Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision, sobald und soweit der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat, so steht es in § 87 a Absatz 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches. Der Handelsvertreter geht naturgemäß in Vorleistung und ist dann darauf angewiesen, dass der Unternehmer das Geschäft auch tatsächlich ausführt und ihm die Provision auszahlt. Was aber geschieht, wenn der Unternehmer nach erbrachter Vermittlungsleistung insolvent wird?
In der Insolvenz des Unternehmens stellen sich dem Handelsvertreter einige drängende Fragen. Zunächst wird es ihm darum gehen, zu wissen, ob er noch weiter verpflichtet und berechtigt ist, dem Unternehmen Aufträge zu vermitteln oder ob er sich sofort auf dem Markt umtun und für einen Wettbewerber tätig werden kann. Ebenso wichtig wird es dem Vertreter aber auch sein, zu erfahren, was mit den von ihm vermittelten und vielleicht schon ausgeführten Abschlüssen passiert. Bekommt er noch die volle Provision vom Insolvenzverwalter oder hat er nur einen Anspruch auf die Insolvenzquote? Muss er gar bereits erhaltene Provisionen an den Insolvenzverwalter zurückzahlen?
Insbesondere die letzte Frage war immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Entscheidungen. So hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe erst im Januar 2015 entschieden, dass Zahlungen an einen Gläubiger zurückzuzahlen sind, wenn durch die Auszahlung das Vermögen des späteren Insolvenzschuldners verkürzt, also die Masse geschmälert wurde, und der Gläubiger mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat (BGH, IX ZR 198/13, 8.1.2015).
So könnte es auch einem Vertreter gehen, der - nachdem das Unternehmen schon einige Wochen mit der Provisionszahlung in Rückstand ist - beginnt, Druck zu machen, um das Unternehmen, das kurz vor der Insolvenzanmeldung steht, noch zu einer Zahlung zu bewegen, obwohl er weiß, dass einige seiner Kollegen im Außendienst ebenso wie er noch auf ausstehende Provisionen warten. Sollte dann eine Zahlung erfolgen, kann der Insolvenzverwalter vom Handelsvertreter Zahlung an die Masse verlangen.
Angesichts dieser Gefahr ist es für den Handelsvertreter von erheblicher Bedeutung, ob er die Provision für von ihm vor Eintritt der Insolvenz vermittelte Geschäfte als Insolvenzforderung anmelden muss oder in voller Höhe vom Insolvenzverwalter bekommt.
Fünf Szenarien sind zu unterscheiden:
Szenario 1:
Abschluss und Ausführung des vermittelten Geschäfts liegen vor dem Insolvenzantrag. Hier erhält der Handelsvertreter nur einfache Insolvenzforderung, wird sich also mit einer Quote begnügen müssen, auch wenn der Kunde in voller Höhe bezahlt hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Provisionsanspruch schon mit Abschluss oder erst mit Ausführung oder gar erst später fällig wurde.
Szenario 2:
Das vermittelte Geschäft wurde vor Stellung des Insolvenzantrags noch nicht abgeschlossen. Der Insolvenzverwalter entscheidet, ob er den Abschluss tätigt oder nicht. Entschließt er sich gegen den Abschluss, erhält der Vertreter weder eine Provision noch Schadensersatz. Schließt der Insolvenzverwalter das Geschäft hingegen ab, bekommt der Handelsvertreter, obwohl er seine vertragswesentliche Leistung bereits vorher erbracht hat, die Provision vorab aus der Masse. Er wird nicht auf die Insolvenzforderung verwiesen.
Szenario 3:
Das vermittelte Geschäft wurde zwar abgeschlossen, aber noch nicht ausgeführt. Auch hier liegt es in der Hand des Insolvenzverwalters, zu entscheiden, ob das Geschäft noch ausgeführt werden soll. Entscheidet er sich für die Ausführung, wird der mit Geschäftsabschluss entstandene Provisionsanspruch fällig, ist aber nicht bevorrechtigt. Sollte sich der Insolvenzverwalter gegen die Ausführung entscheiden, ist ein Schadensersatzanspruch des Handelsvertreters denkbar, der allerdings der Höhe nach auf die entgangene Quote beschränkt ist. Hier bedarf es im Einzelfall der Prüfung, ob die Insolvenz auf ein Verschulden des Unternehmers zurückzuführen ist. Nur dann kann ein Schadensersatzanspruch bestehen.
Szenario 4:
Liegt die Vermittlung nach Stellung des Insolvenzantrags aber vor Eröffnung des Verfahrens und billigt der vorläufige Insolvenzverwalter die Tätigkeit des Handelsvertreters, so erhält dieser einen Masseanspruch, bekommt also die Provision aus der Masse vorab befriedigt.
Szenario 5:
Liegt die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters nach dem Insolvenzantrag, ohne dass sie vom vorläufigen Insolvenzverwalter gebilligt wurde, kommt es darauf an, ob der Insolvenzverwalter die Vermittlungsleistung überhaupt noch in Anspruch nehmen will. Akzeptiert er die Vermittlungsleistung, wovon auszugehen ist, wenn es zum Abschluss des vermittelten Geschäftes kommt, wird man dem Handelsvertreter die volle Provision zubilligen müssen, die bevorrechtigt zu bezahlen ist. Der Anspruch kann ggf. gegen den Insolvenzverwalter selbst bestehen, wenn in der Masse nicht genügend Mittel vorhanden sind.
Allerdings sollte dem Handelsvertreter im letzten Fall daran gelegen sein, seinen Status und die Bezahlung vorab mit dem Insolvenzverwalter zu klären, denn es ist nicht gewährleistet, dass der vor der Insolvenz bestehende Vertrag auch noch nach der Insolvenz gilt. Im Gegenteil: durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt der bisher bestehende Vertrag automatisch. Daher müssen, wenn Insolvenzverwalter und Handelsvertreter die Fortsetzung der Zusammenarbeit ins Auge fassen, die Konditionen des neuen Vertrages geklärt werden. Zu beachten ist, dass auch bei einer vereinbarten Fortsetzung des bisherigen Vertrages die früher entstandenen Provisionsansprüche einfache Insolvenzforderungen sind.
Bis zur Klärung seines Status bleibt der Handelsvertreter, der den Vertrag nicht seinerseits aus wichtigem Grund gekündigt hat, auch ohne klare Vereinbarung über die Provision verpflichtet, seine Tätigkeit fortzusetzen, wenn dem Unternehmen sonst ein Schaden droht. Etwaige während dieser Zeit entstehende Aufwendungen sind dem Handelsvertreter in voller Höhe aus der Masse zu erstatten.
Soweit dem Handelsvertreter nur eine einfache Insolvenzforderung zusteht, bleibt ihm die Möglichkeit der Anmeldung der Provisionsforderung im Insolvenzverfahren. Abrechnungsansprüche sind gegen den Gemeinschuldner oder den Insolvenzverwalter geltend zu machen.
Infos und Kontakt: Alexander Rilling ist Rechtsanwalt bei Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Stuttgart, und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.
Tel.: 0711/30 58 93-0, E-Mail: stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de