Produkttest der Woche: Doppelkerner versus Quad-Core-CPUs

15.01.2007 von Thomas Rau und Michael Schmelzle
Die ersten Vier-Kern-Prozessoren von AMD und Intel sind da. Wir sagen Ihnen, wann sich der hohe Anschaffungspreis bezahlt macht und in welchen Fällen ein herkömmlicher Dual-Core die bessere Wahl ist.

von Michael Schmelzle, PC-Welt

Die ersten Vier-Kern-Prozessoren von AMD und Intel sind da. Wir sagen Ihnen, wann sich der hohe Anschaffungspreis bezahlt macht und in welchen Fällen ein herkömmlicher Dual-Core die bessere Wahl ist.

Testbericht

Eine clevere Idee setzt sich durch: Bereits im Jahre 2001 präsentierte IBM mit dem Power4 den ersten Zwei-Kern-Prozessor. Es dauerte jedoch noch vier Jahre, bis auch AMD und Intel erkannten, dass sich die Rechenleistung von Desktop-Prozessoren nicht mehr allein über eine höhere Taktrate steigern lässt.

Insbesondere Intel kämpfte beim Pentium 4 noch mit der sehr hohen Abwärme und musste den mit viel Brimborium angekündigten Meilenstein „4-GHz-CPU“ kleinlaut einstellen: Die Prototypen eigneten sich hervorragend zum Braten von Spiegeleiern (siehe Bild), ließen sich allerdings bei üblicher Luftkühlung nicht mehr stabil betreiben. Zwar konnte Intel mit Optimierungen wie etwa den SSE-Befehlssätzen die Effizienz der Pentium-4-Baureihe noch steigern. Doch noch mehr Rechenleistung kitzelte die Hyperthreading-Technik aus dem Pentium 4: Dabei präsentiert sich ein physikalischer Rechenkern dem Betriebssystem als virtuelle Zwei-Kern-CPU. So lässt sich die Auslastung der Rechenwerke deutlich steigern.

Hyperthreading deutete aber schon an, wohin die Reise gehen sollte: Hin zu mehreren parallel arbeitenden Rechenkernen mit niedrigeren Taktfrequenzen. Die ersten Desktop-Zweikerner präsentierten AMD und Intel nach einem spannenden Wettlauf dann zeitgleich im Frühjahr 2005. Inzwischen haben sich die Dual-Core-Prozessoren etabliert - und das zurecht!

Zwei-Kern-CPUs: uneingeschränkt empfehlenswert

Damit sich die Kraft der zwei Kerne voll entfalten kann, müssen Programme so geschrieben sein, dass der Prozessor die anfallenden Rechenaufgaben parallel auf seine beiden Rechenwerke verteilen kann. Im Fachjargon nennt sich dieser Vorgang Multi-Threading. Zur Premiere der Desktop-Doppelkerner war erst wenig Software entsprechend programmiert, inzwischen hat sich einiges getan. Insbesondere rechenintensive Anwendungen arbeiten mittlerweile mit zwei parallelen Threads.

Wenn Sie zum Beispiel häufig Musikstücke und Videos in ein anderes Dateiformat, eine höhere Kompressionsstufe oder eine andere Auflösung überführen, macht sich ein Zwei-Kern-Prozessor mehr als bezahlt. Die meisten aktuellen De- und Encodier-Algorithmen arbeiten mit zwei parallelen Threads.

Dazu einige Beispiele aus der Praxis: In unserem Transcodier-Test mit Nero Recode war beispielsweise der Pentium D 960, ein 3,6-GHz-Doppelkerner auf Basis des Pentium 4, mehr als 36 Prozent schneller als der baugleiche 3,8-GHz-Einkerner Pentium 670. Das gleiche Bild ergab sich unter Itunes beim Umwandeln einer Musik-CD ins MP3-Format. Auch hier war der Pentium D 960 rund 37 Prozent schneller mit der Transcodierung fertig.

Besonders deutlich profitieren die Doppelkerner bei Rendering-Programmen. Sehr anschaulich lässt sich das mit unserem Cinebench-Test belegen: Der Rendering-Benchmark von Cinebench erlaubt nämlich Testdurchläufe, die entweder einen oder mehrere Prozessorkerne nutzen. Damit lassen sich auch aktuelle Architekturen wie AMD AM2-Athlon oder Intels Core 2 Duo direkt vergleichen. So ermittelten wir beispielsweise für AMDs Athlon 64 FX-62 im Multi-Thread-Modus einen Vorsprung von mehr als 54 Prozent gegenüber dem Single-Thread-Modus. Sogar 86 Prozent Mehrleistung erreichte der Core 2 Duo E6700 im Multi-Thread-Modus.

Eine Leistungssteigerung von 100 Prozent zwischen einer baugleichen Ein- sowie Zwei-Kern-CPU ist aber selbst bei optimal angepasster Software nicht zu erzielen. Denn nach dem Amdahlschen Gesetz kostet auch der Datenaustausch zwischen den einzelnen Rechenkernen bei Parallelberechnungen Leistung. Dabei steigt der Leistungsverlust mit zunehmender Anzahl der Kerne. Ausserdem verschwendet auch das Betriebssystem für die dynamische Rechenlastverteilung auf die verfügbaren Kerne bis zu drei Prozent der Gesamtleistung.

Andererseits punkten die Dual-Core-CPUs, wenn mehrere Anwendungen gleichzeitig laufen. Beispiel PC-Sicherheit: Virenscanner, Firewall und Verschlüsselung erzeugen eine Grundlast, die bereits heute rechenaufwendige Software im Vordergrund ausbremst. Mit einem Zwei-Kern-Prozessor verlagern Sie diese stetig wachsende Hintergrundlast auf einen Kern und fahren Ihre Hauptanwendung mit vollem Tempo auf dem zweiten Rechenwerk.

Vier-Kern-CPUs: teure Spezialisten

Wie bei den Doppelkernern gilt auch für die Quad-Cores: die Software muss mitspielen und die anfallende Rechenlast in mindestens vier parallele Prozesse aufteilen. Bestes Beispiel: Beim Cinebench-Test war der Core 2 Extreme QX6700 im Multi-Thread-Modus mit einem Vorsprung von 70 Prozent signifikant schneller als der baugleiche Doppelkerner Core 2 Duo E6700. Solche deutlichen Leistungssprünge stellen bei Vier-Kern-Prozessoren aber noch die Ausnahme dar, da derzeit fast ausschließlich nur Anwendung für Server oder Workstation vier oder mehr Threads parallel nutzen.

Aber auch das soll sich ändern. So hat beispielsweise der Spieleentwickler Remedy angekündigt, dass die Spiele-Engine von Alan Wake für die Physik-Berechnung mehrere Rechenkerne nutzen kann. Die schnelle Verbreitung von Quad-Core optimierten Programmen ist jedoch recht unwahrscheinlich. Das hat einen einfachen Grund: Die meisten Programme laufen bereits mit aktuellen Zweikernern verzögerungsfrei. Und für Standard-Büro-Anwendungen wie Excel, Word und Co. liefern selbst die preisgünstigsten Doppelkerner mehr als genug Rechenleistung. Selbst beim rechenintensiven Encodieren eines 90-Minuten-Films rechtfertigt derzeit der Zeitgewinn von ein paar Minuten nicht die horrenden Preise für Intels Doppelkerner.

Wenn Sie also zu den rational denkenden Zeitgenossen gehören, warten Sie lieber noch ein paar Monate. Denn spätestens, wenn AMD im Sommer seine ersten Quad-Cores vorstellt, ist die Vier-Kern-Technik im Massenmarkt angekommen. Intel dominiert dann nicht mehr alleine den Desktop-Markt für Quad-Cores und dürfte angesichts des Wettbewerbsdrucks keine Mondpreise mehr für seine Vierkerner abkassieren können.

Wenn Sie allerdings geschäftlich häufig mit Quad-Core-optimierten Programmen aus den Bereichen Rendering, Raytracing und Transcodierung arbeiten, lohnt sich möglicherweise bereits jetzt die Investition von mindestens 800 Euro für den Core 2 Quad Q6600 oder das Spitzenmodell Core 2 Extreme QX6700 zum Preis von knapp 1000 Euro. Sinn machen die Quad-Cores auch beim Multi-Tasking mit mehreren rechenintensiven Programmen.

Zu den ausführlichen Prozessor-Tests mit allen technischen Daten und Messergebnissen gelangen Sie über diesen Link. (pc-welt/haf)