CP-Serie "Finanzierung von IT-Firmen", Teil 1

Quo vadis, Corporate Finance?

01.08.2011
Für IT-Betriebe gibt es viele Finanzierungsstrategien. Dr. Bernhard Schmid gibt einen Überblick.

Vom Regen in die Traufe: In Zeiten von Basel II und Finanzkrise beklagten sich Mittelstandsunternehmen, darunter viele aus dem IT-Channel, über eineRationierung der Bankkredite aufgrund der ungünstigen Aussichten der Branche beziehungsweise des Mittelstands allgemein. So lautet das Ergebnis einer Forschungsarbeit an der University of Bradford, die von der Corporate-Finance-Beratungsgesellschaft Global Value Management unterstützt wurde.

Mit dem unerwarteten Aufschwung gilt es nun, das zum Teil zweistellige Wachstum von IT-Mittelständlern zu finanzieren. Aufgrund der Erfahrungen in den Krisenjahren sehen IT-Unternehmen in der Bank nicht mehr die allumfassende "Hausbank". Die nachfolgende Artikelserie zeigt, wann die Bank als "Kernbank" geeignet ist und welche Alternativen wann sinnvoll sind.

Vor Inkrafttreten von Basel II und der Finanzkrise haben dem KfW-Mittelstandspanel zufolge 900.000 der 3,5 Millionen Mittelständler Kreditverhandlungen geführt, das Volumen betrug 60 Milliarden Euro. Der Finanzbedarf im Mittelstand betrug jedoch 145 Milliarden Euro, was einer deutlich gestiegenen Ablehnungsquote entspricht. Ungeachtet dessen ist der Kredit das externe Finanzierungsinstrument Nummer eins: 96,7 Prozent der im Rahmen der Forschungsarbeit Befragten gaben an, zumindest über einen Kontokorrentkredit zu verfügen.

Die aktuelle Studie liefert jedoch auch deutliche Anzeichen dafür, dass das Hausbankprinzip der vergangenen Jahrzehnte erodiert. Kein Wunder, sieht PWC deutsche Banken doch als Spitzenreiter bei Problemkrediten in Europa: Der Anteil an sogenannten "Non-Performing loans" sei um rund 50 Prozent auf 213 Milliarden Euro gestiegen.

Die Bedeutung von Basel II/III wird dabei von den Unternehmen wie von der Finanzwelt auf einer Skala von "unwichtig" bis "sehr wichtig" im Schnitt als "wichtig" eingestuft: In einer KfW-Unternehmerbefragung gaben 86,4 Prozent höhere Anforderungen an die Dokumentation im Zuge der Finanzkrise an und 82,9 Prozent höhere Anforderungen an Offenlegungspflichten vor "mehr Sicherheiten" mit 82,4 Prozent - Basel III wirft seinen Schatten bereits deutlich voraus. Als Folge glauben die Unternehmer, dass die Zinsen tendenziell teurer (43 Prozent zu 40 Prozent) werden und die Ablehnung der Bankkredite eher zunimmt (13 Prozent zu 8 Prozent).

Dies führt der Studie zufolge zu einer signifikanten Zunahme bei den nicht kreditbezogenen Finanzquellen wie Mezzanine, Factoring, Private Equity oder strategischen Investoren. Wurden diese in der Vergangenheit auf einer Skala von 1 bis 4 nur unterdurchschnittlich häufig genutzt (1,86), so werden sie künftig häufiger eingesetzt werden (2,06). Banken und Investoren gehen von einer analogen Verschiebung auf höherem Niveau aus: von 2,70 auf 2,93. Der Einfluss von Basel II auf diese Änderung wird von den Unternehmen wie auch von den Finanziers dabei wiederum als wesentlicher Treiber eingestuft.

In den vertiefenden Interviews wurde dabei von substitutiver Wirkung gesprochen; zudem würden zum Beispiel Factoring wie auch Private Equity salonfähiger. Einige Interviewpartner erinnerten an die eher abwartende Reaktion in Bezug auf Leasing in den 1990er-Jahren - heute ist Leasing ein Standardbaustein in der Mittelstandsfinanzierung.

Abschied vom Hausbankprinzip

Seit 2007 sind die Banken im Zuge von Basel II verpflichtet, ihre Kredite je nach Bonität des Kunden in unterschiedlichem Umfang mit Eigenkapital zu unterlegen. Das heißt, die Kosten der Eigenkapitalunterlegung variieren je nach Bonität des Unternehmens.

Das Hausbank-Prinzip hat vielfach ausgedient, die Teilnehmer der Studie sprechen zunehmen von "Kernbank" - spezielle Bankstrukturen werden sich auf bestimmte Risikoklassen und Investitionstypen fokussieren.

Daher reduzieren Banken die Zahl der Finanzinstrumente (Cluster wie Kredite, Mezzanine, Eigenkapital etc.), die in der Mittelstandsfinanzierung angeboten werden, von im Schnitt 3,80 auf 3,67 nach Inkrafttreten der Basel-Regularien. Im Gegensatz dazu blieb dies bei Nicht-Bank-Finanziers (1,56, mit Fokus auf Eigenkapitalbereitstellung) konstant. Analog reduzierten die Banken im Pre-/Post-Basel-Vergleich die Anzahl der Phasen (zum Beispiel Seed, Wachstum, Turnaround etc.), die unterstützt werden, von 2,80 auf 2,60, während Nicht-Banken diese ausweiteten (von 2,27 bis 2,44).

Primäres Ziel muss es sein, die Eigenkapitalstruktur der Unternehmen zu verbessern. Denn damit ist es für Unternehmen wieder leichter, ihr Working Capital über Fremdfinanzierung darzustellen - frei nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben.

Während zum Beispiel in Frankreich die Eigenkapitalquote 40 Prozent beträgt, liegt sie gemäß dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Deutschland durchschnittlich bei gerade mal 11,7 Prozent.

Die Lücke, die das klassische Kreditgewerbe durch den partiellen Rückzug hinterlassen hat, bietet Raum für innovative Instrumente alternativer Finanzierungsformen - von Private Equity bis hin zu eigenkapitalähnlichen Strukturen:

Der Private-Equity-Stimmungsindikator von Deloitte reichte im vierten Quartal 2010 bereits wieder an die Spitzenwerte der Boomjahre bis 2007 heran. Dies liege an der Erholung der Gesamtwirtschaft sowie dem wieder einfacheren Zugang zu Fremdkapital für Buy-out-Finanzierungen.

Und nicht zuletzt öffnet sich für die Venture Capital/Privat-Equity-Unternehmen die Börse wieder als Exit-Kanal: Gab es 2009 nur eine Neueimission, so waren es 2010 bereits 14 (Centre for Management Buyout Research). Und mit 55,7 Milliarden Euro war das Exit-Volumen dem Centre for Management Buyout Research (CMBOR) zufolge zum ersten Mal höher als die Gesamtinvestitionen von 49,0 Milliarden Euro

Cash für Cloud-Computing-Start-ups

Es gilt: Je besser der Exit-Kanal, desto höher die Investitionsneigung. Dies dürfte insbesondere innovativen IT-Unternehmen wie etwa Cloud-Computing-Start-ups zugute kommen, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen. Zudem scheinen die Taschen der Venture-Capital-/Private-Equity-Unternehmen gut gefüllt: Dem "European Private Equity Outlook 2011" von Roland Berger zufolge verfügen die europäischen Private-Equity-Fonds über Cash-Reserven in Höhe von rund 170 Milliarden Euro.

Davon können insbes. mittelständische Unternehmen, die den Großteil der IT-Unternehmen ausmachen, profitieren: Untersuchungen von PEREP zufolge entfallen 81 Prozent der Private-Equity-Investitionen auf mittelständische Unternehmen (weniger als 50 Millionen Euro Umsatz).

Mit der zunehmenden Erfahrung der Unternehmer jenseits der Bankkredite wandelt sich das Bild von Private Equity. Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit und Unterstützung der Beteiligungsgesellschaften im Vergleich zu anderen Kapitalgebern seien, beurteilen zwei Drittel der von PWC und BVK befragten Portfoliounternehmen diese besser als mit der Bank!

Neben dem klassischen Eigenkapital nehmen stille Beteiligungen eine immer stärkere Rolle ein. Mezzanine-Kapital ist hier zu nennen, da es aufgrund seiner flexiblen Ausgestaltung (stille / atypisch stille Beteiligung) viele Optionen ermöglicht und bei geeigneter Strukturierung die Eigenkapitalbasis stärkt. Und auch bei der Vergabe von Bankkrediten lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: Banken aus den Anrainer-Staaten versuchen immer wieder, deutschen Kreditinstituten Marktanteile im Heimatmarkt abzunehmen.

Eine weitere Option bilden Banken mit sogenanntem Strukturauftrag. Die genaue Kenntnis der einzelnen Förderprogramme ist entscheidend, damit förderfähige Vorhaben nicht an formalen Fehlern scheitern. Und last, but not least bilden Business Angels und - stark steigend - auch Manager mit ihrem "Smart Money" Möglichkeiten bei der Syndizierung.

Eigene Nachfolge muss geregelt werden

Seit vor rund 30 Jahren die PC-Ära ihren Siegeszug antrat, ist nicht nur die Technologie in die Reifephase des Produktlebenszyklus getreten: Auch für viele mittelständische IT-Unternehmer rückt die Zeit näher, sich nicht nur über den nächsten Technologiesprung, sondern auch über die eigene Nachfolge Gedanken zu machen. Nicht selten koppeln die kreditgebenden Banken die Kreditlinien daran, dass der Prozess der Nachfolgeregelung beizeiten initiiert wird.

Auf der einen Seite schätzt das IfM, dass sich unter etwa 700.000 "übernahmewürdigen" Unternehmen (mehr als 49.500 Euro Gewinn) rund 110.000 "übergabereife" Firmen befinden. Nach DIHT-Schätzung schaffen aber nur 50 Prozent der inhabergeführten Unternehmen den Sprung in die zweite Generation und weniger als zehn Prozent den in die dritte Generation.

Auf der anderen Seite sehen immer mehr erfahrene Manager das Unternehmertum als valide Alternative an - sei es als sogenannter Management-Buy-out-Kandidat (MBO), der intern gezielt zum Nachfolger aufgebaut wird, oder als externer Manager, der im Zuge eines Management-Buy-ins (MBI) die Anteile des Altgesellschafters übernimmt.

Dass es oft bei dem Wunsch bleibt, liegt nach Untersuchungen der Deutschen Ausgleichsbank an der unzureichenden Finanzierung. 68 Prozent der befragten Manager gaben dies als Hauptgrund für das Scheitern ihrer Bemühungen an.

Nach Erfahrungen von GVM liegt dies daran, dass Manager davon ausgehen, die komplette Summe selbst stemmen zu müssen. Dies ist nicht notwendig, wie Methoden der Mosaikfinanzierung zeigen.

Der Modus ist - sehr vereinfacht ausgedrückt - ähnlich wie beim Erwerb einer fremdvermieteten Immobilie. Derartige Immobilien wurden in der Regel zum Beispiel über eine rückgedeckte Lebensversicherung mit einem geringen Anteil von etwa 20 Prozent aus Eigenmitteln finanziert. Über den Erfolg des Objekts (im Falle der Immobilie die Mieteinnahme) wird die Finanzierung über eine bestimmte Laufzeit zurückgeführt.

Drum prüfe, wer sich länger bindet ...

Bei der Hinzunahme von externen Kapitalpartnern, bei MBIs / MBOs beziehungsweise bei der Nachfolgeregelung handelt es meist über ein einmaliges Unterfangen mit der höchsten Bedeutung im Berufsleben eines Unternehmers. Entsprechend wichtig sind erfahrene Sparringspartner. Denn: Der Erfolg liegt in der guten Vorbereitung. Mit einem Investmenthorizont von zum Teil acht Jahren überschreitet die Zusammenarbeit die durchschnittliche Dauer einer Ehe, die vor der Wirtschaftskrise noch bei sieben Jahre lag.

Die Vorbereitung ist entscheidend, da eine Revision einmal getätigter Aussagen (zum Beispiel über die Unternehmensplanung) faktisch ausgeschlossen ist. Investoren beurteilen Unternehmenslenker auch anhand der Konsistenz und Einschätzgenauigkeit, mit der sie die "große" Linie beibehalten.

Unternehmensbewertung

Wie bei Beteiligungsvarianten, so gibt es auch bei der Unternehmensbewertung verschiedene Verfahren, die für Kapitalgeber wie Kapitalsuchende spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. Die Palette reicht von eher steuerlich relevanten substanzwertorientierten Varianten wie dem Stuttgarter Verfahren bis hin zu vergleichsbezogenen Varianten, die etwa auf einen Peer-Group-Vergleich analoger Firmen basieren.

Im Falle eines Vergleichs mit börsennotierten Unternehmen wurde in der Vergangenheit ein signifikanter Bewertungsabschlag vorgenommen, da diese aufgrund der höheren Publizitätsanforderungen in der Regel über professionellere Strukturen verfügen. Weit verbreitet sind zudem Ertragswert- bzw. Cashflow-orientierte Methoden wie etwa Discounted-Cashflow-Verfahren, die auf den erwarteten, abgezinsten Cashflows basieren.

Wichtig ist es dabei, einen für beide Seiten fairen Wert zu ermitteln. Neben dem Grundsatz der Aufrichtigkeit bei der Erstellung der Planung und Planannahmen heißt dies auch, für ein Unternehmen eine passende Methodik oder deren mehrere zu verwenden.

Die Motive, sich jenseits der klassischen Geschäftsbank zu orientieren, sind vielfältig; sie reichen von der Wachstumsfinanzierung über die Nachfolgeregelung bis zum Management-Buy-in und Management-Buy-out.

Die Mechanismen sind die gleichen

Die zugrunde liegenden Mechanismen sind dabei immer die gleichen: Es gilt, die richtigen Kapitalgeber und Kapitalsuchenden zu finden und zusammenzubringen und in einem strukturierten, professionell gemanagten Prozess dafür zu sorgen, dass "Win-win-Situationen" für beide Seiten entstehen.

In den weiteren Beiträgen des Autors zu diesem Thema, die in loser Reihenfolge erscheinen, werden die einzelnen Bausteine detailliert erläutert: Regelkreis Beteiligungsfinanzierung, Übersicht Förderinstrumente, Wachstum via Beteiligungskapital, Alternative Finanzierungsformen, Nachfolgeregelung beziehungsweise MBI / MBO, optimale Aufbereitung Investment Case, Unternehmenswertermittlung sowie professionelle Verhandlungsführung. (oe)

Der Autor Dr. Bernhard Schmid war knapp 20 Jahren in der IT-Branche tätig und hat in seiner Zeit als Geschäftsführer, Vorstand und Berater über 20 Corporate Finance -Transaktionen im IT-Channel realisiert. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Global Value Management GmbH (GVM).

Kontakt:
Tel.: 08141 8890-39, E-Mail: bernhard.schmid@global-value-management.de, Internet: www.global-value-management.de