CP-Serie "Finanzierung von IT-Firmen", Teil 9

Professionell verhandeln

18.11.2011
Wie bei Unternehmensfinanzierungen Fallstricke vermieden werden können, sagt Dr. Bernhard Schmid.

In diesem Beitrag lesen Sie, wie Sie mit professioneller Verhandlungsführung Ihr wichtigstes Projekt in der Firmengeschichte erfolgreich abschließen.

"Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler"

"Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler" - so lautet eine der Erfolgsmaximen im Vertrieb. Angewandt auf die Suche nach Finanzmitteln beziehungsweise einem Investor bedeutet dies: Man muss die Finanzierungskriterien und die zugrunde liegende Motivation kennen, um zielgerichtet und oft im wörtlichen Sinne sein Unternehmen "verkaufen" zu können.

Bei Verhandlungsstrategien gilt: Es gibt nicht "die" eine Strategie, sondern eine richtige Strategie pro Investorentyp. Finanziers lassen sich daher in folgende Cluster einteilen, die die folgenden unterschiedlichen Erwartungshaltungen und somit Anforderungen haben:

Banken sind keine Mitgesellschafter, daher steht die künftige Liquidität im Vordergrund, aus der Zinsen und Tilgung zu bedienen sind. Dies soll möglichst gut und stabil prognostizierbar sein, sodass die Performance in der Vergangenheit als Heuristik für die Fähigkeit des Managements auch eine große Rolle spielt, neben den weichen Kriterien wie Qualität des Managements aus Basel II. Daher wird zum Teil zu Unrecht über "Finanzierung mit Blick nicht nach vorne sondern, sondern mit Blick in den Rückspiegel" gesprochen. Wer zum Beispiel seine GmbH in den vergangenen Jahren steueroptimiert ausgestaltet hat, wird einen entsprechend höheren Diskussionsbedarf haben.

Dies deckt sich mit einer von GVM gesponserten Forschungsarbeit an der University of Bradford bezüglich der wesentlichen Ablehnungsgründen auf einer Skala von 1 bis 4: Ungünstige Geschäftsaussichten, die Qualität des Managements sowie schlechte Marktposition stehen im Vordergrund.

Im Gegensatz dazu gehen Private-Equity-/-Venture-Capital-Investoren eine gemeinsame Wette auf die Zukunft ein - bei den seriösen Anbietern wird dabei in der geplanten Wachstumsphase kein/wenig Geld entnommen, sondern in das weitere Wachstum refinanziert. Gedacht wird vom Ende her, sprich Exit - über ein Trade-Sales, IPO etc. sollen dann nach rund drei bis acht Jahren überproportionale Rückflüsse erfolgen. Obwohl Bankkredite eine wesentliche Rolle spielen, sind im Gegensatz zu den Bankablehnungsgründen die Einschätzung von Finanzwelt und Unternehmer deutlich enger korreliert. Künftige Wachstumsoptionen, eine gute Marktposition sowie ein Technologievorsprung stellen die wesentlichen Investitionskriterien dar.

Strategische Investoren hingegen werden den Fokus darauf legen, dass "1:1" mehr als "2" ergibt - "strategischer Fit" und die Nutzung von Synergien bezüglich Leistungsangebot, Kompetenzen und Marktzugang zu spezifischen Kundensegmenten werden dabei eine starke Rolle spielen - deutlich stärker als die rein kaufmännischen Eckdaten.

Geduld ist oberste Pflicht

Nach anfänglichen "Fast-schon-Zusagen" gestaltet sich der Prozess zum Ende meist langwieriger als gedacht. Wer hier die Geduld verliert, verliert oft viel Geld. Der Prozess läuft dabei in der Regel so ab:

- Zu Beginn wird mit dem Corporate-Finance-Berater eine Long-List definiert, die typischerweise vom beauftragten Corporate-Finance-Partner angeschrieben wird.

- Auf Basis der Aussendung eines Executive Summaries und der ersten Gespräche kristallisiert sich ein kleiner Kreis ernst zu nehmender Interessenten heraus.

- Mit den Kandidaten der Short-List werden entsprechende Verhandlungen geführt. Dazu schließen beide Parteien in der Regel einen Vorvertrag (Letter of Intent, LOI, beziehungsweise Memorandum of Understanding, MOU) ab. Dabei wird oft der Fehler gemacht, sich zu früh auf einen Kandidaten festzulegen. Dies mindert die Chancen - verhandeln Sie auf Augenhöhe (auch der Kapitalsuchende spricht mit mehreren potenziellen Beteiligungsvarianten).

Kapitalgeber bedingen sich in der ernsthaften Verhandlungsphase eine Verhandlungsexklusivität aus, da Aufwand und Kosten der Due Diligence erheblich sind. Dies ist durchaus legitim. Allerdings blockieren Sie oft für mehrere Wochen beziehungsweise Monate die Suche nach Alternativen. Es kann zum Beispiel darüber nachgedacht werden, im Sinne eines Beauty Contest eine keiner Seite zugehörige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu beauftragen. Diese Kanzlei führt dann für den engen Kreis der drei besten Aspiranten eine Prüfung durch, in die dann gerne spezielle Anliegen der einzelnen Investoren mit eingearbeitet werden können.

- Erst danach beginnen die finalen Vertrags-Verhandlungen und der Vertragsabschluss.

Erstkontakt

Von entscheidender Bedeutung ist die Erstansprache.

Institutionelle Investoren können täglich zwischen mehreren interessanten Vorschlägen unterscheiden. Der Erstkontakt erfolgt kurz und prägnant in Form eines sogenannten Investment Case Fact Sheets (wie dies in der von Anglizismen reichen Branche oft genannt wird beziehungsweise auf "gut Deutsch": Executive Summary). Denn Finanzierung zu akquirieren ist insbesondere auch eine Marketing- und Vertriebsaufgabe. Das Investment Case Fact Sheet muss entsprechend hochwertig gestaltet sein, denn für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.

Wenn strategische Investoren angesprochen werden, geschieht dies in anonymisierter Form, um keine Unruhe bei Mitarbeitern, Partnern und Kunden zu erzeugen.

Im Falle von Finanzinvestoren ist es wichtig, eine gezielte Vorselektion zu treffen:

Corporate-Finance-Unternehmen wie Global Value Management verfügen über entsprechend aktuelle Datenbanken potenzieller Eigenkapital- beziehungsweise Fremdkapitalgeber. Diese sind typischerweise nach Branche, Unternehmensphase (Seed, Wachstum, Turnaround) und Investitionsgröße gruppiert.

Durch die Hinzuziehung eines erfahrenen Sparringpartners gewährleisten Kapitalsuchende, dass der Einstieg professionell gelingt. Zudem ist es -wie in jedem Key-Account-Sales-Projekt - notwendig, einen Top-Level Einstieg über die Gründer/Managing Partners der Firmen zu finden, der dem Berater persönlich bekannt ist. Ansonsten landet Ihr Vorgang nicht selten als einer unter etlichen 100 Investmentchancen bei einem Junior-Analysten mit geringer Berufs-/Branchenerfahrung.

Das Erstgespräch - freundlich, aber tückisch

Vielfach sind Unternehmer erstaunt, in welch angenehmer Atmosphäre die Erstgespräche ablaufen, haben sie doch viele "taffe" Fragen der Gegenseite erwartet. Man sollte sich davon aber nicht täuschen lassen. Im ersten Kennenlernen geht es darum, sich wechselseitig anzunähern, um Vertrauen aufzubauen.

In Banken wie auch bei VC-Gesellschaften wird zunehmend eine Rollenverteilung exerziert. Der Kundenbetreuer der Bank ist Vertriebsmann, der Geschäfts generieren möchte. Der Kollege, der für das Financial Engineering zuständig ist, muss dafür sorgen, alle möglichen Risiken auszuschließen, auch wenn der eine oder andere Deal zur Konkurrenz geht.

In der Verhandlungsstrategie ist es daher sinnvoll, diese Struktur aufseiten des Kapitalsuchenden zu spiegeln. Corporate-Finance-Berater können dann der anderen Seite signalisieren: "bis hierhin und nicht weiter", ohne dass die spätere operative Arbeitsebene zwischen Kapitalgeber und Kapitalsuchenden darunter leidet. Zudem hat der Corporate-Finance-Berater immer noch die Möglichkeit, sich bei einem Vorschlag mit dem Unternehmer abzustimmen. Damit gewinnt man wertvolle Zeit zum Nachdenken, die in der direkten Ansprache so nicht möglich ist.

Auf der anderen Seite lauern trotz des verbindlichen Tons des Erstgesprächs genug Fallstricke. Ein Beispiel:

Wer auf die Frage nach White-Papers für das Softwareprodukt antwortet, der CTO werde etwas zusammenschreiben und zusenden, hat bei VCs oft schon verloren, bevor es eigentlich begonnen hat: Ein VC möchte bei "Software made in Germany" in einen potenziellen Weltmarktführer investieren. Technologische Vision und Umsetzungsstärke sind dabei zum Beteiligungszeitpunkt viel wichtiger als Vertriebs-Power. Letzteres lässt sich "zukaufen". Eine fehlende und schriftlich für Mitarbeiter und Kunden fixierte Produktvision und -strategie ist hingegen ein No-Go.

Der größte Fehler besteht also darin, das unverbindliche Erstgespräch zu unterschätzen.

Letter of Intent - oft nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben ist

Letters of Intent, kurz LOIs, gehören zum guten Ton bei Finanzierungsverhandlungen mit Eigenkapitalinvestoren. Leider sind diese oft nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Denn in den seltensten Fällen ist ein Vorvertrag justiziabel:

LOIs werden vor der Due Diligence erstellt und stellen zumeist die Absicht dar, eine Finanzierung oder den Erwerb unter festgelegten finanziellen Eckwerten zu gestalten - vorbehaltlich der Ergebnisse der Due-Diligence-Prüfung. Damit hat in der Regel der Kapitalgebende jede Möglichkeit des unbeschadeten Rücktritts. LOIs dienen daher oft nur dem Zweck, dem Kapitalsuchenden die Exklusivität zu gewährleisten. Denn diese Klausel ist unkonditional und zumeist justiziabel.

Due Diligence - Prüfung auf Herz und Nieren

Eine Due-Diligence-Prüfung mit den Bereichen Technical, Financial, Legal und Tax Due Diligence erscheint auf den ersten Blick als trockene, primär finanztechnische Angelegenheit. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Due Diligence ist eine der wichtigsten Verhandlungsphasen im Gesamtprozess.

Man sollte sich bewusst sein, dass eine kleine Änderung im Gewinn eines Jahres durch die Folgeeffekte in der Planung Auswirkungen auf den Beteiligungswert im zweistelligen Prozentbereich haben kann. Due Diligence ist also Chefsache - hier einige grundlegende Regeln:

- Allokieren Sie im Vorfeld die benötigten personellen Ressourcen (Stichwort: Urlaubssperre) - die Checkliste der Due-Diligence-Prüfer umfasst typischerweise zwischen 50 und 100 Seiten.

- Machen Sie sich im Vorfeld Gedanken über die interne Kommunikation - Ihren Mitarbeitern wird es nicht verborgen bleiben, wenn externe Wirtschaftsprüfer die Firma untersuchen.

- Sie verkaufen als Unternehmer immer - auch in der Due Diligence.

- Die Vorbereitung ist entscheidend - glänzen Sie mit einer perfekten Vorbereitung, übererfüllen Sie die Erwartungen, da bei Finanziers oft das Vorurteil bei mittelständischen IT-Unternehmern besteht: Fachlich "top", bezüglich Finanzplanung & Controlling eher "flop".

- Begleiten Sie proaktiv die Prüfung, stellen Sie durch Nachfragen während der Prüfung sicher, dass Ihre Daten richtig verstanden und aufgenommen wurde: Eine Revision des Due- Diligence-Berichts ist schwierig.

- Seien Sie offen: Due-Diligence-Prüfer sind erfahrene Wirtschaftsprüfer, die wissen, in welcher Branche die "typischen Haken" liegen. Und über die Korrektheits- und Vollständigkeitserklärung sowie die aus der Due Diligence abgeleiteten Garantiererklärungen sind Sie automatisch mit in der Haftung.

- In kleinen Dingen großzügig sein: in jedem Unternehmen gibt es etwas zu bemängeln. Beharren Sie daher nicht in jedem Punkt auf Ihrer Meinung, konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Big Points.

Vertragsverhandlungen

Die eigentlichen Vertragsverhandlungen ähneln denen von großen Rahmenverträgen. Hier einige Tipps zur Verhandlung:

- Stellen Sie gemeinsam akzeptierte Spielregeln auf: Definieren Sie, zu welchen Punkten bereits Übereinkunft erzielt wurde und welche Punkte noch zu diskutieren sind. Damit vermeiden Sie weitgehend, dass an einem Punkt das gesamte Prozedere nochmals aufgerollt wird.

- Dokumentieren Sie regelmäßig den Verhandlungsstand und tauschen Sie dies aus.

- Nehmen Sie Auszeiten, wenn notwendig - unbedachte Äußerungen lassen sich in der Regel schwer revidieren.

- "Give & take" - wenn von Ihnen ein Zugeständnis erwartet wird, dann erwarten Sie ein Zugeständnis von der anderen Seite. Wenn die Umstellung des Gehalts eines geschäftsführenden Gesellschafters auf das eines angestellten Geschäftsführers im Falle eines Verkaufs gefordert wird, verhandeln Sie eine Abfindungsregelung bezüglich der Vertragsänderung.

- Setzen Sie das Rollenspiel "Good Guy, Bad Guy" im Zusammenspiel mit Ihrem Berater gekonnt ein - schließlich wollen Sie die nächsten Jahre vertrauensvoll und in guter Chemie mit dem Investor beziehungsweise der Bank zusammenarbeiten.

Aus der Erfahrung von über 20 Transaktionen im IT-Bereich folgt: Nichts wird so stark in puncto Zeitaufwand und Komplexität unterschätzt wie Corporate-Finance-Verhandlungen. Für dieses wichtigste Projekt in der Unternehmerhistorie gilt daher: Drum prüfe, wer sich ewig (beziehungsweise sehr lange) bindet. Ein Corporate-Finance-Berater in Verbindung mit einer Steuer- und Anwaltskanzlei hilft, den Prozess professionell durchzugestalten. Dies ist wichtig, damit sich der Unternehmer weiter um das laufende Geschäft kümmern kann. Wenn er das nicht tut, weil der für ihn neue Corporate-Finance-Prozess alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, kommt es zu Umsatz- und Planverfehlungen, die dann nach Monaten zum Abbruch der Verhandlungen führen können. (oe)

Der Autor Dr. Bernhard Schmid war knapp 20 Jahren in der IT-Branche tätig und hat in seiner Zeit als Geschäftsführer, Vorstand und Berater über 20 Corporate -inance -Transaktionen im IT-Channel realisiert. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Global Value Management GmbH (GVM).

Kontakt:

Tel.: 08141 8890-39, E-Mail: bernhard.schmid@global-value-management.de, Internet: www.global-value-management.de