Die wilden "Gründertage" des Cloud Computing sind vorbei. Jetzt geht es darum, die richtigen Strategien zu entwickeln. Denn CIOs, die in die Zukunft denken, setzen nicht mehr auf die Public Cloud, um Kosten zu senken. Sie sehen die Cloud inzwischen als Chance, vom Data-Center-Management weg zu kommen und sich stattdessen auf die Projekte konzentrieren zu können, die von strategischer Bedeutung für den Geschäftserfolg sind.
Public-Cloud-Anbieter im Goldrausch
Ob es sich dabei nun um die Konzeption einer mobilen Applikation oder die Etablierung einer neuen Website zur Stärkung der Kundenbindung handelt - diese Entwicklungen zeigen, welch große strategische Bedeutung die Public Cloud heutzutage für viele Unternehmen hat. Als Plattform für grundlegende Business-Applikationen und -Services hat sich die Public Cloud für Unternehmen zudem als beliebter Digitalisierungs-Helfer etabliert, mit dem sich im Idealfall sowohl Umsatz als auch Gewinn steigern lassen.
Aus Perspektive der CIOs bietet die Wolke auch einen Weg, unter Anwendung von Prinzipien wie Agile, DevOps und Design Thinking Software schneller zu entwickeln. Die Public Cloud hat sich zum Katalysator für solche Veränderungen entwickelt. Das reflektiert auch der Markt: Laut IDC werden die Einnahmen aus Public-Cloud-Dienstleistungen 2017 bei 123,2 Milliarden Dollar liegen. Im Jahr 2020 sollen es dann bereits 204,5 Milliarden Dollar sein.
Die Kollegen unserer US-Schwesterpublikation CIO hatten die Gelegenheit, mit einigen IT-Entscheidern über deren Erfahrungen bei der Migration in die Public Cloud zu sprechen. Wenn auch Sie den Umzug in die Wolke planen - lassen Sie sich von den folgenden, positiven Migrations-Beispielen inspirieren.
Wie Merrill mit der Public Cloud wächst
Das traditionsreiche US-Unternehmen Merrill Corporation bietet Unternehmen virtuellen Speicherplatz für hochsensible Informationen - etwa Dokumente zu Fusionen und Übernahmen. Auch Merrill steht vor der Aufgabe der digitalen Transformation und nutzt dazu Microsofts Public Cloud. Merrill-CTO Brad Smuland dirigiert den Übergang in die Wolke und verspricht sich vom Wechsel in die Public Cloud nicht weniger als den Wandel von einer Service Company zum Technologie-Player.
Unter der Regie von Smuland laufen derzeit rund 1700 Server auf Microsofts Cloud-Plattform Azure und 4500 im eigenen Data Center - wobei täglich Server ins Azure-System verlagert werden. Um nicht blind in eine alles zermalmende Kostenspirale zu laufen, hat der CTO stets ein wachsames Auge auf die laufenden Kosten des Public-Cloud-Services von Microsoft. Unterstützung bekommt er in dieser Hinsicht von Turbonomic. Das Kostenmanagement-Tool für die Cloud verschiebt Workloads automatisch von den On-Premise-Servern auf die Azure-Plattform - und umgekehrt. Das geschieht auf Basis von Algorithmen, die entscheiden, welche Plattform für bestimmte Aufgaben das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet.
Durch die Migration in die Public Cloud musste die Merrill Corporation (3000 Beschäftigte in 36 Ländern) nicht nur ihre IT-Architektur überarbeiten und neu ausrichten, sondern auch neue Talente an Bord holen. Allen voran Softwareentwickler, Fachleute für IT Security, Produktmanager und UX-Designer. Die neuen Mitarbeiter jonglieren mit On-Premise- und Cloud-Infrastrukturen, überwachen neue Security-Konzepte und entwickeln native Cloud-Applikationen mit Microservices im DevOps-Umfeld. Nach Aussage von Smuland mussten dabei nur einige wenige der "alteingesessenen" Mitarbeiter auf "Transformations-Linie" gebracht werden - was wieder einmal untermauert, dass eine Cloud-Migration nicht nur Sache von Technologie, sondern auch von Unternehmenskultur ist.
"Wir sind sehenden Auges in dieses Projekt gestartet, aber es war dennoch viel mehr Aufwand, als ich erwartet hatte," erzählt CTO Smuland. "Die wesentlichen Problemstellen waren der Wandel von Skills, Kultur und Gesamtstrategie. Denn dabei geht es für viele Menschen an die Substanz - nämlich wie sie ganz konkret Tag für Tag arbeiten. In diesem Bereich hatten wir eine Menge zu tun."
Smulands Rat an andere IT-Entscheider, die vor ähnlichen Projekten stehen: "Unsere strategischen Partnerschaften waren absolut erfolgskritisch und auch wesentlich für die Geschwindigkeit der Umsetzung. Ohne sie hätten wir das so nicht geschafft. Allzu oft fühlen sich meine geschätzten CIO-Kollegen dazu genötigt, alles komplett selbst zu entwickeln und auszurollen."
Mit American Airlines über den Wolken
Die US-Fluggesellschaft American Airlines (AA) hat nach einem Weg gesucht, die Kollaboration von und mit Business Entscheidern zu vereinfachen und die Auslieferung von Software zu automatisieren. Die Antwort hat die Airline in der Public Cloud gefunden. Das Unternehmen verlagert seine Webseite, mobilen Applikationen und andere digitale Services in die IBM Cloud.
Laut Daniel Henry, Vice President of Customer Technology war einer der Hauptgründe für die Entscheidung zugunsten von IBM die Partnerschaft des Technologie-Giganten mit der Cloud Foundry. American Airlines nutzt diese Open-Source-PaaS-Umgebung, um cloud-native Applikationen zu entwickeln. "Wir wollen eine App entwickeln, die uns künftig erlaubt, Features und neue Funktionen für unsere Website schneller umzusetzen und so den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Das IBM-Ökosystem bietet uns genau diese Möglichkeit."
Nach Auskunft von Henry nutzt die Fluggesellschaft auch IBMs "Garage"-Methodik, zu der Architekturen und Best Practices für die Entwicklung von Software mit Microservices, Agile und DevOps gehören. Die Idee dahinter: Die Ingenieure von American Airlines sollen künftig besser mit Business Entscheidern kollaborieren und Software automatisiert ausliefern. So soll die Applikations-Entwicklung sowohl im Sinne der Mitarbeiter, als auch der Kunden deutlich beschleunigt werden.
Für American Airlines ist die Cloud aber auch ein Trigger für die eigene, kulturelle Neuerfindung. "Dazu muss man nicht in die Cloud migrieren, aber es ist ein Trigger der bedeutsam genug ist, um eine Reevaluierung des gesamten Business im Sinne von mehr Effizienz und Kollaboration anzustoßen", meint Henry.
Dass American Airlines und IBM schon seit vielen Jahren Partner sind, hat bei der Entscheidung für die Public Cloud von Big Blue hingegen keine Rolle gespielt, wie Henry beteuert: "Wir haben ein ausgiebiges Proof-of-Concept erstellt und waren von den Ergebnissen begeistert. IBM musste sich das verdienen und das haben sie ohne Zweifel getan."
Auch Daniel Henry hat einen Rat für IT-Entscheider auf Lager, wenn es um die Migration in die Public Cloud geht: "Wie man bei Nike schon seit Jahrzehnten sagt: ‚Just do it‘. Ja es gibt viele Aspekte, über die man sich den Kopf zerbrechen kann. Aber CIOs müssen aufhören zu reden und Taten sprechen lassen. Genauso müssen Unternehmen auch bereit sein, sich selbst neu zu erfinden. Der Staus Quo wird keine Verbesserungen bereithalten."
Ancestry.com und der Public-Cloud-Stammbaum
In den vergangenen Jahren hat sich ein regelrechter Trend dazu entwickelt, Informationen über die eigene Familiengeschichte online abzurufen. Vorreiter in diesem - von zunehmendem Wettbewerb geprägten - Segment ist Ancestry. Das Unternehmen kündigte 2017 an, auf Amazon Web Services (AWS) "all in" gehen zu wollen.
Zu diesem Schritt entschloss sich die Company nach Auskunft von Nat Natarajan, Executive Vice President Product and Technology, aus verschiedenen Gründen: "Wir haben uns für das Top-Paket von AWS entschieden, weil wir fest daran glauben, so unser Wachstum und unsere Innovationsgeschwindigkeit weiter steigern zu können."
Milliarden historischer Dokumente - inklusive Familienstammbäumen und DNA-Profilen - werden derzeit in die Public Cloud von Amazon verlagert. In sechs Monaten hat Ancestry die Hälfte seines gesamten Datenbestandes (8 Petabyte) migriert. Das Unternehmen hat mit Hilfe von PaaS, Serverless Computing und anderen Tools auch bereits 6000 seiner 12.000 Server und 550 Datenbanken in die Amazon-Cloud gehievt. Bis Ende 2017 soll ein weiterer, beträchtlicher Teil der Consumer-Produkte von Ancestry in die AWS-Infrastruktur fließen. "Der wesentliche Treiber für uns war Speed," so Natarajan. "Wir glauben, das war für uns der schnellste Weg zum Ziel."
Natarajan kann Entscheidern mit Public-Cloud-Ambitionen nur raten, anzuerkennen, dass der Erfolg einer solchen Migration weniger an der Technologie, sondern mehr am Betrieb, den Prozessen und Menschen hängt. Außerdem essentiell: die Bestimmung eines Verantwortlichen, der die Fäden in der Hand hält und Best Practices für die Übergangsphase zur Anwendung bringen kann.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com.