CP-Serie "Finanzierung von IT-Firmen", Teil 4

Pro & Contra Beteiligungskapital

29.08.2011
Dr. Bernhard Schmid zu Venture Capital, Corporate Venture, Strategische Partner und Business Angels

In diesem Beitrag lesen Sie, welche strategische Ziele welche Art von Wachstumsfinanzierunggeeignet ist, damit insbes. für die Zusammenarbeit mit Private Equity Unternehmen gilt: Honigbiene statt Heuschrecke!

Beim Thema Wachstumskapital denken die meisten Unternehmer an Venture Capital. Und vergessen dabei, dass es eine Vielzahl von validen Ergänzungen beziehungsweise Alternativen gibt:

- Klassischer Bankkredit

-- Geeignet für Unternehmen mit guter Bonität (Unternehmer will Kontrolle behalten)

-- Vorteile: Kein Anteilsverlust

-- Nachteil: Bankline kann leichter gekündigt werden (Covenants)

- Venture Capital

-- Geeignet für Unternehmen mit nachhaltigem USP (zum Beispiel patentierbare Technologie), Willen zum (internationalen) Wachstum

-- Vorteile: tendenziell höhere Bewertung, meist höheres Kapitalvolumen

-- Nachteile: starke Sanktionierungs-Macht, oft "digitale" Entscheidungen

- Business Angels

-- Geeignet für Unternehmen bei denen das Management-Team über geringe Seniorität verfügt (das heißt hoher inhaltlicher Mehrwert des Business Angels)

-- Vorteil: "Smart Money", das heißt Branchen-Know-how, Netzwerk inklusive

-- Nachteil: Oft geringere Mittel bei vergleichsweise hoher Einflussnahme

- Strategischer Investor

-- Geeignet für Unternehmen wenn sich neben Kapital Synergieeffekte heben lassen.

-- Vorteil: oft hoher operativer Nutzen zum Beispiel im Einkauf, Vertrieb

-- Nachteile: "Blockieren" des Marktes, Abhängigkeit vom zumeist "großen Partner"

Fremdkapital statt Beteiligungskapital

Der grundsätzliche Unterschied besteht darin, dass ein Kredit-Engagement nicht aus der pro-aktiv unternehmerischen Sichtweise eines Eigenkapitalgebers betrachtet wird. Vielmehr liegt die risikoaverse Betrachtung eines Fremdkapitalinvestors zugrunde. Da im Kreditgewerbe viele Arbeitskräfte aufgrund von Überkapazitäten abgebaut werden, hat sich diese risikoaverse Betrachtungsweise noch verstärkt. Basel II / III bzw. die Finanzkrise ist hier meist nur ein vorgeschobenes Argument: Die Banken haben bereits in den Jahren vor Basel II entsprechende Rating-Systeme intern implementiert.

Die Trennung zwischen Vertrieb (Firmenkunden-Betreuer) und Backoffice (Financial Engineering, Kredit-Rating) verstärkt diesen Trend: Wenn ein Kredit nicht bewilligt wird, hat der Kompetenzträger nicht um seinen Job zu bangen. Wenn eine falsche Entscheidung getroffen wird (Insolvenz des Kreditnehmers), mag dies anders aussehen.

Fremdkredite eignen sich dann, wenn man aufgrund einer guten Bonität eine gute Verhandlungsmasse besitzt und weiterhin stark eigenständig agieren möchte. Banken üben bei positivem Geschäftsverlauf wenig Einfluss auf das Geschäftsgebaren aus. Und da Banken im Zuge von Basel II bei gutem Unternehmens-Rating weniger Eigenkapital zur Unterlegung des Kredits benötigen, sind bessere Konditionen zu erwarten.

Zudem haben sich bei Banken die sogenannten Covenants (Verhaltensmaßnahmen) deutlich restriktiver gefasst - werden zum Beispiel gewisse Report-Pflichten dauerhaft verletzt, kann dies zu Zinserhöhungen führen etc.

Daher lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: So kamen österreichische Kreditinstitute - zu ihrem damaligen Leidwesen - kaum beim IPO-Hype am Neuen Markt zum Zuge. Umso besser ist heute Ihre Eigenkapitalrendite, und so nutzen sie die restriktiven Vorgaben mancher deutschen Institute, um massiv in den süddeutschen Markt zu drängen, oft mit zügigen Genehmigungsverfahren und besseren Konditionen.

Zudem sind insbesondere im High-Tech-Bereich Banken mit Strukturauftrag (Fördermittelprogramme) sowie alternative Finanzierungsformen valide Optionen, wie bereits in einem früheren Beitrag dargestellt wurde.

Private Equity/Venture Capital - direkt, aber meist fair

In der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren ein negatives Bild von VCs geprägt. Diese seien oft nur darauf aus, über Knebelverträge aus einer kleinen Beteiligung sich für "einen Apfel und ein Ei" die Mehrheit an einem Unternehmen zu sichern. Gelegentlich mag das zutreffen, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle aber nicht.

Wie Banken, verwalten VCs das Geld anderer Personen. Ihr primäres Ziel ist daher, ihren Auftrag, also Rendite zu erzielen, zu erreichen. Nur durch eine gute Rendite lassen sich Geld für nachfolgende Fonds einsammeln und somit langfristig Fonds-Management-Gebühren zuzüglich Erfolgsbonus sichern. Und da gibt es Nachholbedarf. 2009 war durch die Finanzkrise das schlechteste Jahr der Branche - 41 Prozent der Exits waren Totalverluste, 2005 waren es nur 24 Prozent (KfW). Entgegen der "Heuschrecken-Debatte" profitieren davon auch die Unternehmen: Insbesondere junge Innovationsunternehmen, also IT-Unternehmen, profitieren überdurchschnittlich vom Venture-Capital-Einsatz, wie eine Langfriststudie von PWC und BVK im Zeitraum 2000 bis 2004 zeigt.

Von diesem Beginn einer wunderbaren Freundschaft profitieren insbesondere die IT-Unternehmen: Gemäß m&a monitor lag die IT-Branche mit 105 Transaktionen an zweiter Stelle bei M&A Transaktionen.

Im Unterschied zu Buy-out-Fonds streben klassische VCs in der Regel keine Mehrheit an. Sie wollen, dass die industrielle Führerschaft beim Unternehmer beziehungsweise einem strategischen Investor liegt. Nur so lassen sich die Motivation und das Know-how im Unternehmen binden, um langfristig erfolgreich zu sein - auch für den Exit des VCs nach rund fünf bis zehn Jahren.

VCs kommunizieren in der Regel klar, an welche Meilensteine welche Mittelzuführung gebunden ist. Diesen Vertrauensvorschuss gilt es zu rechtfertigen. Entsprechend direkt sind die Maßnahmen, wenn die beidseitig vereinbarten Meilensteine vom Management nicht eingehalten werden. In Konsequenz kann dies auch dazu führen, dass der Gründer nur mehr Gesellschafter und nicht mehr CEO ist. Die Trennung von Kapital und Management ist für Gründer oft schwer zu ertragen. Aber: Auch für den VC ist dies ein "Worst Case" - besser wäre ein "Durchmarsch" gen Börsengang mit einem stabilen Team.

Zudem gilt es, den wechselseitigen Erwartungshorizont zu kennen. Ein VC rechnet ein Investment durch, indem er - bei risikostarken Engagements in der Frühphase - typischerweise von einer jährlichen Wertsteigerung des eingesetzten Kapitals von 15 bis 30 Prozent jährlich ausgeht. Dies hängt damit zusammen, dass VCs nach der "80:20"-Regel operieren. Oft werden mit ein bis zwei High-Flyern acht "Living Deads" oder "Flops" überkompensiert. Exponentielle Wertsteigerungsraten sind nur möglich, wenn in einer frühen Phase in eine potenziell marktführende Technologie investiert wird. Diese muss international einsetzbar und damit skalierbar sein. So hat zum Beispiel ein Schweizer Venture Capitalist das 200-Fache seines ursprünglichen Einsatzes in Google realisieren können.

Wer VC-Geld sucht, ist gut beraten, sich auf dieses (internationales) Wachstumsszenario einzustellen. Nicht jeder IT-Unternehmer ist willens und fähig, dies durchzustehen. Denn Ziel ist immer der gemeinsame Exit - sei es über ein IPO, die aufgrund aktueller Euphorie (siehe auch LinkedIn) wieder möglich erscheinen, sei es im Zuge eines Trade-Sales (siehe auch Übernahme von Skype durch Microsoft).

Business Angels - "Nomen est omen" stimmt nicht immer

Nur die wenigsten wissen, dass Business Angels keine Erfindung der letzten Jahrzehnte sind: Schon 1880 gehörte etwa Werner von Siemens zu den ersten Financiers der Brüder Mannesmann, 1903 investierte er zusätzlich noch in Zeppelin.

In einer "Schwarz-Weiß"-Einteilung der Investoren nehmen die VCs typischerweise die Rolle des Bad Guys ein, während Business Angels als Good Guys fungieren. Wenn Business Angels ihre Stärken richtig einsetzen, profitieren beide Seiten: Business Angels sind in der Regel "Elder Statesmen", die nach einer erfolgreichen Management- oder Unternehmerkarriere ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihr Netzwerk zum Wohl des Unternehmens einbringen - ergänzend zur finanziellen Beteiligung, die sich im Vergleich zu anderen Kapitalquellen eher bescheiden ausnimmt.

Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, es darf aber nicht vergessen werden, dass nicht nur Fonds und Banken Geld an der Börse gelassen haben, sondern auch so mancher Privatinvestor. Insofern ergänzen Business Angels gut die Dynamik der Entrepreneurs. Doch auch hier gilt: Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Viele Business Angels hatten an ihrer früheren Wirkungsstätte als Mittelstandsunternehmer beziehungsweise Manager in Großunternehmen eine großzügige Infrastruktur an Personal, die nicht mit jener der Beteiligungsunternehmen vergleichbar ist. Es soll schon Fälle gegeben haben, in denen die Gründer entnervt das Handtuch warfen, als der Business Angel "zum dritten Mal in der Woche die Finanzzahlen in einem anderen Excel-Format" haben wollte.

Eine interessante Variante ist die heutige Erbengeneration der Industriellenfamilien. Oft wird das Familienimperium über externe Manager einer Familienstiftung geführt. Dies lässt für den Nachwuchs wenig Betätigungsspielraum im Schatten der Familie. Vielfach suchen sich diese vermögenden Erben ein neues Spielfeld - zum Beispiel im Zuge einer unternehmerischen Beteiligung im IT-Umfeld. GVM hatte zum Beispiel. vor einigen Jahren das Investment einer namhaften Industriellenfamilie an einem jungen IT-Unternehmen in die Wege geleitet und in der Folge die Akquisition eines wesentlichen Mitbewerbers unterstützt. Kurze Zeit später hat sich ein DAX-Konzern signifikant beteiligt - alles binnen sieben Jahren nach Unternehmensgründung.

Zudem bieten sich Management-Buy-ins/-Buy-outs als interessante Option an, Know-how langfristig zu binden.

Strategische Investoren verfolgen strategische Interessen

Strategische Investoren verfügen - ähnlich wie die meisten Business Angels - über fundierte Branchenkenntnisse. Oft handelt es sich um Investoren entlang der Wertschöpfungsketten: strategische Lieferanten (Rückwärtsintegration) oder strategische Kunden (Vorwärtsintegration). Durch die gemeinsame höhere kritische Masse können signifikante Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Oft beginnt die Partnerschaft über ein Joint Venture oder eine kleine Beteiligung.

Dabei sollte man sich als "Junior-Partner" im Klaren sein, dass es in den seltensten Fällen dabei bleibt. Entweder ist das Ziel, bewusst unter den relevanten Grenzen wie zehn Prozent, 20 Prozent oder 30 Prozent zu bleiben. In der Regel will man aber Umsätze und Gewinn zu 100 Prozent konsolidieren, was prinzipiell ab "50% + eine Stimme" möglich ist.

In beiden Fällen entstehen indirekte beziehungsweise direkte Abhängigkeiten. Ein Minderheitenanteil hat oft zum Zweck, bestimmte Technologien über die kapitalmäßige Verflechtung exklusiv zu sichern. Die gegenseitige Erwartungshaltung sollte daher nicht nur kurzfristig, sondern auch mittelfristig fixiert sein. Durch den Zusammenschluss wird in der Regel für einen der Partner der Markt blockiert. Dem Bereich des Integrationsmanagements kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.

Eine Zwischenform bilden sogenannte Corporate-Venture-Unternehmen (CVs). Nachdem mit dem Platzen der New-Economy-Blase viele Konzerne ihre Aktivitäten eingestellt haben, wurde nun erkannt, dass Schnellboot und Dampfer kaum in derselben Organisationsform Platz haben. Global Corporate Venturing zählen zu den einflussreichsten CVs: Deutsche Telekom (1), Vattenfall Innovation (10), RWE Dynamics (16). Für IT-Unternehmen von hohem Interesse dürften zudem Burda Digital, Bertelsmann Media Ventures, SAP Ventures oder Siemens Venture Capital sein.

Going Public - Totgesagte leben länger

Wäre der vorliegende Beitrag vor wenigen Jahren geschrieben worden, wäre IPO wohl für den IT-Mittelstand wohl kein Thema mehr. Doch die Zeiten haben sich geändert:

Gab es 2009 nur ein IPO in 2009, so waren es bereits 2010 wieder 14 (Centre for Management Buyout Research, CMBOR). Zudem haben sich neben den Mega-Börsen starke Regionalbörsen etabliert, die sich speziell auf die Bedürfnisse des Mittelstands ausgerichtet haben. Dazu zählen die Börse Düsseldorf (mittelstandsmarkt), die Börsen Hamburg und Hannover (Mittelstandsbörse Deutschland), die Börse München(m:access) sowie die Börse Stuttgart (Bondm). Dabei wird zwar wie bei den großen IPOs auch ein Wertpapierprospekt gefordert, jedoch sind Platzierungen bereits ab zehn Millionen Euro möglich (Düsseldorf).

Auch die Deutsche Börse hat die Zeichen der Zeit erkannt - neben dem Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse, dem EU-reguliertem Prime und General Standard gibt es mit Entry Standard und Open Market / First Quotation Board (FQB) börsenregulierte Märkte.

Letztere benötigen als Mindestanforderung zum Beispiel lediglich 30 Investoren und beim Entry Standard als Historie zumindest einen Jahresabschluss. Beim FQB entfällt sogar dieser.

Der breiten Ansprache und Publizität stehen die Kosten für den Prospekt beziehungsweise die laufenden Investor-Relations- beziehungsweise Publikations-Pflichten gegenüber, sodass eine sorgfältige Abwägung notwendig ist.

Fazit

Die Wahl des richtigen Finanzierungsinstruments hängt von den strategischen Zielen ab. Daher gilt es nicht nur, Liquidität zu sichern, sondern auch "Smart Money" zu akquirieren, um sich zudem zum Beispiel einen besseren Marktzugang beziehungsweise eine einfachere Internationalisierung zu ermöglichen. Oft bietet auch ein Mix verschiedener Varianten eine geeignete Option, Abhängigkeiten zu vermeiden. (oe)

Der Autor Dr. Bernhard Schmid war knapp 20 Jahren in der IT-Branche tätig und hat in seiner Zeit als Geschäftsführer, Vorstand und Berater über 20 Corporate Finance -Transaktionen im IT-Channel realisiert. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Global Value Management GmbH (GVM).

Kontakt:

Tel.: 08141 8890-39, E-Mail: bernhard.schmid@global-value-management.de, Internet: www.global-value-management.de

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Für Ihre Fragen zum Thema Unternehmensfinanzierung steht Ihnen unser Corporate-Finance-Experte Dr. Bernhard Schmid am 8. September ab 16.00 Uhr unter der Rufnummer 08141 8890-39 zur Verfügung.