI beziehungsweise mit der dort installierten Linux-Distribution Raspbian.
Raspberry Pi in der Praxis
Raspberry Pi im Höhenrausch: Das Gehäuse in der passenden Form einer Himbeere (englisch „Raspberry“) schützt die Elektronik gegen die rauen Minustemperaturen auf 4 000 Metern.
Raspberry Pi in der Praxis
Zeitraffer und Dolly-Steuerung mit dem Raspberry Pi: Für beeindruckende Videos aus Einzelbildern lässt dieser Aufbau eine Kamera mit Motorsteuerung langsam über eine Schiene gleiten.
Raspberry Pi in der Praxis
Fernbedienung für den Raspberry Pi: Anstatt einen USB-Port mit einem IR-Receiver zu belegen, kann ein Sensor auch direkt an den GPIO-Pins der Platine angeschlossen werden.
Raspberry Pi in der Praxis
Blick über Südwest-England aus 40 Kilometern Höhe: An einem Wetterballon reiste der Raspberry Pi samt Kamera und CB-Funk-Transmitter in die Stratosphäre und wurde nach der Landung über GPS-Ortung geborgen.
Raspberry Pi in der Praxis
Tablet mit dem Raspberry Pi: Als Display kommt ein kapazitiver Touchscreen mit 10 Inch Bildschirmdiagonale zum Einsatz. Das Gehäuse besteht aus Birke und Kohlefaser und der Rahmen ist passgenau aus Sperrholz gefräst.

Etwas Schatten inmitten des Lichts

Der Pi 2 ist eindeutig ein gelungenes Stück (Linux-)Hardware, das sicherlich viele Anhänger finden wird. Einige Schwachstellen und Mängel bleiben, die man aber angesichts des Preises akzeptieren wird:

Bisherige SD-Karte weiterverwenden

Der Raspberry Pi 2 verspricht vollständige Kompatibilität mit dem Vorgänger. Doch wenn Sie die SD-Karte des Vorgängers zum Starten des Pi 2 verwenden wollen, stellen Sie fest, dass das System nicht startet. Sie müssen das System dazu vorher in Ihrem alten Raspberry aktualisieren:

sudo –s
apt-get update
apt-get dist-upgrade
apt-get install rpi-update
rpi-update
halt

Danach verwenden Sie die SD-Karte auf dem neuen Raspberry 2 weiter.

(PC-Welt/ad)